Kapitel 6: Du bist ein Idiot.

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Zwanzig Minuten bin ich gelaufen. Zwanzig Minuten waren nicht genug, um meine Wut rauszulassen. Ich war noch so wütend auf Kenan. Ich verstehe ja, dass ich eine falsche Stelle getroffen habe. Dennoch ist das kein Grund, auf ober Agro zu gehen.
Ich stehe an der Tür und atme noch ein letztes mal tief ein und aus bevor ich die Schlüssel in das Schlüsselloch stecke und die Türe öffne.

Er ist schon da, abgesehen von seiner Jacke und den Schuhen, die im Flur stehen, habe ich sein Auto vor der Haustür stehen sehen. Ich lege meine Hausschlüssel auf die Kommode im Flur und hänge meine Jacke ebenfalls neben seiner. Meine hohen Schuhe zog ich aus und nahm sie in meine Hand. Es war so ein erleichterndes Gefühl wieder auf flachen Füßen zu stehen, nach so einem langen Tag.

Ich lief Richtung Küche und Wohnzimmer, da die Treppe zu meinem Zimmer sich daneben befand. Er sitzt in der Küche. Er hat gekocht. Pasta. Das waren meine Pastanudeln. Die, die ich gestern geholt habe.
„Du hast gesagt, es wird geteilt.", sagte er. So ein arroganter Idiot.
Ich verdrehe die Augen und laufe auf die Arbeitsplatte zu, um zu schauen, ob er auch was für mich übrig gelassen hat.
„Nope, nur für mich.", sagt er. UGHHHHH
Ich wünschte ich könnte ihn erwürgen. Der Tag war so Scheiße, das letzte was ich möchte, ist eine Diskussion mit diesem Idioten zu beginnen.

Ich hasse es zu schweigen. Die Menschen denken somit immer, sie hätten gewonnen. Dennoch ist es momentan besser zu schweigen.
Ich hebe meine Schuhe wieder auf, da ich sie vorhin auf den Boden gestellt hatte, und laufe die Treppen hoch. Sobald ich in meinem Zimmer stehe, schmeiße ich meine Tasche, meinen Blazer und meine Schuhe auf den Boden, und somit mich selber auf mein Bett. Kennt ihr dieses Gefühl in den Beinen, wenn ihr den ganzen Tag so viel gelaufen seid, und euch Abends in euer Bett legt und eure Beine so komisch kribbeln? Genau dieses Gefühl habe ich gerade.

Nach kurzem Ausruhen gehe ich schließlich in's Bad und schminke mich ab. Ich flechte mir die Haare und ziehe mir etwas gemütlichere Klamotten an. Abends wird das Wetter hier wieder etwas kälter, deshalb entscheide ich mich einfach für einer meiner Jogginghosen, einem Unterhemd und den passenden Sweater zu der Hose.
Es dauert nicht lange und ich bekomme einen knurrenden Bauch. Ugh.
Ich schaue auf die Uhr.
19:24 Uhr.
Ich denke Kenan ist wieder in seinem Zimmer, schließlich sind 1 1/2 Stunden vergangen. Ich hole mein Handy aus mein Zimmer und laufe runter in die Küche. Kenan sitzt noch im Wohnzimmer. Er versucht es nicht so auffällig zu machen, dennoch kann ich seinen Blick von der Seite sehen.

Ich habe erstmal nicht verstanden, wieso er geschaut hat, bis ich mich zum Esstisch gedreht habe. Ein Teller mit Pasta. Pasta mit Pesto und Basilikum. Er hat gekocht. Für mich.
Ich hasse seine Stimmungsschwankungen.
Ich setze mich an den Tisch und nun sitzt er gegenüber mir. Nur etwas weiter entfernt. Er sitzt auf dem Sofa. Er täuscht vor, fokussiert auf sein Handy zu sein, trotzdem sehe ich, wie er mich heimlich beobachtet, bis ich den ersten Biss mache.
„Du bist ein Idiot.", flüster ich vor mich hin, mit der Hoffnung er hat mich gehört. Er reagiert nicht.
Ich esse die Pasta fertig und stelle meinen Teller in die Spüle, während ich das tue, läuft Kenan in die Küche, holt eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und verlässt das Haus.
Wo ist er jetzt hin?

Es vergehen zwei Stunden und er kam noch immer nicht Nachhause.
Ich bin in meinem Zimmer und hole mein Laptop raus, um mich ein bisschen zu informieren. Sobald ich seinen Vor- und Nachnamen in Safari eintippe, wird mir als erstes „Kenan Yildiz Hate" vorgeschlagen. Hate? Er bekommt Hate? Ich klicke auf die ersten Internetseiten und informiere mich über das Geschehen während der EM.

Jetzt verstehe ich, weshalb er so überreagiert hat. So wie ich mich kenne, hätte ich es wahrscheinlich auch getan...
Da fällt mir etwas ein.
Ich öffne meinen Kleiderschrank und hole meine Erinnerungskiste raus. Da ist es. Mein Igel.

-Rückblick-
„Und wofür stehen die Stacheln?", frage ich Baba, als er mir den kleinen Kuscheligel gekauft hat, nachdem ich wieder mit Anne gestritten habe.
„Schau Alara, jede einzelne Stachel steht für eine schlechte Erinnerung.", erklärt mir Baba.
„Erinnerungen tun weh, oder?", fragt mich Baba. Ich nicke.
„Und wenn dem Igel etwas wehtut, wächst eine Stachel. Die Stacheln sind dafür da, dass sie ihn schützen. Und so geht es Anne. Anne hat ganz viele Stacheln und wenn sie mal böse ist, und dich verletzt, dann nur um sich selbst zu schützen. Das macht sie nicht mit Absicht. So wie der Igel dich nicht mit Absicht verletzt, wenn du sie berührst. Wenn Anne sauer auf dich ist, erinner dich an ihre Stacheln okay? Und wenn du wieder bereit bist, reden wir gemeinsam mit ihr."

-Gegenwart-
Ich hole den Igel aus der Kiste und schreibe einen Zettel.
„Jede spitze Stachel hat eine Geschichte. Tut mir leid, dass ich so unvorsichtig war, und an deiner Stachel gezogen habe."
Ich stelle sowohl den Igel, als auch den Zettel auf sein Bett und gehe in das Bad.

Ich war jetzt bettfertig und musste mir nurnoch die Zähne putzen.
Die Haustür öffnet sich unten. Das muss Kenan sein. Er läuft ins Bad.
Schweiß läuft über sein Gesicht, einzelne Tröpfchen fallen aus seinem Haar. Sein Pullover ist verschwitzt. Ist er gerannt?
„Ich muss duschen.", sagt er aus der Puste.
Ich nicke nur. Sobald er das Bad verlässt laufe ich an die Tür, um zu sehen, ob er in sein Zimmer läuft. Er lässt die Tür offen. Es herrscht Stille. Er hat die Überraschung gesehen.
Es dauert nicht lang, bis er an seiner Tür steht und zu mir rüberschaut. Es herrscht ein kurzer Blickkontakt, er schaut beruhigt aus. Er schließt wieder die Tür hinter sich.
Heißt das, es ist alles wieder gut?
Ich hasse es, dass er so ein Rätsel ist.

Hey Leute, wie sieht's aus? Gefällt euch die Geschichte? Irgendwelche Verbesserungsvorschläge?

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