[1] Kapitel 16: Gott des Anschleichens

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Navinas Sicht

Die Worte von Loki hallten in meinen Gedanken wider. Weil sich sonst niemand dafür interessiert...
     »Jetzt schau mich nicht so an, wie ein erfasstes Reh bei der Jagd«, sagte Loki belustigt. »Dies sollte auf keinen Fall dein Mitleid erregen, Liebes. Mir geht es blendend.«
     Ich sah ihm mit einem Ausdruck von Unglaube entgegen. Das kann er unmöglich ernst meinen. Ihm geht's überhaupt nicht gut...aber wenn er nicht darüber reden will, muss ich dies wohl akzeptieren. Ich kann ihn schlecht dazu zwingen.
     »Nun gut... Dann werde ich heute ein warmes Bad nehmen und dann in die Bibliothek flüchten. Wenn du Lust hast, kannst du mich gerne in die Bibliothek begleiten«, sagte ich lächelnd. Keine Ahnung, was meine Intention dahinter war, aber irgendwas in mir drängte mich dazu, ihm helfen zu wollen.
     »Ich habe beinahe jedes Buch dieser Bibliothek gelesen, Liebes. Ich denke nicht, dass ich dort noch ein Buch zum Lesen finden werde.«
     »Ist dir eigentlich klar, dass du mein Mitleid dir gegenüber mit jedem deiner Worte, die du sagst, verstärkst? Mein Gott, wie viel Zeit hattest du bitte, dass du jedes Buch gelesen hast?«
     Loki lief zum Schreibtisch und setzte sich lässig gegen die Kante. In seinem Blick lag nichts als Gleichgültigkeit. »Es mag traurig klingen, da gebe ich dir recht, aber ich wollte es so. Nichts hat mich mehr erfüllt, als in die Geschichten der Bücher einzutauchen und mir neues Wissen anzueignen. Dies war mir lieber als jegliche Art von Gesellschaft.«
     Ich nickte und verließ das Bett. Meine Beine trugen mich zum Kleiderschrank, wobei ich mir ein luftiges Kleid herausnahm. »Würdest du bitte?«, sagte ich und deutete an, dass er sich rumdrehen solle.
     Er hob belustigt eine Augenbraue. »Hier sind wir also wieder. Es gibt nichts, was ich nicht schon gesehen habe, Liebes. Ich erinnere dich an gestern«, sagte er und schmunzelte verspielt.
    Da war er wieder. Der arrogante selbstverliebte Gott des Schabernacks.
     Augenrollend schlüpfte ich aus meiner Hose und meinem T-Shirt, welches ich noch vom Training anhatte. »Hat mich nicht mal einer der Dienstmädchen umgezogen. Ist ja widerlich...«
     »Dieser Bitte kann ich beim nächsten Mal sehr gern nachgehen, das ist gar kein Problem«, erwiderte er schelmisch.
     Mit dem Rücken zu ihm gekehrt schmunzelte ich vor mich hin und zog das Kleid über meinen nackten Körper. Ich konnte seine warmen Finger förmlich auf meiner Haut spüren, als ich mich schlussendlich umdrehte und seinem Blick begegnete.
     »Ich werde jetzt deinem Rat nachgehen und ein Bad nehmen«, sagte ich und lief in mein Bad. Als er mir hinterhertrottete, drehte ich mich um. »Alleine«, fügte ich grinsend hinzu und schloss die Badezimmertür.
     »Kommst du denn auch an deinen Rücken, wenn du dich einschäumst?«, fragte er auf der anderen Seite der Tür.
     »Verschwinde, Loki«, antwortete ich, wobei ein Grinsen meine Lippen umspielte. Anschließend ließ ich warmes Wasser in die Wanne einlaufen. Ich streifte das Kleid von meinem Körper und stieg in das Wasser.
     Bisher war das Einzige, was meinen kühlen Körper erwärmen konnte, das warme Wasser beim Duschen oder Baden. Was ich bereits festgestellt hatte, war, dass Lokis Berührungen mit meiner Haut eine wohlige Wärme in mir auslöste. Das hatte ich bisher bei noch keinem... Vermutlich ergab Minus mal Minus wirklich Plus. Schließlich war auch er ein Frostriese. Für ihn musste diese Erfahrung ebenfalls neu sein.
     Während ich im Bad war, hörte ich, wie Loki mein Zimmer verließ. Irgendwas in mir fühlte sich plötzlich so leer an. All meine Gedanken kreisten um ihn, obwohl ich eher an meine Magie denken sollte und die Tatsache, dass ich aufgrund meiner Magieverwendung in Ohnmacht gefallen war.
     Diesen Fakt durfte ich unter keinen Umständen aus den Augen verlieren, allerdings war das einzige, woran ich gerade dachte: Loki. Wie es wäre seine Hände auf meiner Haut zu spüren. Wie es wäre, wenn seine Lippen auf meine gepresst wären. Diese Gedanken erfassten mich wie kleine Stromschläge, die durch meinen Körper rasten.
     Mit jedem weiteren Gedanken, wurde meine Imagination und der Wille, ihn in jeglicher Hinsicht spüren zu wollen, stärker.
      Nach einiger Zeit beendete ich mein Bad und schlüpfte zurück in das luftige Kleid. Ich machte mich auf, mein Zimmer zu verlassen, und ging in die Bibliothek. Die Gedanken an ihn verflüchtigten sich, als ich das Ausmaß an Büchern sah, die sich vor mir auftürmten. Und das soll er alles gelesen haben?
     Erstaunt öffnete ich meinen Mund und fuhr mit meinen Fingern die Buchrücken entlang. Der Duft von alten Büchern stieg mir in die Nase, als ich eines aus dem Bücherregal nahm und aufschlug. Ich pustete den Staub davon und las den Titel.
     <Mythen der Helden Asgards>
     »Mein Name wird wohl niemals in so einem Buch stehen«, ertönte Lokis Stimme hinter mir.
     Erschrocken fuhr ich herum. »Mein Gott, du bist wahrlich der Gott des Anschleichens.« Mein Blick fiel zurück auf das Buch. Erneut schlug ich es auf und las die ersten Zeilen.
     »Du hast recht. Das Anschleichen ist einer meiner Spezialitäten.«
     Ich setzte mich unbewusst auf einen der Sessel, die in der Bibliothek standen. Völlig gebannt von den Worten, vergaß ich seine Anwesenheit.

Am I the Monster? - Loki FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt