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Ich sitze auf der Wiese. Um mich herum sind lauter Blumen und Pflanzen. Ein kleiner Bach plätschert in ein paar Metern Entfernung vor sich hin und ich kann leise ein paar Nirí hören. ,,Du hast es geschafft." ich drehe mich um und Mapójo steht vor mir und hilft mir hoch. Der Duft von Blumen hüllt mich ein und ich fühle mich ganz leicht. ,,Bin ich gestorben?" frage ich sie ganz direkt. ,,Noch nicht. Du lebst, aber gleichzeitig auch nicht. Du befindest dich zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten." sagt sie und reicht mir ihre Hand und wir gehen ein Stück. ,,Oh, verstehe. Gibt es einen Weg zurück?" Mapójo seufzt. ,,Wenn es so einfach währe, währe ich nicht mehr hier." ich senke den Kopf und bleibe stehen. ,,Also gibt es keine Hoffnung mehr." Tränen sammeln sich in meinen Augen und laufen mir die Wangen hinunter. Mapójo nimmt meine andere Hand und drückt sie fest. ,,Das habe ich nicht gesagt." ich schüttelt den Kopf. ,,Sie kämpfen um dein Leben. Alle strengen sich an." sie zeigt mir Bilder meiner Freunde, Bilder meiner Familie. ,,Sie sind hier." Mapójo nickt. ,,Natürlich sind sie das. Sie dachten, sie hätten dich vor Jahren verloren. Jetzt wollen sie dich nicht noch ein mal verlieren." ich seufze. ,,Aber was kann ich tun?! Ich muss zurück, aber wie?"  mit einer Handbewegung holt Mapójo etwas Wasser aus dem Bach, welches sich zu einem Spiegel formt und mir die anderen zeigt. ,,Loran." Loran sitzt weinend neben meinem reglosen Körper, er hat ihn fest umklammert. Es ist totenstill, nur Lorans weinen und schluchzen ist zu hören. Seine verzweifelten Rufen brechen mir das Herz. Immer und immer wieder ruft er meinen Namen und schüttelt sanft meinen Körper. Hijó steht neben ihm und wischt sich Tränen aus dem Gesicht. Kuàng, Tsutāi und Kurīme kommen. Eng an Kurīmes Seite steht Rédin. Ehe sie fragen können, was los ist, sehen sie das ganze Blut und meinen leblosen Körper. ,,Nein, nein, nein. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein!" Kurīme drängt sich an den umstehenden vorbei und rennt zu Loran. Er sieht die Stofffetzen, mit denen Hijó meine Wunden verbunden hat. Sie sind alle blutgetränkt. ,,Wach auf, bitte wach auf. Du hast doch gesagt, dass alles gut gehen wird." er schluchzt und lässt sich auf einen Felsen sinken. Rédin kommt zu ihm und wendet sich an Hijó. ,,Danke, ohne dich, währe er zerquetscht worden." sie lächelt und nickt. ,,Nach allem was er für mich und meine Familie getan hat, wünschte ich ich hätte mehr machen können." kraftlos sieht sie hoch zum Schloss und erstarrt. Sie schnellt hoch und geht ein paar Schritte Richtung Schloss. Dann dreht sie sich abrupt um und legt zwei Finger an meinen Hals. ,,Er lebt noch!" alle starren sie an. ,,Er lebt!" sagt sie noch einmal. ,,Aber er atmet nicht und er hat keinen Herzschlag." schluchzt Loran. Hijó nickt. ,,Ja und nein. Herzschlag und Atmung sind sehr schwach, fast nicht mehr tastbar. Aber sie sind da! Sieh mal zum Schloss! Nun sieh schon!" Loran dreht seinen Kopf und seine Augen werden groß. Denn das zerstörte Schloss, was eigentlich abstürzen müsste, ist immer noch an Ort und Stelle. Schatten haben sich um das Schloss gewunden. Mein Schatten. ,,Dieser Sturkopf." Kurīme sieht den Schatten auch und sein Gesicht hellt sich auf. ,,Wo ist Haíko?!" fragt er und springt auf. ,,Sie wurde vermutlich mit den anderen in Sicherheit gebracht. Warum willst das überhaupt wissen? Sie sollte Yinka so nicht sehen." sagt Tsutāi und nimmt Kurīmes Hand, dieser schüttelt vehement den Kopf. ,,Nein, so meine ich das nicht. Schnell bringt die Zwillinge her! Haíko kann Yinka retten!" ohne zu zögern verwandelt sich jemand und fliegt los. Nach allem was heute passiert ist, zweifelt keiner an Kurīmes Worten. ,,Aber wie soll das gehen? Sie ist doch nur ein Kind." Kurīme schüttelt den Kopf. ,,Sie und Nikaí sind wie wir. Irgendwie konnten sie entkommen. Und Haíko hat die Fähigkeit zu heilen! Sie kann Yinkas Wunden heilen!" er kniet sich zu mir und lächelt. ,,Jetzt wird alles wieder gut. Halt noch ein bisschen durch." glücklich sehe ich zu Mapójo. ,,Haíko kann Wunden heilen! Sie kann mich wirklich retten!" überglücklich umarme ich sie. Etwas überrumpelt erwidert Mapójo die Umarmung. ,,Nicht so stürmisch!" sie lächelt mich an und streichelt meinen Kopf. ,,Du wirst ein langes und schönes Leben führen." sagt sie und wir sehen zurück in den Spiegel. Ein Drache setzt gerade Nikaí und Haíko ab. Beiden rennen sofort zu Loran, der immer noch neben meinem Körper sitzt. ,,DAD, PAPA!" ,,Wir hatten so eine Angst!" als sie das Blut sehen, erstarren sie. Haíko schüttelt den Kopf und kniet sich neben mich. Sie legt ihre Hände auf meine Brust und schließt die Augen. Ich spüre wie meine Brust anfängt zu kribbeln und lege eine Hand auf die Stelle. ,,Danke meine kleine." ich strecke eine Hand aus und berühre den Spiegel. ,,Bald wirst du wieder bei ihnen sein." ich nicke. ,,Ich kann es kaum erwarten. Es gibt so viel, was ich Loran noch sagen will. Was ich meiner Familie noch sagen will." Mapójo legt einen Arm um meine Schulter. ,,Bis dahin, wachen wir hier gemeinsam über sie."
Das angenehme Kribbeln breitet sich in meinem gesamten Körper aus und mit jeder Minute die vergeht, fühle ich mich stärker und besser. Nikaí hat sich zu seiner Schwester und Loran gesetzt und nimmt Lorans Hand. ,,Haíko kriegt das schon hin. Sie hat Papa schon mal geheilt." erklärt er zuversichtlich. Loran nickt und zieht Nikaí auf seinen Schoß. Kleine Steine fangen auf an von dem Geröllhaufen zu fallen. ,,Was passiert hier?!" der Boden bebt ein wenig. Kurīme fängt an zu schwitzen. ,,Verdammt!" er flucht. ,,Yinka und die Kinder müssen hier sofort weg!" Rédin stellt sich neben ihn. ,,Sie lebt noch!?" ,,Wie ist das möglich? Ich dachte Yinka hat sie besiegt!?" beide Fluchen. ,,Wir können Yinka noch nicht transportieren." mischt sich Hijó ein. ,,Seine Wunden sind noch zu schwer!" Kurīme und Rédin nicken sich zu. ,,Dann müssen wir ihn beschützen." sie erschaffen zwei Schutzmauern. Die äußere erschafft Rédin und die hintere Kurīme. ,,So sollte es funktionieren." Kurīmes Eis soll das Gestein kühlen, damit es nicht schmilzt und Rédins Steinmauer soll sie vor den gröbsten Angriffen schützen. ,,Die ist auch nicht klein zu kriegen!" zischt Kurīme. Ein schallendes Lachen ertönt. ,,ICH BIN WIEDER DAAAAAA!" alle bringen sich hinter der Mauer in Sicherheit. ,,Oh nein. Wie ist das möglich?!" geschockt sehe ich Mapójo an. ,,Ich weiß es nicht. Ihr Überlebenswille muss unglaublich stark sein." mein Magen verkrampft sich. ,,Es muss doch etwas geben, das ich tun kann!?" Mapójo seufzt. ,,Es gibt eine geringe, wirklich geringe Chance, dass du Schatten, auch von hier kontrollieren kannst." bevor ich begeistert etwas sagen kann, nimmt sie meine Hand und sieht mich ernst an. ,,Aber dein Körper ist schwer verletzt. Deine Wunden werden vermutlich wieder aufreißen. Die Schmerzen werden unerträglich werden." warnt sie mich. Aber es könnte mir nicht egaler sein. ,,Ich werde nicht zu sehen, wie Mijó sie töten wird!" ich atme tief durch und konzentriere mich. Mijó hat angefangen Felsen und geschmolzenes Gestein über die Mauer zu schleudern und Rédin und Kurīme sind beide am Ende ihrer Kräfte. Die Hitze zerrt an ihnen und sie müssen ja auch noch die Mauer aufrecht halten. ,,Ich halt das nicht mehr lange durch!" keucht Rédin und geht in die Knie. ,,Wir müssen uns was einfallen lassen!" Hijó schafft es einige der Felsen zu schmelzen und eine weitere Schutzschicht zu bilden. ,,Wir müssen nur solange ausharren, bis wir Yinka transportieren können." sagt sie und prüft meinen Puls. ,,Immer noch schwach." eine Bewegung zieht ihre Aufmerksamkeit an sich. ,,Schatten!" Aus den Schatten der Leute und dem Schatten den die Mauer wirft kriechen Schattensoldaten hervor. Sie verbeugen sich vor der königlichen Familie und deuten auf die Mauer. ,,Ihr wollt auf die andere Seite." stellt Loran fest. Die Soldaten nicken und sehen zu Rédin und Kurīme. ,,Wir haben keine Wahl. Achtung, wir öffnen die Mauer!" schnell laufen die Soldaten durch den entstandenen Durchgang und stürzen sich auf Mijó. ,,DU LEBST IMMER NOCH?! MAN BIST DU ZEH!" kreischt sie freudig und greift die Soldaten an. Ihr Gesicht ist vollkommen entstellt. Verbrennungen ziehen sich über ihren ganzen Körper und ihre Augen strahlen reinen Wahnsinn aus. Es muss furchtbar nach verbranntem Fleisch riechen. Ihr Bein ist als Drachenbein nachgewachsen. Sie sieht grausig aus. So etwas, habe ich noch nie gesehen. Ihre Hände haben sich in Klauen verwandelt, mit denen sie die Felsen über die Mauer wirft. Mit einem irren Lächeln auf den Lippen wirft sie Flamme um Flamme nach den Soldaten. Diese lassen die Flammen durch sich hindurch fliegen und werfen ihre Lanzen und Schwerter nach ihr. Mijó ist durch ihre vielen Wunden erschöpft und hat den Schattensoldaten nicht viel entgegen zusetzen. Schweißperlen haben sich auf meiner Stirn gebildet und ein stechender Schmerz zieht sich durch meine Eingeweide. Es füllt sich an, als würde ich zerrissen werden. Mein Körper fängt wieder an zu Bluten. ,,Was ist passiert?" Loran beobachtet besorgt wie ich immer blasser werde. ,,Trotz seines Zustandes benutz er seine Kräfte und das schadet seinem Körper." sagt Hijó und fühlt wieder meinen Puls. ,,Er wird immer schwächer." flucht sie und legt ihre Hände auf Haíkos Rücken. ,,Ich versuche dir etwas von meiner Kraft zu geben!" erklärt sie und konzentriert sich. Der stechende Schmerz wird schwächer und das Kribbeln breitet sich wieder aus. Mijó schleudert immer mehr Felsen gegen die Mauer und schließlich bricht sie. ,,HAHAHAHA, GEWONNEN, GEWO/" Mijó wird von mehreren Lanzen und Schwertern durchbohrt. Sie hat sich so sehr darüber gefreut, dass sie die Mauer zerstört hat, dass sie für einen Moment die Schattensoldaten vergessen hat. Diese stechen weiter und weiter auf Mijó ein. ,,Und dieses Mal, bleib tot!" fluche ich und breche zusammen. Mapójo fängt mich und legt mich sanft auf den Boden. ,,Ich bin stolz auf euch. Ihr seid über euch hinaus gewachsen und habt Schmerz und tot getrotzt." sie küsst meine Stirn und sieht zum Spiegel. ,,Aber leider gibt es in einer Schlacht immer Verluste." sie hilft mir mich aufzusetzen und ich sehe im Spiegel, dass Rédin von einem Eissplitter durchbohrt wurde. Er liegt tot am Boden, aber ich kann sehen, dass er lächelt. Auch ein paar der anderen, wurden von der Mauer getroffen. Kurīme konnte leider nicht alle vor den schweren Steinbrocken schützen. Ānhúr, Yōwá und ein paar andere Wachen und Leute haben ihr Leben verloren. Unter den Toten kann ich auch Zenbā und Tekidé erkennen. So viele tolle Personen, alle Leben an einem Tag verloren. Ich seufze traurig. ,,Immer hin, geht es ihnen gut." flüster ich und sehe, dass Loran, Tsutāi, Kuàng, Hijó und die Zwillinge wohl auf sind. Ich werde müde. ,,Ganz ruhig. Lass es zu, es wird Zeit für dich nach Hause zu gehen." Mapójo küsst mich auf die Stirn und die Welt um mich herum wird, zum dritten Mal heute, stumm und schwarz.

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