Nachdem ich eine geschlagene Stunde unter der Fuchtel des Make-up Artist gestanden hatte, betrat ich am nächsten Morgen viel zu spät das Brautzimmer von Fiona.
Doch als ich zu meiner kurzen Entschuldigungstirade ansetzen wollte, verschlug es mir die Sprache. Ein gehauchtes "Wow", war alles, was ich herausbrachte.
Denn Fiona stand in einem traumhaften Brautkleid vor dem Spiegel, doch jetzt drehte sie sich zu mir um. Das schlichte, weiße Samtkleid war bis zur Hälfte eng anliegend und fiel dann in einem weiten Rock auf den Boden, wo es in einer kurzen, aber weiten, Schleppe endete. Die Träger waren aus zarter Spitze, die sich weiter über den oberen Teil des Kleides schmiegte. Den Rock zierte eine wunderschöne Rankenstickerei.
Ihre Haare trug sie zu einem Dutt gebunden, aus dem ihr ein paar Strähnen ins Gesicht fielen. Das Make-up war natürlich gehalten, betonte aber ihre Augen, genau wie ihre Lippen.
"Fiona, das Kleid ist ein Traum!", sagte ich, während ihre Mutter den langen Spitzenschleier zurecht machte.
"Vielen Dank! Aber du siehst auch wunderschön aus, Nim! Ich muss schon sagen, der Make-up Artist hat das mit deinem Veilchen wirklich gut hinbekommen", meinte sie und ich lächelte.
Das hellblaue, schulterfreie Kleid fiel mir in einem leichten Stoff gerade auf den Boden und unter der Brust war ein schmales weißes Band eingearbeitet worden. Meine dunkelbraunen Haare fielen in sanften Wellen über die Schultern, wobei das hellblau meine grün-blauen Augen leicht betonte. Allerdings passte ich mit der Farbe meines Kleides kein Stück zu Fionas Brautjungfern, die alle ein roséfarbenes trugen. Und wie ich vor einer Woche festgestellt hatte, stand mir diese Farbe kein bisschen.
"Ja, ich bin auch wirklich froh darüber. Denn heute morgen war es richtig schön blau", erzählte ich ihr und versuchte ihr so ein schlechtes Gewissen zu machen. Es schien auch zu funktionieren, denn sie sah mich bestürzt an.
„Es tut mir wirklich so leid, Nim. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich das jemals wieder gut machen soll."
Ich lächelte sie an und machte mit meiner Hand eine kreisförmige Bewegung vor meinem Gesicht. Ich wollte ihr den heutigen Tag nicht verderben.
„Mit diesem Make-up hast du es mehr als nur wieder gut gemacht, Fiona! Ich meine, als ich in den Spiegel geschaut habe, war meine erste Frage, ob das wirklich Nim Bergstein ist!"
Alle fingen an zu lachen, was die leicht angespannte Atmosphäre etwas auflockerte. Im nächsten Moment ging die Tür auf und Frederick kam herein.
"Hier bist du, Nim! Ich soll dir von Yannick ausrichten, dass er am See auf dich wartet", dankend nickte ich ihm zu und verließ das Zimmer.
Während ich den langen, von hohen, weißen Säulen gesäumten Gang entlang ging, beobachtete ich die vielen Helfer, die zwischen Blumengestecken und Buffet-Tischen immer noch damit beschäftigt waren, den Garten für den Sektempfang vorzubereiten. Die Rosen blühten in wunderschönen Farben und die japanischen Kirschblütenbäume spendeten mit ihren zartrosa Blüten angenehmen Schatten. Auf dem sattgrünen Rasen wurde gerade ein Pavillon aufgebaut und teilweise liefen Kellner in ihren schwarzen Hosen, den weißen Hemden und den schwarzen Westen mit Tabletts in den Händen herum.
In dem leicht chaotischen Treiben erblickte ich Yannick am Ende des Seestegs. Nachdem ich über den Kiesweg gegangen war, stand ich nun vor der Wahl entweder mit meinen Absätzen in den Holzlatten stecken zu bleiben oder einfach ohne Highheels weiter zu gehen. Ich entschied mich für Variante Zwei.
"Du wolltest mich sprechen?", fragte ich, als ich bei ihm ankam.
"Ja, das wollte... Wow, du siehst wunderschön aus", meinte Yannick, nachdem er sich zu mir umgedreht hatte.
DU LIEST GERADE
Nachtwandler I - Hexentanz
FantasíaDer erste Teil der Nachtwandler Triologie - Hexentanz - „Eine Hexe! Habt ihr schon gehört, Nim Bergstein ist eine Hexe. Lasst uns die Mistgabeln und Fackeln holen und sie dann auf dem Scheiterhaufen verbrennen!" Im Augenwinkel sah ich, wie Maybell s...