*Update* Zwischenkapitel 1

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Als ich einen Schritt in den Speisesaal machte, wurde mir wieder bewusst, dass Yannick in eine reiche Familie einheiraten würde.

Allein die Bilder an den Wänden hätten die kompletten Gebühren meines Studiums und eine Weltreise abgedeckt. Bestimmt wäre noch ein halbes Jahr leben an der Côte d'Azur drin. Dauershopping inklusive!

Allerdings war von der Dekoration für die Hochzeit noch nicht viel zu sehen. Und das obwohl Rosalie den weltbesten Weddingplaner überhaupt organisiert hatte. Fiona hatte bei der Suche nach den richtigen Blumen nur so von ihm geschwärmt und das er ihre Wünsche alle umsetzen wollte.

Was mir bei der Aufzählung der Ideen etwas sauer aufstieß war die Tatsache, dass nur ihre Ideen anklang fanden. Der Name meines Bruders fiel nicht wirklich oft.  Meiner Meinung nach, sollte der Bräutigam zumindest ein kleines Stimmrecht haben. Es war schließlich auch sein Tag.

Aber so war Fiona. Nett, aber auch sehr eigensinnig.

Bisher stand lediglich eine lange Tafel in T-Form, an deren Ende das Brautpaar in Spee und Rosalie Platz genommen hatten.

Gerade als ich zu meinem Bruder gehen wollte, stellte sich mir Frederick in den Weg.

„Darf ich dich zu deinem Platz begleiten?", wollte er wissen und hielt mir dabei galant seinen Arm hin.

Ich zögerte kurz, bevor ich mich bei ihm einhakte, denn es war ein seltsames Gefühl, sich vom Vater der zukünftigen Schwägerin zu seinem Platz begleiten zu lassen.

Doch kaum hatte ich ihn berührt, kam die Wärme zurück, die ich bereits im Wald gespürt hatte. Allerdings ignorierte ich sie, denn ich wollte Frederick nicht beleidigen, indem ich vor ihm zurück schreckte.

„Gefällt dir dein Zimmer?", wollte er schließlich von mir wissen, als wir losgingen.

„Ja, sehr sogar. Vielen Dank."

„Du brauchst dich nicht zu bedanken. Es freut mich, dass wir uns endlich einmal kennen lernen können. Es hat ja in der Zeit, in der sich Fiona und Yannick nun schon kennen, nicht recht klappen wollen."

„Da haben Sie... du recht", korrigierte ich mich schnell, was ihn zum Schmunzeln brachte. „Yannick hat erwähnt, dass du und Rosalie sehr beschäftigt seid."

„Von alleine verdient sich das Geld leider nicht. Dein Bruder hat mir erzählt, dass du Literaturwissenschaft studieren möchtest?"

„Das stimmt."

„Warum nicht Jura wie dein Vater? Oder Medizin wie deine Mutter?", wollte Frederick wissen und ich zögerte mit der Antwort. Ich sah zu meinem Bruder, der Fiona gerade etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin sie anfing zu lächeln und ihm eine Strähne aus dem Gesicht strich.

„Es reicht, wenn einer von uns in die Fußstapfen unserer Eltern tritt. Außerdem könnte ich niemals so gut werden, wie es mein Vater war."

„Da könntest du Recht haben. Aber vielleicht steckt mehr von ihm in dir, als du zu diesem Zeitpunkt ahnen magst. Wer weiß?"

Ich sah Frederick ins Gesicht, da ich seine Worte nicht ganz nachvollziehen konnte. Ich wollte gerade von ihm wissen, wie er das meinte, als mir bewusst wurde, dass wir an unseren Plätzen angelangt waren. Fionas Vater lächelte mich kurz an, bevor er mir den Stuhl neben Yannick anbot und ich mich darauf setzte. Bevor er allerdings zu seiner Frau ging, flüsterte er mir noch etwas ins Ohr und legte eine Hand auf meinen rechten Oberarm.

„Nim, du hast sehr viel von deinem Vater!"

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, lief mir ein Schauer über den Rücken und meine Finger begannen zu kribbeln.

Mein Blick war auf die kunstvoll gefaltete Serviette in Form eines Schwanes gerichtet, als mir eine Frage durch den Kopf schoss: Waren sich Frederick Reisner und Tobias Bergstein schon einmal begegnet?

Den ganzen Abend beteiligte ich mich nur vage an den Tischgesprächen. Denn in meinem Kopf schwirrten viel zu viele Gedanken umher. Zuerst die Sache mit dem Wolf und jetzt diese seltsame Andeutung von Frederick.

Selbst als ich gegen Mitternacht in meinem Bett lag, war an Schlaf noch lange nicht zu denken.

Nachtwandler I - HexentanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt