Navinas Sicht
Mit schnellen Schritten lief ich in Richtung von Thors Gemächern und klopfte dreimal an seine Holztür. Er freute sich, mich zu sehen, doch als er Lokis Präsenz hinter mir vernahm, verfinsterte sich sein Blick.
»Guten Morgen. Wir wollten frühstücken gehen, begleitest du uns?«, fragte ich lächelnd.
Thors Augen fanden zurück zu mir. »Natürlich«, antwortete er.
Im gleichen Tempo liefen wir drei nebeneinanderher. Ich in der Mitte, Loki zu meiner linken und Thor zu meiner rechten. Unter anderen Umständen würde ich mich im Moment wie der sicherste Mensch auf Erden fühlen, aber irgendwie verspürte ich im tiefsten inneren nur Scham.
Eine unausstehliche Stille legte sich über uns, während wir die Gänge zum Speisesaal entlangliefen. Noch nie war mir etwas so unangenehm...
Loki jedoch unterbrach diese Stille, die er sichtlich zu genießen schien. »Wie hast du geschlafen, Liebes?«, fragte er an mich gerichtet.
Ich wusste auf was er anspielen wollte. Meine Gedanken kreisten umgehend darum, dass er mir zwei Stunden lang beim Schlafen zugesehen haben muss. Er wusste also ganz genau, wie meine Nacht war.
»Ganz okay, die Matratze war ein wenig hart«, antwortete ich sarkastisch, in der Hoffnung, er würde den Sarkasmus erkennen. »Und ich habe mich irgendwie ein wenig beobachtet gefühlt. Vielleicht sollte ich doch lieber in ein anderes Gästezimmer umziehen.«
»Ach, nicht doch. Du wirst dich noch an das Zimmer gewöhnen, glaube mir«, erwiderte er grinsend.
Thor neben uns belauschte gespannt unser Gespräch, gab jedoch keinen Kommentar ab.
»Wieso heute das Stillschweigen, Bruder?«, fragte Loki an Thor gerichtet.
Thor sah weiterhin geradeaus. Würdigte seinem Bruder keines Blickes. »Ich kann nur den Anblick nicht ertragen, dass du wieder in den Gängen des Palastes herumlungerst.«
»Es war deine und Vaters Entscheidung, dem zuzustimmen. Ich bin derjenige, der am wenigsten Schuld daran trägt«, erwiderte Loki schmunzelnd.
Während die beiden sich unterhielten...oder eher gesagt anzickten, wanderte mein Blick über die Gemälde an den Wänden der Gänge. Gemälde der Familie, Vorfahren oder anderen Göttern zierten die Wände. Prächtig und wunderschön bewachten sie die Hallen des Palastes.
Nach einigen Metern wurde uns die Tür zum Speisesaal geöffnet. Mein Kiefer fiel vor lauter Staunen nach unten. Noch nie hatte ich einen derart großen Frühstückstisch gesehen, welcher gedeckt war mit allerlei Speisen.
»Mund zu, Liebes«, sagte Loki und legte seine Finger an mein Kinn, um mir den Mund zu schließen. »Deine Zunge trocknet sonst aus.«
Ich runzelte die Stirn und schlug seine Hand weg. Mein Blick glitt erneut zum Tisch, an welchem bereits Odin und Frigga Platz genommen haben.
Bei allen Göttern... Noch nie war ich so aufgeregt, jemandem zu begegnen. Mit zittrigen Beinen näherte ich mich dem Königspaar und verbeugte mich.
»Guten Morgen, mein Name ist Navina. Ich denke Thor hat bereits von mir erzählt«, sagte ich und verbeugte mich.
Thor und Loki setzten sich einfach an den Tisch in die Nähe ihrer Eltern.
»Du musst diejenige sein, die Lokis Hilfe benötigt«, erwiderte Odin.
Mein Blick ging nach oben. »Ja, die bin ich. Nochmals vielen Dank, dass Sie dem zugestimmt haben«, sagte ich lächelnd.
»Mein Kind, setz dich doch erstmal«, warf nun Frigga ein und deutete auf den Stuhl neben ihr.
Etwas entspannter ging ich ihrer Bitte nach und setzte mich direkt neben die Königin. Loki saß vor mir und Thor links neben ihm.
»Sie haben wirklich eine reiche Auswahl an Essen, muss ich zugeben«, sagte ich während mein Blick über den Tisch wanderte. »Wer soll das alles essen?«
Thor erwiderte: »Ich habe da so einen Freund. Er könnte den ganzen Tisch allein essen, wenn er das dürfte«, grinste er und griff nach einem Brötchen.
Ich tat es ihm gleich und nahm mir ebenfalls ein Brötchen. Der Wurstteller vor mir lachte mich förmlich an, weswegen ich mir drei Scheiben nahm.
»Wie lange wird es dauern, bis du deine Kräfte kontrollieren kannst?«, fragte Odin.
Vollkommen abgelenkt von meinem Brötchen, welches ich am Schmieren war, vernahm ich Odins Worte nicht und überhörte ihn. Loki stieß mir gegen das Bein, erst dann sah ich auf und dachte über die gesprochenen Worte nach.
»Ich, ähm...weiß nicht. Ich...kann es nicht sagen. Wochen, Monate, vielleicht auch Jahre?«
»Und du hast wirklich keinen anderen Weg gefunden, als Loki nun damit einen Gefallen zu tun?«, erwiderte der Allvater.
»Entschuldigen Sie... In keinster Weise soll dies ein Gefallen sein. Ich denke nicht, dass Loki großes Interesse daran hat, mir überhaupt zu helfen. Wenn es diese Befreiung aus der Zelle nicht gäbe, würde er nicht das kleinstes Haar krümmen, um mir behilflich zu sein.«
Es war mir egal, ob Loki es mithörte. Es war die Wahrheit und wenn er die Wahrheit nicht verkraften konnte, dann wäre dies nicht mein Problem. Loki ist keiner der Guten...leider.
Vielleicht ist es mir jedoch möglich, irgendwann das Gute in ihm zu sehen. Sicherlich gab es schon einige Personen vor mir, die das Gute in ihm zum Vorschein brachten. Und vielleicht werde ich eine dieser Personen sein...
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Am I the Monster? - Loki FF
FanfictionWie es ist, wenn die ganze Welt gegen dich ist? Ein Gefühl, dass ich nur zu gut kenne. Und dazu kommt noch, dass ich ein sehr großes Problem habe: Ich kann meine Kräfte nicht kontrollieren. Nur einer ist im Stande, ihr dabei zu helfen. Und dieser je...