Verrat

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Chester hatte sie am Montagmorgen nach der Gewitternacht auf eine Weise geweckt, die mehr als nur überraschend, aber auch angenehm gewesen war und sie hatte sich trotz erster Zweifel, die in ihrem Hinterkopf anklopften, wieder fallen lassen und dem Moment ebenso ergeben, wie in der Nacht zuvor, als er sie ihre Ängste auf eine wundervolle und sogar liebevolle Weise hatte vergessen lassen.

Es war ihr beinahe vorgekommen, als wären die letzten 14 Jahre nie gewesen und Chester war noch immer der gütige und liebevolle Mann, den sie damals gekannt hatte, der unsterblich in sie verliebt gewesen war, der ihr die Sterne vom Himmel geholt hätte, wenn sie nur danach gefragt hätte. So hatte sie es ihm auch nicht abschlagen können, als er sie mit seinem Hundeblick beinahe angefleht hatte, ihre freien Tage mit ihm zu verbringen, einfach mal die Vergangenheit ruhen zu lassen und zu genießen. Es war beinahe wie in einem Märchen, mit ihm zusammen zu sein. Dem Märchen, von dem sie als kleines Kind immer geträumt hatte, es selbst erleben zu dürfen. Wie hätte sie da nein sagen können?

Es war so dumm gewesen! So vermessen von ihr auch nur eine Sekunde zu glauben und zu hoffen, dass die Welt irgendetwas Gutes bereithielt. Das ahnte sie jetzt.

Byrne hatte Chester und Mairi heute Morgen angeboten, sie mit in die Stadt zu nehmen, nachdem Chester kurz vorher telefonisch die Auskunft gekriegt hatte, dass die Reparatur seines Wagens noch einen Tag länger dauern würde. Ches hatte Mairi keine Wahl gelassen und das Angebot gerne angenommen.

Bis dahin war noch alles in Ordnung gewesen und sie, trotz der immer noch in ihrem Hinterkopf kreisenden Zweifel, ziemlich zufrieden gewesen. Sie machte sich keine Hoffnungen für die Zukunft. Eigentlich verschwendete sie nicht einmal einen Gedanken an die Zukunft. Das hatte sie das ganze Wochenende nicht getan. Aber das Gewitter hatte ihr geholfen zu erkennen, was sie wirklich brauchte und es hatte geholfen. Genau so wie es mit Drogen war, von denen man zwar wusste, dass sie einem nicht gut taten, wollte man dennoch mehr davon, sobald man merkte, dass die Wirkung nachließ. So erging es Mairi mit Chester.

Doch kaum hatte sie den Club betreten, war sie wieder zurück in der Realität angekommen und bald schon merkte sie, dass die Droge nicht nur nachließ, sondern auch ihre Nebenwirkungen zu zeigen begann.

Schnell war ihr an diesem Abend aufgefallen, dass ihre Kollegen alle miteinander tuschelten und ihr immer wieder Blicke zuwarfen. Die, die sie leiden konnten, frech grinsend, manche voller Mitgefühl. Die, die sie weniger mochten, musterten sie mit Missbilligung oder beinahe schon so, als wäre sie eine böse Hexe. Alle tuschelten mit irgendwem, aber keiner mit ihr.

Sie hatte später Finlay darauf angesprochen, der nur mit den Schultern gezuckt hatte und ihr beinahe gleichgültig erklärt hatte, dass es um eine Wette ging, die Ches mit Oliver seit einigen Tagen am Laufen hatte und dass es nichts von Bedeutung war. Aber die Blicke aller, besonders Finlays Enttäuschung in dessen Augen, wenn er sie ansah, sagten ihr etwas anderes. Sie hatte etwas mit dieser Wette zu tun, wenn sie auch nicht wusste was - noch nicht...

Und weil sie zu viel Angst hatte, nach diesem Wochenende erneut von Chester enttäuscht zu werden und Gefahr lief, wieder in dieses tiefe Loch der Traurigkeit zu stürzen, hatte sie beschlossen erst einmal in ihre Wohnung zu fliehen, um sich zu sammeln und sich darauf vorzubereiten, was diese Wette auch immer für sie bedeutete, um nicht wie der letzte Idiot dazustehen, wenn es etwas furchtbares sein sollte - womit sie irgendwie schon rechnete, wenn man die Blicke bedachte, die ihr heute alle zugeworfen hatten.

So war sie jetzt auf dem Weg in ihre Wohnung, hatte ihren Platz so schnell wie möglich sauber gemacht und war verschwunden, bevor Chester runterkommen und sie um eine weitere Nacht bitten konnte oder sie im ganzen Club bloßstellen konnte, dass sie beide was am Laufen hatten. Alle würden nur denken, dass sie sich hochschlafen wollte. Niemand wusste um das Band, dass sie unleugbar noch immer mit Chester teilte.

Ties that bind us - GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt