*Update* Kapitel 15

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Als ich am Friedhof angekommen war, schaltete ich den Motor meines Wagens aus und blieb noch einen Moment sitzen.

Dabei blieb mein Blick an einem alten Mann hängen, der mit einem Strauß roter Rosen durch das massive Eisentor ging.

In mir breitete sich ein unbehagliches Kribbeln aus, dass mich nervös werden ließ. Denn es war inzwischen fünf Jahre her, dass ich das letzte mal einen Fuß auf den Friedhof gesetzt hatte. Ich hatte hier sehr viele Tränen verloren und auch jetzt bahnten sie sich ihren Weg zu meinen Augen. Doch ich blinzelte sie fort, wobei ich mich abschnallte.

Doch die Traurigkeit konnte ich nicht wirklich verbannen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass ich meinen Bruder seit so vielen Jahren nicht mehr ans Grab unserer Eltern begleitet hatte. Denn genau das durfte ich mir immer wieder von ihm anhören und war ein rotes Tuch in unserer sonst so harmonischen Geschwisterliebe. Allerdings waren die mitleidigen Blicke der Menschen von damals immer noch zu präsent in meiner Erinnerung.

Sogar eine mir komplett fremde Frau hatte mich damals an ihre Brust gezogen und mir liebevoll über dir Haare gestrichen. Nachdem sie mich losgelassen hatte, wischte sie sich eine Träne aus den Augen und lächelte mir aufmunternd zu.

Genau deswegen hatten Yannick und ich vor drei Monaten eine so hitzige Auseinandersetzung, dass wir ganze zwei Woche nicht mehr miteinander gesprochen hatten und das, obwohl wir unter einem Dach wohnten. Er verstand mein Problem daran nicht, die Frau wollte mir doch nur Trost spenden.

Ja, das konnte schon sein. Aber brachte das unsere Eltern zurück?
Seine Antwort war das ins Schloss fallen der Tür.

Schlussendlich schaltete sich Fiona als Streitschlichterin ein, was dazu führte, dass ich Rotz und Wasser heulend in den Armen von Yannick weinte und er mir einen Tag mit ihm alleine versprach.

Bei der Erinnerung daran musste ich schmunzeln, als ich durch das Eisentor trag und langsam den Kiesweg entlang ging. Wie von selbst brachten mich meine Beine auf den richtigen Weg. Scheinbar hatten ihnen selbst die Anzahl der Jahre die Erinnerung nicht genommen.

Gerade als ich auf den Weg einbiegen wollte, der mich ans Grab führte, klingelte mein Handy in der Jackentasche.

"Entschuldigung!", sagte ich peinlich berührt zu dem alten Mann, den ich vorher schon gesehen hatte. Er stand an einem Grab und schenkte mir einen bitterbösen Blick.

Als ich allerdings auf den Bildschirm sah, wurde mir plötzlich bewusst, dass ich da wohl Etwas oder besser gesagt Jemanden erfolgreich aus meinen Gedanken verdrängt hatte.

"Hey Richard!", sagte ich gespielt freundlich in den Lautsprecher, während ich meine Augen schloss und mir einmal leicht mit der Hand gegen die Stirn klopfte.

"Du treibst dich also lieber auf Friedhöfen herum, als dich mit mir zu treffen, Nim?", erwiderte Richard, wobei mir der enttäuschte Unterton nicht entging.

"Jaaa... weißt du, das war eher so ein spontanes Ding von mir!", versuchte ich mich aus der Situation zu winden.

"Ich habe das Grab so lange nicht mehr besucht und da habe ich unser Treffen total vergessen. Es tut mir so leid, Richard."

"Naja, kann man wohl nichts machen. Wenn du nicht zu mir ins Krankenhaus kommen kannst, dann komme ich eben zu dir", meinte er und ich blieb stehen.

"Was meinst du damit?", fragte ich, doch meine Antwort war nur das Besetztzeichen. Verwirrt sah ich auf den Bildschirm meines Handys wo 'Anruf beendet' stand. Was war denn jetzt passiert?

Ich wollte das Handy gerade in meine Jackentasche gleiten lassen, als mir jemand von hinten in die Seiten zwickte. Wie eine Katze, auf deren Schwanz man versehentlich gestiegen war, sprang ich in die Luft und schrie laut auf.

Was drei Dinge zur Folge hatte:

1. Die Vögel verließen in schöner V-Formation das sichere Versteck in den Baumkronen, 2. Mein Handy flog in hohen Bogen zwischen zwei Grabsteine und 3. Waren nun alle Köpfe der Besucher auf mich gerichtet.

