,,Lasst uns gehen, wir wollen ja noch zur Konditorei. Wenn wir jetzt losgehen, sind wir pünktlich zum Sonnenuntergang wieder beim Schloss." Sārén reißt uns nun doch aus der Starre und wir machen uns auf den Weg. Trotzdem komme ich nicht umhin und werfe einen Blick zurück, zu der Frau, die einfach nur da sitzt und stumme Tränen weint.
Wir lassen sie hinter uns und steuern einen Marktplatz an, hier werden die unterschiedlichsten Dinge angeboten, Fisch, Fleisch, Gemüse, Obst, Schmuck, Töpfe. Alles Mögliche. Die unterschiedlichsten Gerüche und Geräusche liegen in der Luft. Händler, die ihre Wahren anbieten und Kunden, die um den Preis feilschen wollen. ,,Es erinnert mich an Muruá." sage ich als wir uns einen Weg durch die Masse bahnen. ,,Nur das es hier viel größer ist. Alles ist hier größer." füge ich hinzu. ,,Vermisst du dein Dorf?" fragt Sārén. ,,Vermissen ist das falsche Wort. Was kann man vermissen, wenn man es nie geliebt hat? Die Gespräche fehlen mir. Die mit den anderen Händlern und mit den Kunden. Das ist alles." erkläre ich und Loran lenkt uns weiter in eine bestimmte Richtung. Wir verlassen den Markt und gehen eine ruhige Straße entlang. Hier sind die Gebäude noch altmodisch, die Modernisierung hat sie noch nicht erreicht. Auch die Straße besteht aus altem Kopfsteinpflaster. Wer nicht aufpasst, fällt hier schnell hin. ,,Da vorne ist es." Loran zeigt auf ein Geschäft auf der rechten Seite der Straße. ,,Ferens Leckereien." lese ich laut vor. ,,Jap, Feren ist der Mann vom Besitzer. Und da Feren seine Törtchen und Gebäcke so sehr liebt, hat er seine Konditorei nach ihm benannt. Es ist die beste Konditorei der Stadt, ganz nach dem Motto klein, aber fein. Auch wenn es ein kleiner Laden ist, die kleinen Leckereien werden mit viel Liebe und Mühe zubereitet und die Zutaten sind von höchster Qualität." ich nicke und folge den beiden in den Laden. ,,Loran, du hast dich ja lange nicht mehr blicken lassen!" ein kräftig gebauter Drache hinter der Theke begrüßt uns freudig. ,,Tut mir leid. Hatte etwas Wichtiges zu tun." er grinst und nimmt meine Hand. ,,Das ist Yinka, er ist noch neu hier. Wie währe es, wenn du ihm mal deine Spezialität vorstellst. Dann kann er sich ein Bild davon machen, warum das hier die beste Konditorei der Stadt ist." neugierig beäugte mich der große Drache. Seine braunen Augen strahlen eine Ruhe und Gelassenheit aus, die ich selten vernommen habe. Seine schokobraunen Schuppen passen zu ihm als Konditor, die bekleckerte Schürze und die kurzen blonden Haare runden das Bild ab. ,,Na dann will ich sie mal holen. Ich habe gerade frische gebacken." breit grinsend verschwindet er im hinteren Teil seines Ladens und ich habe Zeit mir den Laden genauer anzusehen. Der Laden ist in einem hellen Rosé Ton gestrichen und an der Fensterfront stehen vier weiße Tische. In der Theke stehen die verschiedensten Kuchen, Törtchen und Kekse. ,,Schön hier, oder?" ich drehe mich um und sehe einen jungen Mann, der gerade durch die Tür gekommen ist. ,,Das ist mein absoluter Lieblingsort. Alleine die Gerüche lassen mich auf Wolke sieben schweben." er lächelt und stellt die Tüte, anscheinend voller Einkäufe, auf die Theke. ,,Hey Feren. Schön dich wiederzusehen."wird er von Loran begrüßt. Der junge Mann lächelt und seine Grübchen kommen zum Vorschein. Seine grünen Augen erinnern mich an den Wald, die Natur. In seinen dunkelblonden Haaren prangt eine Haarspange in demselben orange wie sein Shirt. ,,Ich freue mich auch, aber wenn du zu viel Süßes isst, wirst du noch dick. Was sollen wir denn mit einem dicken Prinzen, der nicht kämpfen kann?" Feren muss lachen und auch Sārén kann sich ein Glucksen nicht verdrücken. ,,Danke, ich achte auf meine Linie." murmelt Loran und sieht beide gespielt böse an. ,,Und wer bist du? Dich kenne ich noch nicht." wendet Feren sich nun an mich. ,,Ich bin Yinka." stelle ich mich vor. ,,Das nenne ich mal spärliche Information." nuschelt er und sieht mich fragend an, doch bevor er etwas sagen kann, kommt sein Mann zurück. ,,Feren, lass unsere Gäste doch in Ruhe." in seinen Händen trägt er ein Tablett. ,,Als ob du nicht neugierig bist. Und wie siehst du schon wieder aus! Dàke, will ich wissen, wie es hinten aussieht?" böse sieht Feren seinen Mann an. ,,Ach komm schon, das sieht doch keiner und außerdem habe ich gerade gebacken. Wie kann ich da aufräumen, wenn ich gerade Gäste habe?" frustriert plustert Feren seine Wangen auf, sagt aber nichts mehr. ,,Hier, probier mal." Dàke streckt mir das Tablett entgegen und ich nehme mir ein Küchlein. Es ist hellbraun und sieht sehr schlicht aus. Ich beiße hinein und werde eines Besseren belehrt. Es mag zwar von außen schlicht aussehen, aber der Geschmack ist etwas ganz Besonderes. Es ist schokoladig und hat eine Himbeer-Zitrone Füllung. ,,Es schmeckt warm. Aber es ist nicht mehr warm." ich sehe Dàke fragend an. ,,Das liegt an einer Geheimzutat. Feren hat mich darauf gebracht. Es schmeckt nach Sommer, nicht war?" ich nicke. Auf dieses Küchlein kann er zurecht stolz sein, die Kombination der verschiedenen Geschmäcker ist erstaunlich. Ich esse den Rest des Küchleins und nicke. ,,Erstaunlich." Loran grinst, denn Feren und Dàke sehen mich nur abwartend an. Er lacht und flüstert den beiden etwas ins Ohr. ,,Du musst nicht flüstern, ich kann ihnen auch selbst sagen, dass ich keine Emotionen besitze und nicht mögen oder hassen kann." Loran kratzt sich am Kopf. ,,Sorry." ich schüttle den Kopf. ,,Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst." Feren und Dàke lächeln und Dàke packt uns ein paar Küchlein ein. ,,Kommt bald mal wieder vorbei!" bei Verlassen des Ladens winken uns beide hinterher.
Auf dem Rückweg halten wir beim Markt an und essen eine Kleinigkeit, eine Fueúguo. Eine Frucht der besonderen Art, sie ist leicht zu züchten und es gibt sie in allen möglichen Farben und Formen. Diese Furúguo ziert ein unscheinbares Grün mit hellgrünen und dunkelgrünen Punkten und Streifen. Ihre Ausstülpungen machen es schwer sie zu halten, aber richtig zubereitet ist sie eine Köstlichkeit.
Gemächlich machen wir uns auf den Weg zum Schloss, der Tag ist schneller verflogen als ich zuerst gedacht habe, die Sonne fängt nämlich schon an sich dem Horizont zu näher. ,,Der Tag kam mir kurz vor." sage ich als ich so den Himmel betrachte. ,,Das stimmt, aber es war ein schöner Tag." Loran nimmt meine Hand.
Nachdem die Einkäufe sicher verstaut und weggepackt sind, setzen wir uns in den Garten und warten auf den Sonnenuntergang. Es ist erst das zweite Mal, dass ich dieses Spektakel erleben darf, aber ich will es jetzt schon nicht missen müssen.
Das Farbenspiel beginnt und ich kann nicht anders als aufzustehen und meine Hände nach diesen vielen Farben auszustrecken. Es ist wie ein Wunder. Mein Verstand will nicht begreifen, wie all diese Farben entstehen und wo sie herkommen, sie sind einfach da. Aber so schnell wie sie kommen, so schnell sind sie wieder weg und lassen die Welt in Dunkelheit zurück. Kurz bleibe ich noch stehen, wo gerade das Licht gespielt hat, ehe ich mich losreiße und zu Loran gehe. ,,Du hast dein Training verpasst." erstaunt sieht Loran mich an und kratzt sich am Kopf. ,,Jaaaaa, ich gehe morgen wieder hin." er grinst und nimmt meine Hand. ,,Du bist bestimmt müde." ich nicke und lasse mich von ihm zu meinem Zimmer führen. An der Tür bleibt er stehen und küsst meine Stirn. ,,Schlaft gut." Loran geht zur gegenüberliegenden Tür. ,,Du auch." ich gehe in meine Zimmer und steuere das Bett an. Darauf sitzend, sehe ich mir die Errungenschaften des Tages an. Klamotten, sehr viele Klamotten. Auch ein paar Schuhe, Jacken, Schals und Mützen sind dabei. Ich sehe mir alles an. Es sind wirklich alle möglichen Sachen dabei, helles, dunkles, breites, eng anliegendes. Loran hat an wirklich alles gedacht. Ich sehe mir einen der Schlafanzüge an und ziehe ihn anschließend an. Die Textur des Stoffes erinnert mich an Seide, sie ist sanft und weich, aber auch warm. Ich knöpfe das Oberteil zu und sehe mich im Spiegel an. Der Schlafanzug ist in einem Ozeanblau gehalten und die schwarzen Knöpfe erinnern mich an meine Augen. Ich gehe ins Badezimmer und sehe mir mein Spiegelbild an. Sie sind einfach zu lang geworden. Also greife ich nach einer Schere und fange an, sie kurzzuschneiden. Strähne um Strähne landet im Waschbecken und färben es schwarz. Ich lege die Schere zurück in die Schublade, in der ich sie gefunden habe und betrachte mein Spiegelbild erneut. Besser, jetzt passt es. Mit dem fließenden Wasser aus dem Wasserhahn spüle ich die Haare aus dem Waschbecken und entschließe mich noch eine schnelle Dusche zu nehmen. Also ziehe ich den Schlafanzug wieder aus, lege Handtücher zurecht und steige unter die Dusche. Das warme Wasser prasselt auf meine Haut und ich lasse den Tag noch einmal Revue passieren. Die Statue kommt mir wieder vor Augen, ich kann ihren Anblick immer noch nicht vergessen. Viel zu lange stehe ich unter der Dusche und denke über den Tag nach, einfach über alles. Schließlich reiße ich mich los und verlasse die Dusche. Die weißen Handtücher, mit denen ich mit abtrockne, sind weich und sanft auf der Haut. Ich wickle mir das andere Handtuch um den Kopf und ziehe mir den Schlafanzug wieder an, putze mir die Zähne und hänge die beiden Handtücher über einer Heizung zum Trocknen auf.
Die Sachen lege ich zurück in die Tüten und stelle sie neben das Bett.
Aus dem Augenwinkel fällt mir etwas auf und ich gehe zum Fenster, ich setze mich auf das kleine Sofa und sehe hinaus. Da ich nur die Nachttischlampe angemacht habe und der Rest des Raumes ansonsten im Dunkeln liegt, kann man sie gut stehen. Die Sterne. Das, was meine Aufmerksamkeit erregt hat, ist eine Sternschnuppe gewesen. Schnell verlasse ich das Schlafzimmer und gehe auf den Balkon und sehe zu, wie hunderte von Sternschnuppen vom Himmel fallen. Sie strahlen nur für ein paar Sekunden und erlöschen anschließend für immer. Hier oben auf dem schwebendem Berg fühle ich mich den Sternen näher als jemals zuvor. Die Sternschnuppen fallen und ich habe das Gefühl, als bräuchte ich nur meine Hand auszustrecken, um sie berühren zu können. Niemand erinnert sich je an eine einzelne, man weiß nur, dass man sie gesehen hat. Aber über sie wissen, tut niemand etwas. Es ist wie mit dem Leben, mit Menschen, Drachen und Hexen, sie strahlen nur eine kurze Zeit und wenn sie fort sind, weiß man nur, dass die Person einmal existiert hat. Aber im Grunde weiß man nichts über sie. Niemand weiß, wer sie gewesen sind.
Ein schwarzer Húcho landet auf dem Balkon und bewegt langsam seine Flügel. Interessant. Schwarze Húchos sind sehr selten. Ihre großen glatten Flügel sind meistens in bunten Farben gefärbt und ihre Heimat sind die großen Blumenwiesen in den Bergen. Mit ihren kleinen und schmalen Körpern wirken sie angreifbar und schwach. Ihre großen und manchmal mehrzähligen Flügel machen das aber wieder wett.
Kurz bleibt er noch da sitzen, ehe er in die dunkle Nacht verschwindet.
Ich betrachte die Sterne und vergesse vollkommen die Zeit, in diesem Moment spielt Zeit keine Rolle, alles was zählt ist die Schönheit des Momentes. Bis spät in die Nacht stehe ich da und betrachte den Himmel, der heute Nacht voller Licht ist und die sonstige Dunkelheit für einen Moment vertreibt.
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Heart of Darkness
FantasyMan x Man Ein Mensch und ein Drache. Eine liebe und ein Geheimnis. Wird ihre Liebe dieses dunkle Geheimnis überleben, oder reißt es sie beide in den Abgrund? In einem Königreich in einer anderen Welt ist nicht alles wie es scheint. Tief im inneren...