Verrückt vor Sorge

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"Penny! Hier spielt die Musik!", riss Arnolds Stimme ihre Aufmerksamkeit von ihrem Handy, auf das sie gerade zum gefühlt tausendsten Mal geschaut hatte. Es war später Mittag und wieder, den zweiten Tag in Folge, hatte sie keinen Anruf ihrer Tochter gekriegt, wie sie es die ganze letzte Woche getan hatte.

"Entschuldige", rief sie zu Arnold hinauf und gab ihm mehr Seil, damit er sich oben von der Plattform herunterlassen konnte, wie Niall es bereits getan hatte. Sam war auf die grandiose Idee gekommen, eine Abseilübung mit der Tatsache zu verbinden, dass der Übungsturm dringend einen Anstrich brauchte. Sie hatten Strohhalme gezogen, weil keiner wirklich begeistert von der Idee gewesen war. Arnold hatte sich mehrfach dafür ausgesprochen und sehr plausibel dargelegt, warum Jupiters Teleskopmast besser dafür geeignet wäre, aber Sam hatte sich nicht davon abbringen lassen.

Die beiden Auserwählten waren mittlerweile bereit und an Ort und Stelle. Jetzt fehlte nur noch die Farbe, die sie mit einer zusätzlichen Leine hochziehen würden, die sie mitgenommen hatten und jetzt zu ihr herunter ließen, als Sam grade die Farbdosen neben ihr abstellte, ebenfalls mit dem Klettergurt ausgestattet, um seinen beiden Kollegen gleich dort oben Gesellschaft zu leisten.

"Es wird ihr gut gehen, Pen. Mach dir nicht so einen Kopf. Sie ist unser Mädchen. Sie weiß sich zu helfen und wenn wirklich etwas passiert wäre, hätte sie angerufen", wandte Sam sich nun an sie, um sie zu beruhigen, während er die beiden Farbeimer öffnete und nacheinander an Nialls und Arnolds Seil band. Ihm war nicht entgangen, wie sehr seine Frau ihr Handy im Blick behielt.

"Ich weiß", seufzte sie nur resignierend, konnte sich aber nicht helfen und schaute wieder auf ihr Handy. Immer noch nichts. Sam legte ihr eine Hand auf die Schulter und schenkte ihr einen besorgten Blick. Penny geriet seit gestern Nachmittag beinahe stündlich mehr aus der Fassung vor Sorge. Sein Schlaf war aus denselben Gründen nicht erholsam gewesen und deswegen wusste er auch zu genau, dass Penny in der letzten Nacht gar nicht geschlafen hatte. Er war nicht weniger besorgt, aber dennoch musste einer die Ruhe behalten und die Vergangenheit hatte es zu oft gezeigt, dass sie Mairi mehr vertrauen mussten, weil sie es konnten."Wo ist sie nur, Sam?", fragte Penny dann beinahe kläglich und Sam konnte dem Drang nicht widerstehen und zog sie in seine Arme, um sie zu trösten. Er ertrug es einfach nicht, sie leiden zu sehen, selbst wenn es wahrscheinlich unbegründete Sorgen waren.

Penny hielt immer noch Arnolds Sicherungsleine, während Sam Nialls an Hydrus festgebunden hatte. Durch Sams Geste, wurde nicht nur Penny um einen halben Meter in dessen Arme gezogen, sondern auch Arnold schwang oben am Übungsturm einen Meter weiter rüber zu Niall - und statt die Stelle an der Wand zu streichen, wie Arnold es gerade vorgehabt hatte, zog er den Pinsel seinem jüngeren Kollegen nun einmal quer durchs Gesicht.

"Sie ist sicher okay, Liebling. Sie hat sich öfter schon mehrere Tage nicht gemeldet", sprach Sam indessen Penny ruhig zu, nicht darauf achtend, was ihre beiden Kollegen dort oben schon wieder zu motzen hatten, da er davon ausging, dass sie sich schon wieder gegenseitig am necken waren.

"Aber da war sie nicht auf so einem gefährlichen Undercover-Einsatz", merkte Penny an und nahm genauso wenig wahr, was da oben los war. Nur den leichten Zug auf dem Seil merkte sie in ihrer Hand und dachte, Arnold wollte etwas runtergelassen werden. Daher gab sie dem vollkommen unvorbereiteten Arnold mehr Seil, indem sie das Seil einfach nach Gespür 30 cm durch ihre Hand gleiten ließ, ehe sie es wieder festhielt und damit Arnold dort oben ins Schaukeln brachte, der leise vor Schreck quietschte, was Niall zum Lachen brachte.

"Sie arbeitet bei der Polizei. Da ist jeder Tag gefährlich. Hierbei weiß sie wenigstens, was sie jeden Tag erwartet", sprach er die Worte laut aus, mit denen er sich selbst ständig zu beruhigen versuchte, bevor er beschloss, dass es wohl besser sein würde, bei den beiden da oben nach dem Rechten zu sehen. Wenn Arnold Niall weiterhin so zum Lachen bringen würde, würden sie heute sicher nicht mehr fertig werden."Kriegt euch mal wieder ein da oben! Ich komme jetzt rauf", rief Sam nach oben, der sich die dritte Leine schnappte und sich sicherte, ohne zu den beiden aufzusehen.

Ties that bind us - GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt