[1] Kapitel 22: Vaterliebe?

5 2 0
                                    

Navinas Sicht

Im Schloss drehte sich ein Schlüssel. Einmal. Zweimal. Die Tür öffnete sich und mein Vater betrat den Raum. Mir stockte der Atem. Mit ihm habe ich am allerwenigsten gerechnet.
     Wie angewurzelt stand er da und beobachtete mich von Kopf bis Fuß. »Navina...«, war das Einzige, was aus seinem Mund kam.
     Ich nickte langsam in dem Glauben, er wolle mich verarschen. »Das ist alles? Mehr kannst du nicht sagen, Vater
     »Ich... Ich wusste nichts... Es tut mir leid«, stotterte er, wobei er sehr erbärmlich aussah.
     »Wo zur Hölle warst du all die Jahre? Wieso bist du verdammt nochmal gegangen?«, fragte ich. Meine Stimme wurde lauter. Ich erhob mich vom Bett und trat ihm einen Schritt entgegen.
     »Ich musste fliehen... Sie waren hinter mir her.«
     »Wer?«
     »Unseresgleichen. Sie wollten mich holen kommen, da ich nichts auf eurem Planeten zu suchen hatte. Ich wollte euch nur schützen...«
     »Schwachsinn... Den einzigen, den du schützen wolltest, war dich selbst.« Ungläubig starrte ich ihm entgegen. Das kann doch alles nicht wahr sein.
     »Es tut mir leid, ehrlich. Ich wollte nicht, dass es so weit kommt.«
     »Und wieso bist du nun hier? Was hat das alles zu bedeuten?«
     Er kam mir näher und setzte sich auf den Rand des Bettes. »Das war reiner Zufall... Ich flüchtete nach Vanaheim und wusste nicht wohin mit mir. Alastair war so nett, mich bei ihm unterkommen zu lassen.«
     »Ja, wie nett«, entgegnete ich ironisch. Nichts an ihm war in irgendeiner Weise nett. Alles an ihm war boshaft. Da war Loki ja im Gegensatz zu ihm ein Schmusekätzchen. »Und was jetzt? Wirst du das alles einfach zulassen?«
     Er schüttelte mit dem Kopf. »Nein, das kann ich nicht. Ich will keine weiteren Fehler begehen.« Seine Füße bewegten sich auf mich zu. Er streckte seine Hand aus und ließ den Schlüssel in meine Hände fallen. »Flieh so schnell du nur kannst. Am besten in die Wälder, dort bist du am sichersten.«
     »Wie soll ich das anstellen?«
     Seine Hände legten sich auf meine Schultern, ehe er weitersprach. »Die Nacht, wenn alle schlafen, kannst du dich aus diesem Zimmer schleichen und aus einem der unteren Fenster springen. Ich werde dir jedoch nicht helfen können. Also gib auf dich acht, mein Kind.«
     Mein Herz erwärmte sich. So fühlte sich also Vaterliebe an? Seit Jahren habe ich nichts dergleichen gefühlt. Tagtäglich bohrte sich ein Loch immer tiefer in meine Brust, was nicht mehr gefüllt werden konnte. Doch jetzt schien es sich langsam zu füllen...
     »Danke«, murmelte ich.
     Er zog mich in eine feste Umarmung. Eine unbändige Wärme durchfuhr meinen Körper. Ich legte meine Arme um ihn und spürte seinen Herzschlag an meiner Brust.
     »Tut mir leid, dass ich nicht zurückgekehrt bin...«, flüsterte er an meinem Ohr.
     Ich antwortete nichts auf diese Entschuldigung, denn so leicht kann ich ihm das alles nicht verzeihen.
     Er ließ von mir ab und verschwand anschließend hinter der zufallenden Tür. Ich schloss zu, aus Sicherheit, dass falls Alastair doch nochmal kommen sollte, er keinen Verdacht schöpft.





Stunden vergingen ohne jegliche Regung in den Hallen vor dem Zimmer. Die Sonne war bereits untergangen. Laut meiner Zeitrechnung müsste es jetzt so um die zwei Uhr nachts sein. Ich rief mir den Rat meines Vaters in Erinnerung: Ich solle in dieser Nacht fliehen.
     Denn morgen könnte schon alles zu spät sein.
     Leise drehte ich den Schlüssel, den mein Vater mir gegeben hat, im Schloss der Tür. Mein Herz schlug so schnell, wie an dem Abend, als ich in den Kerker zu Loki marschiert bin. Doch diesmal hängt vermutlich mein Leben davon ab, ob ich es hier rausschaffe oder erwischt werde.
     Leise stapfte ich nach draußen. Erkundete meine Umgebung. Niemand war hier. Das ist meine Chance. Schnell, aber bedacht lief ich die Flügeltreppe nach unten und suchte nach einem Ausweg.
     Ich tastete jedes Fenster ab in der Hoffnung, dies könnte meine Flucht bedeuten. Angekommen im Speisesaal drehte ich mich umher. So langsam stieg Panik in mir auf. Jedes der Fenster war abgeriegelt... Verdammt.
     Das letzte Fenster, bei welchem ich ankam, leitete mir jedoch den Weg nach draußen. Odin sei Dank, dies war das einzige Fenster, welches sich öffnen ließ.
     Leise öffnete ich es und stieg hinaus in die Freiheit, doch da waren Stimmen. Laute Stimmen die immer näher kamen. Es waren Wachen, welche die Vordertür bewachten. Sie mussten meine Flucht bemerkt haben.
     »Stehen bleiben!«, riefen sie und rannten auf mich zu.
     Ich nahm meine Beine in die Hand und rannte so schnell, wie ich noch nie zuvor gerannt bin. Teilweise war mir nicht einmal bewusst, dass ich so schnell rennen konnte.
     Wie mein Vater es mir geraten hat, lief ich zielsicher in den Wald. Die Wachen verfolgten mich ein paar Meter, verloren mich dann jedoch aus den Augen und traten den Rückzug an.
     In dem Glauben, noch immer verfolgt zu werden, rannte ich mit unsichtbaren Scheuklappen, bis die Sonne am Aufgehen war. Erst als die ersten warmen Strahlen mein Gesicht berührten, wachte ich aus meiner Angst auf. Erschöpft ließ ich mich an einem Baum hinuntergleiten, wobei meine Augen sofort zu fielen.
     Noch nie war ich so außer Kräften. Es war zwar gefährlich, jetzt hier zu schlafen...aber ich musste. Ich brauchte eine Pause von den nächtlichen Strapazen und der ständigen Angst, jederzeit getötet zu werden.

Am I the Monster? - Loki FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt