*Update* Kapitel 18

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Hatte ich gerade wirklich 'Ich liebe Dich' zu Richard Brenner gesagt? Jetzt? Wo er mit einer ziemlich stark blutenden Wunden vor mir stand und immer blasser wurde?

Meine Gedanken fuhren wieder Karussell und ich bekam plötzlich schreckliche Kopfschmerzen. Außerdem fühlten sich meine Wangen an, als hätte man einen Herd angestellt und vergessen einen Topf darauf zu stellen.

Warum sagte er denn nichts, sondern sah mich einfach nur an? Hatte es ihm etwa die Sprache verschlagen? Gut, ich hätte vermutlich auch nur blöde aus der Wäsche geschaut, wenn er mir seine Liebe gestanden hätte. Was nebenbei bemerkt auch viel zu früh gewesen wäre.

Oh mein Gott, am Ende war dieser Kuss überhaupt kein Zeichen dafür, dass er in mich verliebt war. Vielleicht hatte er wirklich nur die Situation ausgenutzt.
"Hey, Miss Ich-starre-Löcher-in-die-Luft-während-mein-Freund-in-Ohnmacht-fällt!", riss mich eine weibliche Stimme aus meinem Gedankenwirrwar.
"Ja...", sagte ich und hätte fast losgeschrien, als ich Richard in den Armen einer anderen Frau liegen sah.
"Ahh... Hab ich deine Aufmerksamkeit, ja?", meinte sie. "Dein Freund hier sollte unbedingt verarztet werden."

"Vielen Dank, aber das weiß ich selbst", zickte ich sie etwas an, denn was fiel dieser schwarzhaarigen Schnäpfe ein, sich an meinen Freund ran zu machen.
"Du machst mir jetzt aber nichts die Eifersuchtsnummer, während dein Freund kurz vorm Abnippeln ist?", meinte sie zu mir und sah mich fragend an, während immer mehr Blut aus Richards Wunde auf den Boden tropfte. "Nein, aber...", setzte ich an, doch sie kam schon auf mich zu. "Lass es einfach und hilf mir lieber, ihn in dein Auto zu setzen", zuerst wollte ich mich gegen ihren rum kommandieren Art wehren, doch hier ging es um Richard. Also schluckte ich meinen Stolz hinunter und ließ ihn Bekanntschaft mit meinem inneren Schweinehund machen.

Als er im Auto saß, fiel mein Blick auf das Rosentattoo an ihrem Hals und ich stutzte. "Du bist...", "... ein Mitglied des Mondrosen-Zirkels. Ganz genau! Mach dir darüber aber jetzt keine Gedanken. Bring Richard so schnell du kannst zu Maybell. Sie kann ihm helfen", meinte sie und das ließ ich mir nicht zweimal sagen.

Nachdem ich bestimmt zick tausend Verkehrswidrigkeiten begangen hatte und somit meinen Fahrlehrer zutiefst enttäuscht hatte, parkte ich den Mustang mehr auf dem Rasen, als in der Einfahrt und sprintete ins Haus. "Maybell! Wo bist du?", rief ich.

"Nim, musst du so rum brüllen?  Kann man nicht mal in Ruhe sein Kreuzworträtsel lösen? Sag mal, warum kommst du erst jetzt nach Hause? Und warum blutest du?", wollte sie von mir wissen, während sie aus dem Wohnzimmer kam und ihre Lesebrille abnahm. Jetzt kam sie mit besorgtem Blick auf mich zu.

"Das ist nicht... Ich hab jetzt keine Zeit, dir deine Fragen zu beantworten. Richard sitzt im Wagen und ist dabei zu verbluten!", erklärte ich ihr, während ich sie mit mir mach draußen zog. "Zieh doch nicht so, ich komm ja schon mit!", beschwerte sie sich lautstark, folgte mir aber dennoch zum Wagen. "Sag mal, wer ist nochmal dieser Richard?"

"Ahhh, Richard ist also die Sahneschnitte von Arzt aus dem Krankenhaus", meinte Maybell, als wir bei meinem Wagen ankamen. Ich verdreht die Augen und kletterte zu Richard ins Auto "Wie auch immer. Kannst du mir helfen?", forderte ich sie auf, um ihn ins Haus zu tragen.

"Oh, ja klar!", erwiderte sie. "Geh mal ein Stück zur Seite!"

Ich kletterte also wieder aus dem Mustang, bevor Maybell ihre Hand auf  sein Haar legte und etwas vor sich hin murmelte. Plötzlich spürte ich, wie die Luft leicht anfing zu vibrieren und im nächsten Augenblick war Richard verschwunden. "Maybell, er ist weg! Wo hast du Richard hingehext?", rief ich, was zur Folge hatte, das sie mir ihre verschrumpelte Hand auf den Mund presste. "Schrei doch nicht so! Willst du noch, dass die Nachbarn auf das hier aufmerksam werden?", zischte sie. "Ich hab Richard ins Haus transportiert. Er liegt auf der Couch."

Ich lief ins Haus und fand ihn wirklich dort, wo Maybell gesagt hatte. Er war noch ein Stück blasser geworden und er atmete immer schwerer.

Jetzt erst fielen mir die ganzen kleinen Kratzer an seinem rechten Bein auf. Er musste schreckliche Schmerzen gehabt haben, als wir zum Wagen gegangen waren. "Nim, lass mich das nur machen", hörte ich Maybell neben mir sagen. "Geh nach oben und zieh dich um."

Doch ich schüttelte den Kopf und ging zu Richard, um mich neben ihn auf den Boden zu knien.

"Ich werde ihn nicht alleine lassen", flüsterte ich, während ich ihm liebevoll durch das Haar strich. "Nur leider bist du mir so mehr im Weg, als das du mir nützen würdest. Nim, wenn wir noch länger warten, könnte es zu spät sein. Er ist dem Tod jetzt schon näher, als dem Leben. Du musst mir vertrauen", meinte Maybell und legte mir ihre Hand auf die Schulter.

Ich wusste, dass sie Recht hatte. Aber ich wollte ihn einfach nicht alleine lassen, schließlich war das alles meine Schuld. Doch wenn ich Maybell noch länger im Weg stand, würde ich ihn verlieren und das könnte ich mir niemals verzeihen.

Also gab ich ihm einen Kuss auf die Stirn, stand auf und verließ das Zimmer. An der Tür drehte ich mich jedoch noch einmal um und sah Maybell an. "Lass ihn nicht sterben, hörst du?", "Keine Sorge, ich weiß schon was ich tue!", erwiderte Maybell und ich musste unweigerlich Schmunzeln.

Nachdem ich die blutige Kleidung gegen Saubere eingetauscht hatte, rief ich meinen Bruder an. Ich musste jetzt einfach mit Jemanden sprechen, egal über was. Hauptsache, es würde mich etwas von den Gedanken darüber ablenken, was Maybell wohl gerade mit Richard anstellte. Sonst wäre ich wohl nach unten ins Wohnzimmer gerannt.

"Na schau mal an, wer sich da meldet. Mein geliebtes Schwesterherz", meldete sich mein Bruder nach dem zweiten Mal klingeln. Jetzt wurde mir bewusst, wie sehr er mir doch fehlte. "Hallo Yannick! Na wie ist Paris?", wollte ich wissen und versuchte stark zu bleiben, denn die Tränen bahnten sich bereits den Weg in meine Augen. Meine Güte, in den letzten Tagen war ich wirklich zu einer kompletten Heulsuse mutiert. "... fliegen wir nach Venedig", hörte ich meinen Bruder seine Erzählung abschließen. "Ah, okay und...", doch weiter kam ich nicht, denn plötzlich zerriss ein Schrei von unten die Stille und sofort stand ich neben meinem Bett. "Wehr dich nicht dagegen! Nur so kann ich dir helfen", hörte ich Maybell verzweifelt rufen und wusste, dass der Schrei aus Richards Kehle gekommen seien musste.

"Nim, wer hat da gerade geschrien?", wollte Yannick wissen. "Ach, ich schau eine Folge von The Walking Dead, weißt du. Yannick, ich muss jetzt auch Schluss machen, mein Popcorn ist fertig", erklärte ich ihm, bevor Richard erneut schrie wie ein Schwein am Spieß. "Du solltest dir das nicht alleine anschauen. Ruf doch Richard an", meinte Yannick. 'Wenn du wüsstest, dass der gerade seine eigene Folge von The Walking Dead dreht...', dachte ich. "Ja... ja das ist eine gute Idee. Aber ich muss jetzt wirklich Schluss machen... achja, mein Handy ist im Eimer. Ich ruf dich an, sobald ich ein Neues habe. Hab dich lieb und grüß Fiona recht herzlich von mir!", rief ich in den Hörer und legte auf. Wobei ich ein schlechtes Gewissen hatte, denn ich hatte meinen Bruder bisher noch nie einfach abgewürgt. Doch ich stürmte bereits nach unten und einfach ins Wohnzimmer.

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