𝐊𝐀𝐏𝐈𝐓𝐄𝐋 𝟏𝟖

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JESSAI

Wenn ich diese verdammten Idioten in die Finger bekomme, dann bringe ich sie alle um. Nichts von ihnen wird übrig bleiben. Ihr Tod ist so gut wie gesichert. Meinetwegen zahl ich sogar ihre Beerdigungen, wenn es sein muss.

Es kann nicht sein, dass Killian und Reyna wieder zusammen sind. Killian hat meine Frau umgebracht! Ohne darüber nachzudenken, was er mir damit angetan hat!

Ich sitze hier in dieser verdammten Zelle, muss mir selbst beim Verrecken zusehen und habe dabei auch noch die Leiche meiner Frau gesehen, die ich definitiv nicht sehen wollte, auch wenn sie trotz ihrer Verletzung viel zu schön für diese Welt ist. Eigentlich hätte niemand sie umbringen dürfen, außer ich. Nur mir ist es erlaubt gewesen, sie überhaupt anzufassen. Aber dass sie sich selbst in so eine Gefahr bringt, ist an irgendeiner Stelle ihre Schuld und nicht meine. Auch wenn ich es hätte verhindern können.

Ich hoffe, dass Killian für das leidet, was er mir angetan hat, auch wenn ich definitiv immer dafür gesorgt habe, dass niemand etwas von irgendetwas erfährt. Aber natürlich hat jetzt die Person erfahren, die davon betroffen ist!

In mir brodelt die Wut nur vor sich hin. Ich könnte die ganze Weltbevölkerung umbringen und ich würde es auch tun, wenn ich meine Geliebte wieder zurückbekomme. Ich vermisse sie, obwohl sie mir nicht einmal mehr sagen konnte, dass sie mich liebt.

»Entschuldigen Sie, Sir.«, sagt eine Beamte, die vor meiner Zelle stehen bleibt und ich ihr direkt entgegenblicken kann. »Ich habe einen Brief für Sie. Er ist noch von Ihrer Frau...«, sagt sie, wodurch ich mich sofort von dem harten Bett erhebe und auf die Zellentür zulaufe.

»Vielen Dank.«, sage ich, als sie mir einen Papierbündel entgegen reicht und ich ihn annehme. Ich bin verdammt nervös und möchte einfach wissen, was noch dadrin steht. Was kann noch alles passieren, das mir mein Leben zerstören könnte?

Nach allem, was ich noch zu tun hatte, worunter auch das Essen und Duschen mit den anderen Häftlingen steht, habe ich endlich Zeit, um mir den Brief von Ainara durchzulesen und es macht mich immer nervöser.

Ruhig öffne ich den Umschlag, realisiere schon früh, dass der Brief von Hand geschrieben ist, denn ich erkenne schon an meinem Namen, dass meine Frau ihn geschrieben hat und auch bereits verziert hat. Als ich die erste Zeile lese, friert mir mein Herz zu Stein.

"Ich habe gewusst, dass du diesen Brief bekommst, mein Herz. Doch wenn ich dir eins sagen kann, dann ist es, dass ich definitiv nicht damit gerechnet habe, dass du diesen Brief jemals in den Händen halten musst."

Muss ich Angst vor diesem Brief haben? Was bedeutet er und was für eine Bedeutung soll er im Ganzen jetzt spielen? Wenn es diesen Brief schon gegeben hat, bevor es überhaupt passiert ist, und offensichtlich schon sehr weit vorher, dann muss sie doch gewusst haben, dass so etwas passieren wird, oder? Ich verstehe nicht, wie sie es einfach so hinnehmen konnte, dass sie definitiv sterben wird. Wie kann sie es einfach so hingenommen haben, dass sie mich, ihren Mann, alleine lässt!

"Es tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe, bei dir zu bleiben, obwohl ich es dir so oft versprochen habe. So oft habe ich dir versprochen, dass nichts und niemand uns trennen wird und dass wir in jeder Situation wieder zueinander finden werden..."

Ich habe Angst vor den Worten, die jetzt auf mich warten. Ich weiß nicht, ob ich es wirklich lesen will, was sie mir mitteilen möchte, denn immerhin könnte es für mich ebenfalls das Ende bedeuten.

"Aber ich habe versagt, mein Herz. Viel zu früh habe ich schon versagt und habe nur noch versucht, es zu vertuschen. Du solltest von all dem auch nichts erfahren und es tut mir leid, dass du mit reingerutscht bist, obwohl du nichts dafür kannst. Dass du jetzt hinter Gittern sitzt, tut mir leid. Ich wünschte, dass ich es ändern könnte, aber das kann ich nicht. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn ich anstelle von dir dort drin sitzen würde, aber das wird niemals passieren, denn ich bin schon nicht mehr bei dir."

Ich kann auch nach diesen Worten nicht einschätzen, was sie mir sagen möchte. Jedoch spüre ich, wie mir einzelne Tränen nach und nach die Wange runter laufen und ich es nicht unterbinden kann. Mein Körper fängt augenblicklich an zu zittern und ich habe Angst, dass ich möglicherweise gleich irgendwas in den Körper geschossen bekomme, was dabei nicht mal so unmöglich ist.

"Ich habe in einem anderen Brief, bevor du diesen hier bekommen hast, meine Cousine und ihren Mann darum gebeten, nach meinem Tod der Polizei alles zu beichten. Alles, was wir beide getan haben und was wir noch getan hätten."

Scheiße! Diese verdammte Verräterin! Wie kann ich eine Frau wie sie nur geliebt haben? Sie lässt uns auffliegen, nachdem sie gestorben ist! Natürlich lässt sie das, immerhin bin ich nie so richtig der Mittelpunkt in ihrem Leben gewesen, sondern ausschließlich ihre Rache und das tut weh. Die Zeilen, die ich hier vor mir lese, bestehen nur aus Schmerz. Schmerz, der von der Liebe entstanden sind, als sie mir mein Herz aus der Brust gerissen hat.

"Ich wünschte, wir hätten unser Leben anders führen können und ich hätte uns nicht verraten müssen, mein Herz, aber es ist nötig gewesen. Was hätte ich denn machen sollen? Ich kann nicht von hier oben sehen, wie du weiteren Menschen weh tust, denn eigentlich wollte ich das nie, obwohl es immer so gewirkt hat, als wäre alles, was ich getan habe, freiwillig gewesen."

Wenn das alles von ihr nicht mehr freiwillig gewesen ist, warum hat sie mich nicht einfach verlassen? Werde ich das überhaupt erfahren? Vermutlich nicht, oder?

"Bestimmt fragst du dich, warum ich das alles hier jetzt ausplaudere. Wieso ich jetzt erst damit ankomme und das erkläre ich dir: Ich habe dich geliebt, Jessai. Es ist nicht einfach gewesen, dich zu lieben, denn du warst sehr besessen von deiner Rache. Von deinem Plan, wie du deine eigene Familie umbringen willst... Ich habe nie gelernt, damit umzugehen. Und als ich erfahren habe, dass du am liebsten meinen Cousinen etwas angetan hättest, musste ich mir etwas einfallen lassen, damit ihnen nichts passiert."

Soll das hier gerade bedeuten, dass sie das alles geplant hat? Dass sie mich nie richtig in meinen Taten unterstützt hat? Wie kann sie nur!

"Ich liebe meine Familie bis heute und nur für dich habe ich sie hintergangen, sie angelogen und sie ausspioniert... Nur damit wir glücklich zusammen leben können und ich weiß heute, dass ich einfach nur blind vor Liebe war. Du hättest mir sagen können, dass ich mich umbringen soll und ich hätte es sofort für dich getan, damit du nicht damit klarkommen musst, dass ich dir immer noch an der Backe hänge und dich nicht bei deinen Machenschaften störe."

So hat sie teilweise über uns gedacht? Scheiße, ich weiß nicht, was mehr weh tut. Dass sie nicht mehr da ist oder dass sie glaubt, sie müsse irgendetwas dafür tun, dass ich sie liebe. Ich verstehe diese Frau manchmal nicht und am liebsten würde ich sie gerade fragen, ob sie spinnt, dass sie solche Worte in den Mund nimmt, aber sie ist verdammt nochmal tot und ich kann sie nicht fragen! Ich wünschte, ich könnte es!

"Nimm es mir nicht übel, mein Herz. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn alles anders geworden wäre, aber so ist es nunmal. Ich kann es nicht mehr ändern und das ist okay so. In meinem Kopf ist der Krieg hiermit nun endlich besiegt und ich kann in Ruhe Abschied von dir nehmen. Nur wünsche ich mir gerade, dass ich es schon vorher getan hätte, als ich wusste, dass ich sterben werde und nur noch keinen genauen Tag hatte."
Ich kann nicht damit umgehen, dass sie einfach gewusst hat, dass sie sterben wird. Unaufhörlich laufen mir die Tränen runter und fallen auf das alte Papier. Die Tinte, mit der ihre Zeilen geschrieben sind, verschwimmen und lösen sich auf. Sie lösen sich wunderschön auf und ich erkenne ihre Lieblingsblume unter alledem.

"Vergiss mich bitte nicht, denn ich werde dich niemals vergessen. In the middle of the night, ich liebe dich.

-Deine Ainara."

Mr. Wallace | 16+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt