POV NIKI
Ich verließ sie in dieser Nacht nicht eine einzelne Sekunde, obwohl es uns allen strengstens untersagt war ihren Schlafsaal zu betreten. Ich konnte sie nicht allein lassen, nicht von ihr getrennt sein. Meine Sehnsucht nach ihr war viel zu groß, um dagegen anzukämpfen. Nach meiner hoffnungsvollen Begegnung mit ihrer makellosen Haut hatte sich nichts mehr getan. Zwar waren gewisse Anzeichen einer Verwandlung da, doch für eine gewöhnliche Verwandlung dauerte das mit Y/N schon doppelt so lang. Ihr Entwicklungsprozess beunruhigte mich etwas, doch meine Hoffnung und meine Sehnsucht nach ihr waren so groß, dass ich wusste sie würde zu mir zurückkommen. Ihr Körper braucht diese gewisse Regenerationszeit nach dem ganzen Unglück, das ihr widerfahren war.
Kaum zeigte sich die giftige, helle Sonne am Horizont der Ewigkeit verschwand ich wieder in meinem eigenen Saal und richtete mich widerwillig für das Frühstück. Lustlos zog ich mir meinen Seidenpyjama aus und schlüpfte in ein schwarzes Hemd. Knopf für Knopf knüpfte ich langsam und bedacht zu, während ich mein eigenes Spiegelbild betrachtete und in meine leeren, leblosen Augen starrte. Unten angekommen war ich der letzte, der am Marmortisch noch fehlte. Die Situation war direkt angespannt als meine Wenigkeit im Raum registriert wurde und ich hätte schwören können man hätte die Luft mit einem Messer durchtrennen können. Jedes Mitglied an diesem Tisch war in sich gekehrt und eigenartig. Jeder kämpfte aktuell mit seinem eigenen persönlichen Fegefeuer, das individuell auf der verdammten Seele dieser Vampire brannte. Die Stille die herrschte, brachte mich dazu jeden Muskel meines Körpers anzuspannen. Wäre ich am Leben, hätte ich spätestens an einem Moment wie diesem mein eigenes Blut in meinen Ohren rauschen hören. Die Gedankentelekinese, die uns auch in ruhigen Momenten miteinander verbinden ließ wurde unterdrückt und niemand kommunizierte miteinander oder hielt den Augenkontakt zueinander, wir aßen und tranken langsam und still, wie als hätte hier jeder ein jahrzehntelanges Schweigegelübte abgelegt. „Wann darf ich Y/N sehen?", fragte ich mit gebrochener Stimme in den Raum, doch niemand sah mich an. Es sah schon fast so aus, wie als würde jeder krampfartig nur auf den Tisch starren, nur um meinen Augen auszuweichen. „Ich würde sie gern sehen..würde gern sehen, ob es schon Anzeichen oder Fortschritte gibt.", begründete ich meine Frage und verheimlichte, dass ich sie letzte Nacht nicht einmal losgelassen hatte. Ich sah in die Runde, warf meine Hände nach weiteren Minuten der Totenstille genervt auf den Tisch und wollte gerade ansetzen wieder aufzustehen und zu gehen, doch zu meiner eigenen Überraschung brach jemand die stechende Stille. „Es wäre gut, wenn jemand nach ihr sieht. Sie jetzt allein zu lassen wäre keine wirklich gute Idee, das sollten wir am besten wissen.", erwiderte Sunoo erst zögerlich, doch dann festigte sich seine Stimme im Laufe des Satzes. Ich bedankte mich mit einem Blick zu Sunoo bei ihm und sah wie Jay in meinem Augenwinkel nur nickte. „Geh nach oben.", sagte er nur und verstummte wieder. Ich wusste, dass Jay sich am meisten sorgte, auch wenn er solche Dinge ungern zugab. Und ich wusste auch, dass er sich die Schuld für die gesamte Situation gab und aktuell mit sich selbst duellierte. Ein kleines Schmunzeln verließ meine Lippen und ich stand mit Schwung auf, steuerte Richtung Tür und verschwand nach oben. Ich lief die Treppen nicht mehr nach oben, sondern sprintete förmlich, weil sich mein Herz so sehr nach ihr sehnte. Angekommen an ihrem Schlafsaal, klopfte ich sanft und drückte die Türklinke behutsam nach unten während ich die Tür langsam öffnete. Meine Nase nahm direkt ihren Duft auf und ich schloss für einen kurzem Moment die Augen. Die schwere Tür aus altem Massivholz fiel hinter mir wieder ins Schloss und meine Augen wanderten direkt zu dem kleinen Wesen auf dem Bett. Ich schluckte, näherte mich langsam und ließ mich sanft auf der Kante des Bettes nieder, während ich sie nicht einmal während meiner Bewegungen aus den Augen ließ. „Hey, kleiner Stern.", flüsterte ich leise und nahm ihre eiskalte Hand erneut in meine. Zugegeben erschrak ich an der Temperatur, die ihre Hand hatte, weil sie sich genauso anfühlte wie meine eigene. Ich vermisste die Wärme und das Rauschen ihres süßen Blutes, ihren ruhigen Herzschlag und ihren intensiven Geruch, wenn sie sich erneut darüber aufregte wenn ich sie neckte. Zu meiner bitteren Enttäuschung hatte sich nichts verändert, ihre Haare waren zwar wieder braun doch die Farbe war nicht einmal ansatzweise so intensiv wie sie es sein sollte. Keine rosigen Wangen, süße Sommersprossen um die Nase, kein hebender und sich senkender Brustkorb mit einem kleinen schlagenden Herzen innen drin. Nichts.
Ich seufzte.
Ich weiß nicht wie lang ich bei ihr saß und einfach ihre Hand hielt, um sicherzugehen, dass sie noch da war, doch nun dämmerte es bereits und der Mond fand seinen Platz an dem immer dunkler werdenden Himmel. Das gesamte Anwesen schmückte nichts anderes als pure Stille, es fühlte sich schon fast an wie als wären wir alle menschlich und würden eine Trauerfeier abgeben. In diesem Punkt faszinieren mich die Menschen wieder einmal. Wenn eine liebende Person ihren Herzschlag verliert und das Leben aufgibt, werden unzählige deprimierende Trauerfeiern gehalten, in den Trauerreden die in der Kirche gehalten werden wird gelogen und nur die positiven Dinge des Lebens der Person werden erwähnt. Keinem Mörder der sein Leben verloren hat, wird in der Trauerfeier vorgehalten, dass er unschuldige Menschenleben durch seine Hände genommen hat. Menschen trauern, weinen, zerfallen an dem Tod einer anderen Person und vergessen gleichzeitig wie wertvoll und schön ihr eigenes Leben ist. Hätte ich noch einen eigenen Herzschlag und wäre mein Leben nicht belanglos und verewigt, würde ich niemals mein wertvolles Leben für solche Dinge aufgeben. Der Tod gehört zu dem eigenen Leben dazu, genauso wie die Geburt. Der Tod kann ebenfalls etwas schönes sein, doch die Menschen loben nur die Geburt eines Menschen in den Himmel. Unverständlich, wie man so schöne Dinge vernachlässigen und fürchten kann.
Als ich mich aus meinen kreisenden Gedanken wieder fing, zog ich Y/Ns Hand sanft zu mir und legte meine Lippen vorsichtig auf ihren Handrücken. Ich schloss die Augen und versuchte meine tränenden Augen nicht gegen mich gewinnen zu lassen, während ich hoffnungsvoll ihren Handrücken küsste. „Ich werde auf dich warten, meine Rose.", hauchte ich kaum hörbar und stand langsam auf. Ich steuerte mit schlurfenden Schritten auf die Tür zu, doch sah noch ein letztes Mal zu der Person, der mein totes Herz gehört.
Meine Augen wanderten leidtragend ihren Körper entlang, doch mein Blick verlor die Fassung und meine Augen weiteten sich enorm. Ihr Körper gewann langsam wieder an Fülle, ich konnte die Fasern ihres Körpers hören. Ich konnte hören, wie sie sich in sekundenschnelle wieder aufbauten und eine gemeinsame Einheit miteinander bildeten, wie ihre Knochen an Festigkeit gewannen, wie ihre eingefallene, spröde Haut sich straff ausdehnte. Mein Griff um die Türklinke wurde felsenfest, ich stand wie angewurzelt da. Noch nie in meiner gesamten Vampirexistenz hatte ich so einen schnellen Verwandlungsverlauf miterlebt, sie regenerierte sich innerhalb weniger Sekunden. Ihre kurzen Haare wuchsen bis zu ihren Hüften, gewannen an Farbe, Fülle und Volumen. Ihre Lippen bekamen einen rosigen Unterton, die Wangen hoben sich hervor und ihre Augen zuckten. Ihre Wimpern waren pechschwarz und dicht um ihre Augenlider geschwungen. „Y/N?", fragte ich mit zittriger, unsicherer Stimme. Nichts. Ich beobachtete sie noch wie angewurzelt einige Sekunden, doch mit lief ein kalter Schauer über den Rücken als sie ihre Augen ruckartig öffnete. Mein gesamter Körper wurde von Gänsehaut geziert, meine gefrorenen Blutbahnen weiteten sich und ich könnte schwören mein Herz schlug für einen Moment wieder.
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the man in the woods
Fanfiction„Ich bin zu gefährlich für dich. Du solltest dich von mir fern halten." sagte er und sein Blick war nach unten gerichtet. „Die Gefahr wird mich nicht aufhalten dich zu lieben, Niki" erwiderte ich und rutschte näher zu ihm. TW ⚠️ ~ Gewalt, Blut, s...