Das Lachen, das daraufhin hinter mir erklang war gleichzeitig böse und herzhaft. Mit einem vernichtenden Blick drehte ich mich um und sah Richard, der sich gespielt den Bauch hielt, während er nach Luft rang.

"Sag mal, bist du eigentlich total verrückt geworden?", schrie ich ihn an, bevor ich seinen Oberarm als Boxsack missbrauchte. "Du. Hast. Mich. Zu. Tode. Erschrocken."

"Dafür scheinst du mir aber noch recht lebendig", war seine Antwort, was ihm einen festeren Schlag einbrachte. "Okay, okay. Hör auf damit, ich muss in zwei Stunden operieren und brauche meinen Arm dafür."

Das brachte mich zwar zum schmunzeln, doch einen letzten Schlag konnte ich mir allerdings nicht verkneifen.

"Ach, du findest es also witzig auf einen alten Mann einzuschlagen?", jammerte Richard und rieb sich über den Arm.

"Jammer hier nicht rum. Außerdem bist du nicht alt! Aber sag mal, woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?", wollte ich jetzt von ihm wissen, bevor ich meine Arme vor der Brust verschränkte.

"Nachdem du mich eine halbe Stunde hast warten lassen, dachte ich mir schon, dass du es in deinem Sieb von Hirn wahrscheinlich vergessen haben könntest."

"Ich hab kein...", doch Richard sprach einfach weiter und tat so, als hätte ich nicht gerade ein Argument gegen die Siebhirn Sache vorbringen wollen. Daher schloss ich meinen Mund schnell wieder und versuchte ihm nicht weiter zuzuhören. "Also bin ich zu dir nach Hause gefahren, um dich von dort zu entführen."

Das war doch wirklich zum Mäuse melken, wie schnell sich dieser Typ vor mir meine Aufmerksamkeit zurück gewinnen konnte. Denn mir kam da so eine gewisse Person in den Sinn, die sich bei mir Zuhause befand und zufällig auf den Namen Maybell hörte. Die hatte ihm doch wohl nicht die Tür geöffnet?

Doch in diesem Moment gab Richard mir die Antwort auf die Frage.

"Sag mal, seit wann geht Fionas Großmutter bei Yannick und dir ein und aus?"

Meine Nackenhaare stellten sich auf und auf meinem Rücken bildeten sich leichte Schweißperlen.

"Was?", war alles was ich herausbrachte, wobei ich hoffte, dass er meine Unsicherheit nicht bemerkte. War denn dieser Psychoomi nichts Besseres eingefallen, als sich als Fionas Großmutter auszugeben? Ich wusste ja nicht einmal, ob sie noch eine hatte! Oder noch weniger wusste ich, ob Richard sie nicht schon kennen gelernt hatte.

"Na da ist eine alte Frau in eurem Haus, die mir die Tür geöffnet hat, als ich bei dir angekommen bin", meinte er und zog eine Augenbraue hoch.

"Ach stimmt! Jetzt wo du es sagst, sie wollte heute vorbeikommen und einmal klar Schiff bei uns machen. Du kennst dich Yannick," erwiderte ich und verdrehte dabei die Augen. "Ordnung ist für ihn ein Fremdwort. Aber sag mal, sind das da zwei heiße Schokoladen? Du denkst echt an alles!", versuchte ich die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu ziehen und dabei das Thema auch noch geschickt zu wechseln. Denn Richard war der einzige Mann den ich kannte, der heiße Schokolade so sehr liebte wie ich.

Ich drängte mich an ihm vorbei und ging zu der Bank, auf der er die zwei Pappbecher abgestellt hatte. Doch bevor ich sie in die Hand nahm, blieb mein Blick bei dem Strauß von roten und pinken Pfingstrosen hängen, der daneben lag.

Mit einem Lächeln drehte ich mich zu Richard um.

„Was? Willst du keine heiße Schokolade?", wollte er mit einem fragenden Blick wissen, doch ich schüttelte nur leicht den Kopf und reichte ihm seinen Pappbecher.

"Mmhh... die ist lecker", meinte ich, nachdem ich einen Schluck getrunken hatte. Doch Richard sah mich nur mit hochgezogener Braue an.

"Nim, die muss doch noch kochend heiß sein!", meinte er, wobei er mir seinen Becher abnahm.

"Nein! Überhaupt nicht", erwiderte ich, doch meine Zunge fühlte sich schon taub an. "Sie ist genau so, wie ich sie gerne hab."

Nachtwandler I - HexentanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt