A.C.
Ich atme durch, als ich mich in meiner Wohnung auf mein Bett sinken lasse. Die Information, dass meine Schwester aktuell ins Lebensgefahr schwebt macht mich verrückt, denn wenn sie es nicht überlebt, dann habe ich mich nicht verabschieden können. Sie ist vielleicht für immer weg und ich habe bereits jahrelang ohne sie gelebt. Dann muss ich weiterhin ohne sie leben, jedoch mit dem absoluten Wissen, dass sie tot ist.
»Darling?«, höre ich die Stimme meines Mannes, die aus dem Flur kommt. Ich möchte ungern mit ihm reden und ihm unter die Augen treten, denn ich sehe aus, als hätte ich drei Tage lang durchgeheult. Ich sehe einfach unglaublich hässlich aus und will nicht, dass er mich so sieht.
Die Tür geht auf und ich sehe meinem Mann entgegen. Seine Augen liegen auf mir und er sieht dann auf meine Arme. Der Schmerz, der sich in seinen Augen spiegelt, sticht mir durchs Herz und ich atme tief durch.
»Meinst du, wir können gemeinsam dagegen etwas... tun?«, fragt er mich vorsichtig und bewusst, denn offensichtlich meint er wirklich die Narben an meinem Arm.
»Ich möchte nicht ,dass du dir etwas antust... Ich kann dich nicht verlieren, Darling.« Seine Worte lösen etwas in mir aus, doch ich weiß nicht was.
Es ist schwer damit umzugehen, genauso wie seine Hilfe anzunehmen, denn ich habe sie gar nicht verdient. Ich bin viel zu sensibel für ihn, eigentlich hätte er mich längst austauschen müssen, mich mit einer anderen Frau betrügen müssen. Irgendwas, was mir schadet. Ich habe es ganz einfach und strikt verdient.
»Darling, wie kann ich dir helfen?«, fragt er, während er auf mich zukommt. Er hockt sich vor dem Bett und vor mich hin und sieht zu mir hoch. Seine Hand legt er behutsam auf meinen Oberschenkel und streicht leicht darüber.
»Ich weiß, dass du keine Hilfe möchtest, aber ich kann nicht weiterhin dabei zusehen, wie du zerbrichst. Wie du dir wehtust, wie du dir selbst schadest. Keiner, und schon gar nicht du, hat verdient, so kaputt gemacht zu werden, um sich dann selbst zu verletzen. Außer die Personen, die genau das tun.« Seine Stimme wird immer ruhiger, verletzlicher und dennoch rauer. Ich habe Angst vor ihm, wenn er so wird, doch ich kann es ihm nicht mitteilen.
Mich freut es, wenn er sich mir öffnet, wenn er mir offenbart, wie er fühlt, denn auch das ist nicht selbstverständlich. Er hat sich eine ganz lange Weile immer vor mir verschlossen, weil ich ihm damals noch gesagt habe, dass ich Angst bei seinen Reaktionen auf bestimmte Dinge habe. Deswegen habe ich damit angefangen, es einfach zu ignorieren und die Angst hinzunehmen.
Offensichtlich funktioniert es auch, denn mittlerweile bekomme ich nicht ganz so schnell Angst wie früher. Und auch nicht so doll wie früher. Denn wäre das, dann würde er es ab und zu mitbekommen. Mein Mann ist immerhin nicht dumm und kann gut einschätzen wie der Mensch ihm gegenüber fühlt. Wie er das macht, kann ich mir bis heute nicht erklären und es macht mich traurig, dass ich teilweise so unwissend bin. Es macht mich irgendwo auch fertig, denn ich hasse es. Ich hasse so viele Dinge in meinem Leben, die ich so schlecht beschreiben kann, da sie einfach viel zu kompliziert sind.
Die Frage von ihm, ob er mir helfen kann, ist so gut wie unnötig, denn niemand kann mir helfen und das habe ich schon oft genug versucht klarzumachen. Dass er es nicht einsieht, oder eher gesagt nicht einsehen möchte, kann ich verstehen, aber es ist auch nicht gut, wenn er es immer wieder versucht.
Ich möchte ehrlich mit ihm sein. Ihm sagen, dass ich einfach nicht mehr kann und am liebsten einfach sterben würde, so wie meine Cousine es damals gemacht hat, jedoch kann ich es ihm einfach nicht antun, dass es ihm dann schlecht geht.
Dieser Mann hat so viel mehr verdient als das, was ich ihm aktuell bieten kann. Und das ist so gut wie gar nichts, denn ich bin zu nichts mehr in der Lage. Ich kann nicht einmal mehr vernünftig arbeiten und muss statt Vollzeit, so wie ich es gerne hätte, einen Teilzeitjob nehmen.
Ich vermisse die Arbeit sehr, nur weiß ich, dass ich es psychisch nicht schaffen würde, wenn ich mich komplett reinsteigern würde. Denn Schmerz mit Arbeit zu verarbeiten ist keine gute Idee. Das sieht man aktuell bei Killian, der sich 10 Jahre am Stück komplett in seine Arbeit geschmissen hat und jetzt nicht weiß, wie er mich sich selbst umgehen soll. Sein Bruder Kyle hingegen hat sich genug Zeit gelassen, um in die Firma reinzukommen. Um alles zu managen, so wie er mittlerweile tut. Kyle hat gelernt, seinen großen Bruder zu unterstützen, wo immer es auch geht. Selbst wenn es damals Situationen mit Reyna gegeben hat, in denen Killian nicht damit klargekommen ist, dann hat Kyle ihm geholfen und das liebe ich so sehr an ihrem Verhältnis.
Sobald einer Probleme hat, hilft der andere. Sie werden vermutlich niemals damit aufhören und das sollen sie auch nicht, denn die Zwei wissen ganz genau, was für sie richtig ist.
»Anouk?«, höre ich erneut die Stimme meines Mannes, die mich aus meinen Gedanken reißt. Ich blicke in die sturmgrauen Augen meines Mannes und muss mir eingestehen, dass ich nicht weiß, wie ich mich schon wieder selbst so abgelenken konnte.
»Ist alles okay, Darling?«, fragt er mich, worauf ich meinen Kopf schüttle, denn genau das ist es nicht. Innerlich schmerzt alles und ich habe das Gefühl, dass ich von innen verbrenne. Mir kommt alles so vor, als würde ich in ein ewig tiefes Loch gezogen werden, das mich auffrisst. Schon wieder.
»Habe ich dir eigentlich schonmal gesagt, dass du wunderschön bist?«, fragt er mich, wodurch ich lächeln muss. Auch er beginnt zu lächeln und setzt sich neben mich. Er zieht mich in seine Arme, wodurch ich mich an seine warme Brust lehne, um die letzten Stunden einfach zu vergessen. Auf seine Worte jedoch kann ich nicht antworten, denn ich konnte Komplimente noch nie wirklich annehmen. Vor allem von meinem Mann nicht.
»Ich weiß, dass dir die Situation mit deiner Schwester nicht leicht fällt, Darling.« Diesmal nicke ich nur, denn richtige Worte dafür zu finden, ist schwierig.
»Habe ich dir schon gesagt, dass deine Cousine schwanger ist?« Was? Wie Ainara ist schwanger?
»Ainara ist schwanger? Wie jetzt? Wieso weißt du davon und ich nicht?«, frage ich ihn und sehe ihm in die Augen. Er hat ein Schmunzeln auf den Lippen und ich greife zu meinem Handy. Habe ich vielleicht einfach ihre Nachricht noch nicht gelesen oder woran liegt es, dass ich absolut keine Ahnung davon habe, dass meine Cousine schwanger ist?
»Du hast seit einer Woche dein Handy bei mir auf der Arbeit liegen gelassen, deswegen habe ich es dir heute Nacht, als ich von der Arbeit gekommen bin, mitgebracht. Dein Handy ist seitdem aus und ja, genau deswegen weißt du es nicht.« Schuldbewusst lächle ich, denn ich bin ihm dankbar, dass er immer daran denkt, dass ich nichts vergesse. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn wäre und wie viel ich einfach vergessen und somit verloren hätte. Wäre mein Kopf nicht angewachsen, würde ich ihn wohl auch vergessen. Aber das ist vermutlich nicht nur bei mir der Fall, sondern auch bei ganz vielen anderen, die ich kenne.
»Seit wann haben wir, oder du, die Info, dass sie schwanger ist?« Immerhin kann es ja sein, dass sie bereits ein paar Monate schwanger ist und die Risiko Monate abgewartet hat, um jedem Bescheid zu geben. Nur wie habe ich es dann nicht mitbekommen? Ihr Körper muss sich doch extrem verändert haben, und zudem trägt sie doch nur enge Kleidung ... oder doch nicht mehr? Ich habe es einfach nicht mehr im Kopf und ich finde, dass es völlig in Ordnung ist, wenn sie sich wohl fühlt. Nur leider weiß ich, dass ihre Familie das nicht so leicht sieht. Wenn es nach ihrer Familie geht, dann müsste sie die ganze Zeit nur enge Kleidung tragen, auch wenn sie hochschwanger ist, denn sie muss ja elegant aussehen und den Reichtum ihrer Familie repräsentieren.
»Sie weiß es schon seit ein paar Monaten. Sie hat die Risikozeit abgewartet und ich habe es bereits vor 3 Wochen erfahren«, beichtet mir mein Mann, wobei sich Fragen bei mir aufstellen.
»Bevor du fragst: Eigentlich wollten wir dich damit überraschen, aber du warst so beschäftigt, dass wir keinen passenden Moment dafür gefunden haben, Darling.« Verständnisvoll nicke ich und lasse mich komplett von meinem Mann in den Arm nehmen.
Ich verstehe ihr Handeln, jedoch finde ich es schade, dass ich es jetzt erst erfahre, obwohl mein Mann schon vorher davon wusste. Allerdings bereue ich es, dass ich die letzten Wochen alle abgewiesen habe, denn das hat keiner von ihnen verdient. Und schon gar nicht meine Familie. Ich hätte immerhin so viel für sie tun können und auch für mich selbst.
Die Verarbeitung der letzten Jahre erscheint mir jedoch schwer, weshalb ich mich einfach zurückziehen wollte und es auch getan habe. Mir geht es zwar psychisch nicht so viel besser, aber körperlich läuft es eigentlich wieder ganz okay. Es fehlt nicht mehr ganz so viel und dann kann ich mich wieder meiner Lieblingstätigkeit, dem Schreiben, widmen.
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Mr. Wallace | 16+
Romance𝘢𝘣𝘨𝘦𝘴𝘤𝘩𝘭𝘰𝘴𝘴𝘦𝘯 𝐊𝐢𝐥𝐥𝐢𝐚𝐧 𝐮𝐧𝐝 𝐀.𝐂. | 𝐚 𝐰𝐨𝐫𝐤𝐩𝐥𝐚𝐜𝐞 𝐫𝐨𝐦𝐚𝐧𝐜𝐞 »Spielen wir ein Spiel, Wallace.« Ihre Worte hallen in meinem Kopf. Was für ein Spiel möchte sie mit mir spielen? Bin ich bereit dafür? Wenn ich wüsste, w...