[1] Kapitel 15: Die traurigsten Worte...

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Navinas Sicht

Ein Geräusch, welches ich schon gestern gehört hatte, als ich auf der Bank in den Palastgärten saß, erweckte mich aus dem tiefen Schlaf. Es waren helle Glockengeräusche, welche die Mittagszeit ankündigten. Bedeutete dies etwa, dass ich 24 Stunden lang geschlafen habe? Wie kann das sein?
     Langsam öffnete ich meine Augen und nahm die Umgebung in mich auf. Ich lag in meinem Bett, niemand war mit mir im Raum. Ich war allein.
     Mein Kopf dröhnte unermesslich und ruckartig legte ich meine Hand an meine Schläfen. Diese massierte ich, in der Hoffnung, dass der Schmerz etwas nachlassen würde. Ich kniff meine Augen zusammen und wischte mir den Schlaf aus dem Gesicht.
     Ich musste zugeben, dass ich mich noch nie zuvor in meinem Leben so erholt gefühlt hatte, wie in diesem Moment. Meine Arme streckten sich in die Höhe, wobei ein lautes Gähnen meinen Mund verließ.
     Leise betrat Loki den Raum mit einem Tablett in den Händen.
     Mein Blick fiel auf ihn. »Woher wusstest du, dass ich wach bin?«
     Bisher hatte er noch kein Auge auf mich geworfen und war soeben dabei, das Tablett auf dem Tisch abzustellen, als er sich erschrak aufgrund meiner plötzlichen Worte. »Bei allen Göttern«, fuhr er herum. »Wenn du mich noch einmal so erschreckt kannst du dein blaues Wunder erleben.«
     »Ah, wie charmant. Auch schön dich zu sehen«, erwiderte ich grinsend.
     »Ich hatte keine Ahnung, dass du wach bist. Ich habe nur...«, er runzelte die Stirn und dachte über seine nächsten Worte nach. »Ach egal...« Loki drehte sich rum und brachte mir das Tablett. »Iss etwas.«
     Irgendetwas in ihm scheint miteinander zu kämpfen. War es Vernunft, Ängste oder etwas ganz anderes? Ich werde es wohl herausfinden müssen.
     Ich nahm das Tablett entgegen und er setzte sich an die Kante meines Bettes. Ich warf einen Blick auf das Essen. Ein Teller mit Suppe und Brot hatte er mir mitgebracht.
     »Mutter hat sie für dich gemacht. Damit solltest du dich schnell besser fühlen«, sagte er, ohne mich anzusehen.
     Meine Hand griff nach dem Brot, welches ich anschließend in die Suppe tunkte und einen Bissen nahm. Sie war erstaunlich lecker. Leckerer, als ich im ersten Moment annahm.
     Während ich die Suppe schlürfte, wanderte sein Blick ab und zu auf mich. Mit vollem Mund fragte ich, wo Thor sei.
     »Königliche Dringlichkeiten erfüllen, so wie es sich für den vermeintlichen Thronfolger gehört«, beantwortete er meine Frage kühl.
     »Du weißt doch gar nicht, ob er der Thronfolger wird. Was ist mit dir?«, fragte ich neugierig, während ich weiterhin die Suppe löffelte.
     Seine Augenbrauen hoben sich und ein lautes Lachen verließ seine Kehle. »Ich und Thronfolger dieses Landes? Liebes, realistischer wäre, dass ich König eines anderen Planeten werde.«
     Sein Pessimismus verriet seine innere Verletzlichkeit. Ich verstand nicht, wie er sich bei dieser Sache so sicher sein konnte. Ja, er hatte viele schlimme und unverzeihliche Dinge getan, trotz dessen steht ihm ein Recht auf den Thron zu, genauso wie Thor.
     »Loki, das ist alles nur nicht lustig«, erwiderte ich auf sein lautes Lachen.
     Er erhob sich vom Bett und verschränkte seine Arme. »Wer sagt, dass ich gelacht habe, weil es lustig ist?«
     Ich senkte meinen Blick auf die Suppe, welche ich beinahe aufgegessen hatte. Merklich spürte ich, dass es mir mittlerweile viel besser ging als noch zuvor.
     »Weswegen hast du dann gelacht?«, fragte ich und stellte das Tablett zur Seite.
     Sein Blick traf auf meinen. Ich sah die Traurigkeit in seinen Augen, doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Die Trauer schien schon so fest in ihm verankert zu sein, so dass diese immer für einen kurzen Augenblick an die Oberfläche kroch.
     »Weswegen ich... Darauf habe ich keine Antwort, nicht für dich, tut mir leid«, erwiderte er und lief zum Fenster. Seine Augen fixierten einen Punkt.
     Ich weiß ganz genau wie er sich fühlte. So minderwertig, so klein und lästig. Man fühlte sich wie eine Last auf zwei Beinen. Eine Last für jeden auf dessen Schultern. Reden ist Medizin, doch das brauchte ich noch nicht versuchen ihm einzutrichtern, dafür kannten wir uns noch nicht genug. Obwohl ich glaubte, dass man auch mit Menschen, die man noch nicht lange kennt, tiefgründige Gespräche führen kann.
     Jedoch schien er eine Person zu sein, die sich nicht jedem öffnete. Erst recht nicht jemandem, den er seit zwei Tagen kennt. Deswegen ging ich nicht weiter auf seine Aussage ein.
     »Was machen wir heute?«, versuchte ich das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
     »Was wir heute machen?« Er drehte sich um. »Du kannst dich heute ausruhen, Liebes. Erkunde den Palast, lies ein Buch oder nimm ein warmes Bad. Das entspannt die Muskeln.«
     »Und du?«
     »Ich? Wieso interessiert dich das?«
     »Wieso sollte es mich nicht interessieren?«
     »Weil sich sonst niemand dafür interessiert.«
     Ich zog scharf die Luft ein, die uns umgab. Das waren wohl die traurigsten Worte, die mir je zu Ohren kamen.

Am I the Monster? - Loki FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt