Kapitel 26

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Die Minuten verstrichen, doch von oben war nichts mehr zu hören. Bis schließlich ein schauriges Lachen erklang, was mir eine Gänsehaut bereitete. Plötzlich durchzog das Geräusch, das man hörte wenn man jemandem mit voller Wucht eine Ohrfeige gab, die zum zerreißen angespannte Stille. "Spuck mir noch einmal auf meine Lederschuhe und ich werde dich sofort umbringen! Und jetzt sag mir endlich wo diese kleine Bergstein-Hexe ist!", "Ihr werdet sie niemals in eure dreckigen Finger bekommen, Jägerabschaum! Sobald sie zurück ist, wird sie euch alle vernichten!", meinte Maélys mit hörbar erschöpfter Stimme. Wenn sie von mir sprach, schraubte sie die Erwartungen an mich noch eine Stufe nach oben. Reichte es denn nicht, dass ich die letzte Hoffnung meiner Familie war?

"Wie auch immer! Sind deine Großmutter und du eigentlich immer noch mit einem Zauber verbunden?... Lass es uns doch einmal ausprobieren! Dimitri, dein Messer!"

Im nächsten Augenblick schrie Maybell neben mir auf und hielt sich den Oberschenkel. "Ahhh... ich liebe diesen Klang. Sie sind im Keller!", meinte der Kapuzenmann und kurz darauf hörte ich Schritte auf der Treppe. Uns blieben vielleicht noch knapp 30 Sekunden, bevor sie bei uns waren. Die Wand wäre bestimmt kein langes Hinderniss.

"Maybell, was soll ich tun? Sag mir, was ich machen soll?", meinte ich zu der alten Frau, die sich an mir abstützte.

"Ich bin zu schwach um den Zauber zu sprechen. Das musst du tun.", "Was! Aber ich...", "Du schaffst das", murmelte Maybell, bevor sie ohnmächtig wurde.

"Maybell!", doch sie hörte mich nicht. "Oh mann, jetzt haben wir ein Problem! Na komm schon, Nim, lass dir was einfallen! Denk, denk, denk!", spornte ich mich selbst an, was meinen Blick plötzlich auf eine Schere am Boden fallen ließ. Ihr wisst schon... Blut + Magie= erfolgreicher Zauber.

"Da ist ja mein Hauptgewinn", hörte ich Dimitri sagen, der mittlerweile am Ende der Treppe angekommen war. Doch als er einen Schritt weiter machen wollte, prallte er gegen die Schutzwand. Er wurde bis zur Hälfte zurück nach oben geschleudert, wo er kurz liegen blieb. Das nutzte ich aus, legte Maybell behutsam auf den Boden und trat aus dem Kreis. Allerdings rappelte sich auch Dimtri in diesem Moment auf "Meister, wir haben hier ein kleines Problem!", brüllte er nach oben. "Sie haben eine unsichtbare Schutzwand aufgebaut!"

"Ach wirklich?", kurz darauf hörte ich Maélys Schmerzensschrei und sah wie die Wand langsam unter roten Funken zusammen fiel.

Jetzt hatte ich definitiv keine 20 Sekunden mehr. Schnell nahm ich die Schere und rannte zurück in den Kreis. Gerade als ich einen Schritt hinein machen wollte, traf mich etwas an der Schulter. Ein Schmerz durchzuckte mich und ich taumelte nach vorne. Es fühlte sich an, als hätten sich lauter kleine Flammen in meine Haut gebrannt. "Volltreffer!", hörte ich Dimitri triumphierend rufen.

Allerdings hatte das Taumeln großen Nutzen für mich, denn ich stand jetzt in dem Salzkreis. "Verdammt!", kam es von Dimtri und ich atmete erleichtert aus. Nur um dann wieder vor Schmerz zusammen zuzucken. Von rechts und links schlossen sich bereits Sternchen zusammen, wie ein Vorhang den man schließt. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen, schüttelte meinen Kopf und sah dann zu Dimitri.

Auf seinem Gesicht war wieder dieses Grinsen. Als ich seinem Blick folgte, fing mein Herz an zu rasen. Denn die Kreislinie war noch nicht geschlossen. "Verdammt", kam es nun von mir und ich griff nach der Packung Salz neben mir am Boden. Im selben Moment begann Dimtri auf mich zuzulaufen.

Mein Herz schien sich fast zu überschlagen. Zwei Meter, ein Meter... Der Jäger streckte begierig die Hand nach mir aus. Doch als seine Fingerkuppen mein Shirt berührten, schloss ich die Linie und er schrie auf. Neben mir fielen zwei Fingerkuppen zu Boden. "Das wirst du mir büßen..."

"Ein Kreis aus Salz wird dich immer beschützen", murmelte ich vor mich hin und starrte kurze Zeit auf den Jäger, der keine 20 Zentimeter von mir entfernt war. Doch er konnte mich nicht anfassen.

Ich hatte mir also weitere Zeit erkauft. Doch wieviel?

Während ich versuchte den Schmerz in meiner Schulter zu verdrängen, lief mein Hirn bereits wieder auf Hochtouren. Denn ich musste einen Zauber sprechen, der die Tür zum Raum der Zeit öffnet. Kerzen und einen Salzkreis hatte ich schon, fehlten nur noch zwei Dinge: Blut und der Spruch. Im Reimen war ich noch nie gut gewesen. Dennoch atmete ich einmal kurz durch und ritzte mir mit der Schere in die linke Handfläche.

"Verdammt nochmal...", fluchte ich, denn in Filmen sah das immer so einfach aus. Langsam tropfte es auf das Salz und färbte es rot. "Die Türe sollte nun entstehen, damit ich kann hinüber gehen. In den Raum der Zeit, wo alles etwas Anders scheint", flüsterte ich. Einen kurzen Augenblick dachte ich schon, es würde nicht funktionieren. Doch dann schien mein Blut dem Salz zu folgen und bildete eine rote Wand um uns. Kurz darauf entflammten die vier Kerzen. "Das... ist unmöglich", kam es von Dimtri. "Eine Neuhexe kann unmöglich einen so mächtigen Zauber sprechen."

Zwischen den Kerzen zu meiner linken veränderte sich der Halbrunde Strich und wurde zu einer Linie, die immer höher zu wachsen schien. Bis schließlich eine Tür vor mir aufragte.

In diesem Moment kam Maybell wieder zu sich. "Du hast es geschafft", flüsterte sie mit schwacher Stimme. "Ja... ich meine... verdammt, ich habe gerade eine Tür entstehen lassen", meinte ich vollkommen perplex und lächelte. Für einen Moment fühlte ich mich so voller Energie, dass ich Bäume hätte ausreißen können.

"Ich sagte doch, dass du es schaffst", sie versuchte aufzustehen und ich half ihr dabei.

"Nein, ich kann euch unmöglich gehen lassen!", rief Dimtri und stand auf. Wie verrückt boxte er gegen den Schutzkreis. "Dimitri, lass gut sein", meinte schließlich der Kapuzenmann, der kurz darauf neben ihm auftauchte. Er betrachtete mein Werk und ein Lächeln tanzte durch seine Augen. Durch das Leuchten des Schutzkreises konnte ich sie gut erkennen und ein kalter Schauer fuhr mir über den Rücken. Denn sie waren unnatürlich schwarz. Das druchtanzende rot, machte es keineswegs besser. Ganz im Gegenteil, es unterstrich seine dunkel Aura nur noch mehr.

"Lass sie ruhig gehen. Ich freue mich schon darauf, ihre ganze Macht zu sehen."

Mit wehendem Umhang drehte er sich um und ging davon. "Dimitri!"

Er schenkte mir noch einen vernichtenden Blick, bevor er seinem Meister folgte.

"Nim, lass uns gehen! Deine Zeit, eine vollkommene Hexe zu werden ist gekommen!"

Nachtwandler I - HexentanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt