*Update* Kapitel 10

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Den ganzen Weg in die Stadt über war das Radio die einzige Geräuschkulisse im Wagen, wenn man von dem schnurrenden Motor mal absah.

Dass sich der Ledersitz perfekt an meinen Körper anpassten, oder dass ich es liebte, wenn Richard den Wagen auf Hochtouren brachte und es mich dabei in den Sitz drückte, überspielte ich mit einem sturen Blick aus der Frontscheibe. Seine Arroganz von gerade eben machte mich einfach nur wütend und ich würde ihm bestimmt nicht die Genugtuung geben, die er von mir erwartete. Er hatte mich schließlich wie ein kleines, anstrengendes Kind in den Wagen verfrachtet und mich obendrein noch angeschnallt! Auch wenn es mir verdammt schwer fiel, hart zu bleiben, denn wann hatte man schon die Möglichkeit von einem wahnsinnig heißen Arzt in einem Maserati durch die Stadt gefahren zu werden?

Schließlich parkte Richard den Wagen vor dem Starbucks-Café und schaltete den Motor aus.

„Nim, es tut mir leid", meinte er schließlich und drehte sich halb zu mir um, wobei er die Sonnenbrille abnahm. „Ich hätte anders reagieren sollen."

„Da hast du verdammt recht", erwiderte ich, während ich mich abschnallte und die Arme vor der Brust verschränkte.

„Okay, tut mir leid. Kannst du jetzt bitte aufhören zu schmollen? Hat es dir denn kein Stück gefallen?", wollte Richard wissen und ich sah ihn an. Meinte er damit die Sache von heute Morgen oder die Autofahrt? Und wieso redete er nun schon wieder mit mir, als wäre ich wieder zwölf Jahre alt? Das war doch genau der Grund, weshalb ich so wütend gewesen war! Oder es noch sein sollte. Was sich bei diesem Anblick aber als richtig schwer gestaltete.

Nein, die Sache von heute Morgen konnte er unmöglich meinen und... Wieso zum Teufel fiel mir das ausgerechnet gerade jetzt ein? Sein nasser, nackter Oberkörper. Die perfekt definierten Muskeln... jetzt fehlte eigentlich nur noch, dass ich anfing zu sabbern, um den Moment noch peinlicher zu machen, selbst wenn Richard höchstwahrscheinlich nicht wusste, an was ich gerade dachte. Oder vielleicht doch?

Ich riss mich von ihm los und räusperte mich. Es konnte nur um die Autofahrt gehen. Ja, so musste es einfach sein.

„Es war ganz nett", sagte ich spitz und strich mir über die viel zu kurzen Jeans, als hätte ich dort einen störenden Krümel gefunden. Einen Moment spürte ich Richards Blick auf mir, bevor er sich seufzend abschnallte.

„Ich sehe schon, es wird nicht einfach, dich dazu zu bringen, mir zu verzeihen", meinte er leise.

Schon als ich seinen herzzerreißenden Seufzer gehört hatte, war mein innerer Schweinehund verstummt. Jetzt gab ich ihm noch den Rest, indem ich ihn k.o. schlug. Und kaum lag mein innerer Schweinhund röchelnd und mit Kreuzen in den Augen vor meinem inneren Auge, hatte ich Richard auch schon fast wieder verziehen.

„Naja, ich denke so ein extra großer Karamell-Macchiato mit einem Himbeer-Cheesecake Muffin wären ein guter Anfang", meinte ich mit einem unschuldigen Achselzucken. Er brauchte ja nicht zu wissen, dass alles schon längst vergeben und vergessen war und deswegen durfte ich ruhig noch ein wenig von seinem schlechten Gewissen profitieren, oder? Weshalb war ich nochmal wütend auf ihn gewesen? Irgendwas war da doch gewesen.... Richard lächelte mich an und stieg aus. Sofort merkte ich, wie mein Blutdruck stieg und meine Wangen sich röteten. In diesem Moment gab es für mich keinen Zweifel mehr.

Die Gefühle für Richard waren in all den Jahren nie wirklich weg gewesen und jetzt, da wir wieder Zeit miteinander verbrachten, tauchten sie wieder auf. Verdammt! Er war der beste Freund meines Bruders! Wie konnte ich das nur tun?

„Nim, kommst du? Oder soll ich dir noch länger die Tür aufhalten?", riss mich Richard schließlich aus meinem Gedankengang. Er hielt mir ganz Gentlemanlike die Tür auf und hielt mir bereitwillig eine Hand hin.

Nachtwandler I - HexentanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt