Erwachen

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Chester hatte auf der Couch so schlecht gelegen, dass er sich schon nach einer Stunde mehr Sorgen um seinen Rücken gemacht hatte, als um sein Bein. Mairi hatte ihm zuvor noch eine Decke rausgesucht und ein Kissen und er wunderte sich wirklich, wie karg ihre Wohnung eingerichtet war. Nichts hier hatte einen Wohlfühlfaktor. Die Möbel sahen aus, als wären sie vom Sperrmüll, die Deko karg und schnöde und nirgendwo war ein Foto von ihrer Familie zu sehen. Nicht einmal im Schlafzimmer, in dass er sich geschlichen hatte, nachdem er beschlossen hatte, dass er auf der Couch nicht würde schlafen können.

Mairi hatte tief und fest geschlafen. Sie musste vollkommen übermüdet von der Arbeit und ihrem nächtlichen Ausflug gewesen sein, dass sie nicht merkte, wie er sich neben sie gesetzt hatte. Er hatte sie einfach nur angeschaut und war die ganze letzte Woche noch einmal in Gedanken durchgegangen. Jede Begegnung, jedes Gespräch mit ihr. Die Gefühle, die ihn bei ihrem Wiedersehen ergriffen und ziemlich erschreckt hatten. Er dachte über ihre Angaben in dem Personalfragebogen nach und die Info, die er heute Nacht von Liam bekommen hatte, dass ihre Eltern doch noch lebten; an die Tatsache, dass sie als Laie Agenten des MI5 mit einem Blick an deren Kleidung hatte identifizieren können und wie sie die Typen von dieser Jugendbande verprügelt hatte. Entweder war sie wirklich eine taffe Gangsterbraut gewesen, die sich immer hatte durchbeißen müssen, um das alles zu lernen, wofür ihre Wohnung auch sprach, die so schlecht lag und so karg eingerichtet war, dass es wirklich danach aussah, als wäre sie Hals über Kopf und mit nichts vor etwas oder jemandem geflohen. Oder sie spielte das alles nur aus irgendeinem Grund.

Sein Blick war auf ihr Handy am Nachttisch gefallen und er hatte unwillkürlich danach gegriffen und sich ihre Nummer dort rausgesucht und schnell in seinem Handy gespeichert, wohl wissend, dass sie ihm die niemals selbst geben würde, so lange sie so offensichtlich sauer auf ihn war. Aber auch das würde er noch rausfinden, warum dem so war.

Er hatte grade gehen wollen, als sie sich auf den Bauch gedreht hatte. Er hatte ruhig abgewartet, ob sie wach wurde, doch nichts geschah. Einer der Träger ihres Tops war dabei über ihren Arm nach unten gerutscht und ihm kam eine Idee. Vorsichtig streifte er den anderen auch so weit herunter und zog die Decke ein wenig höher. Ihr entfloh ein leises, kaum wahrnehmbares Seufzen bei seiner Berührung, aber sie wachte immer noch nicht auf. Schnell machte er ein Foto von ihr, wie sie so dalag und betrachtete es zufrieden.

Dadurch, dass die Träger ihres Tops unter der Decke verschwanden, machte es den Anschein, als wäre sie nackt und das Foto zeigte es sehr deutlich. Auch wenn es recht dunkel war, da die einzige Lichtquelle von einer vor dem Fenster hängenden Straßenlaterne kam, konnte man es und vor allem sie eindeutig identifizieren. Es sollte genug sein, um Oliver endgültig von ihr abzubringen.

Leise hatte er sich wieder ins Wohnzimmer zurück geschlichen und hatte sich mit der Decke und dem Kissen auf den Boden gelegt. Es war allemal besser gewesen, als die ausgeleierte Couch.

Dennoch war er am nächsten Morgen mit schmerzenden Gliedern aufgewacht, wenn auch spät. Ein kurzer Blick ins Schlafzimmer verriet ihm, dass Mairi noch immer schlief und er beschloss, sie irgendwie von ihren negativen Gefühlen auf ihn abzubringen.

Auch wenn er sich eine Möglichkeit erschlichen hatte, die Wette zu seinen Gunsten zu beenden, konnte er dennoch nicht abstreiten, dass er die Frau, die seine erste Freundin, seine erste Liebe gewesen war, wieder wollte. Dafür würde er aber Zeit brauchen. Zeit, die Oliver ihm nicht geben würde, wenn er sie nicht vor ihm schützte.

Eine halbe Stunde später kam Mairi gähnend aus dem Schlafzimmer. Sie fühlte sich alles andere als ausgeschlafen, aber das stetige Klimpern aus der Küche, gemischt mit verwirrenden Düften hatten sie unruhig gemacht und aufstehen lassen, um nachzusehen.

Sie staunte nicht schlecht, als sie Chester in der Küche stehen sah, sie wusste nur nicht, worüber sie mehr staunen sollte: Dass er kochte oder weil er nur seine Hose und oben rum nichts anhatte.

Ties that bind us - GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt