𝐊𝐀𝐏𝐈𝐓𝐄𝐋 𝟏𝟗

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KILLIAN
3 Monate später...

Die letzten Monate waren wirklich nicht ohne. Ich weiß nicht, wie ich beschreiben soll, was alles passiert ist, ohne Hass von meiner Therapeutin zu kassieren. Würde heute irgendwer hier vor mir sitzen, der mich kennt, der würde mir wohl mies ein paar Ohrfeigen verpassen.

Dabei muss ich aber zugeben, dass ich diese durchaus verdient habe, denn ich habe mir das alles selber eingebrockt. Nur weiß ich nicht mehr, wie das alles passiert ist. Den Großteil kann ich nicht mal rückgängig machen und ich muss damit leben.

»Mr. Wallace... Wie fühlen Sie sich?«, fragt mich meine Therapeutin und ich sehe nur zu ihr, denn ich glaube nicht, dass ich ehrlich auf diese Frage antworten werde, auch wenn ich es definitiv tun muss.

»Ich denke, es geht mir gar nicht so gut, wie ich es am liebsten hätte«, offenbare ich ihr, wodurch ich ein mitleidiges Lächeln geschenkt bekomme.

»Das kann ich verstehen, Mr. Wallace. Nur Ihnen muss bewusst sein, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, um Ihre psychischen Probleme unter Kontrolle zu bekommen, wenn Sie nicht wollen, dass Sie in eine Psychiatrie eingewiesen werden.« Ihre Worte treffen mich unbewusst, doch bewusst weiß ich, dass ich es nicht ohne die Psychiatrie schaffen werde. Es allerdings offen zuzugeben fällt mir irgendwie schwer und in mir sitzt die Angst, dass es mir nicht weiterhelfen wird.

»Sir, Sie wissen, dass Sie mit mir offen reden können?«, fragt sie, und ich nicke stumm. Natürlich weiß ich das, jedoch habe ich in den 2 ½ Monaten, in denen ich bereits bei ihr bin, noch nicht ganz gelernt, wie ich mit mir selbst umgehen kann und dementsprechend auch nicht mit solchen Worten.

»Ma'am... Ich glaube, mir wird die Psychiatrie am meisten helfen. Ich merke selber, dass die Therapie nur indirekt hilft und auch nur minimal. Ich spüre zwar Veränderungen, aber sie helfen mir im Alltag so gut wie gar nicht. Ich schaffe es nicht mehr aus meiner eigenen Hölle raus und brauche dringend psychologische Hilfe.« Nun ist es getan und ich hoffe, dass wir sofort einen Platz für mich finden, denn ich kann das alles nicht mehr. Ich möchte einfach nicht mehr leben und ich wünsche mir insgeheim selbst den Tod.

»Sind Sie sich sicher, Mr. Wallace? Sie haben Familie und erwarten ein Kind, das ist Ihnen bewusst?«, fragt sie mich völlig schockiert und ihre Worte machen mich wütend. Sie kennt die Umstände meiner "Familie" nicht.

Das, was ich früher als Familie bezeichnet habe, ist heute nichts mehr als einzige Hölle, denn mein Bruder hat viel zu viele Dinge getan, die ich ihm nicht mehr verzeihen kann.

Fast wäre alles gut gelaufen und fast hätte ich mein Happy-End gehabt, aber nein! Kyle Wallace hat dafür gesorgt, dass ich Reyna ein zweites Mal verloren habe. Dieser verdammte Wichser hat dafür gesorgt, dass Reyna ein weiteres Kind erwartet.

Ich hätte damals auf Ainara hören müssen, als sie mir gesagt hat, dass Reyna auch mit Kyle geschlafen hat. Mir hätte auch einfach bewusst sein müssen, dass mich die beiden bis aufs letzte Stück in meinem Leben belogen haben. Dass Dylan gar nicht mein Sohn ist, sondern der von Kyle und dass Anouk nichts davon gewusst hat.

Die beiden haben mich nicht nur belogen und betrogen, sondern auch Anouk und sie tut mir am meisten leid. Sie hat alles für meinen Bruder getan und wäre vermutlich auch für ihn gestorben, wenn mein Bruder sie gebeten hätte, sich für ihn vor eine Kugel zu werfen.

Ich wünschte, ich könnte etwas dafür tun, dass es ihr besser geht. Dass sie nicht so kaputt ist, wie ich es bin und dass sie lernt, meinen Bruder hinter sich zu lassen. Immerhin hat sie nie etwas mit alledem zu tun gehabt und soll es jetzt auch nicht.

»Es tut mir leid, Killian«, haucht Anouk an meine Stirn und drückt mich fest an sie. Meine Arme sind um sie geschlungen, als wenn ich sie nie wieder sehen werde.

Und das werde ich vermutlich auch nicht, denn ich spüre, dass sie alles, was sie hat, aktuell verkauft, verschenkt oder was auch immer damit macht, damit sie alles aus ihrem aktuellen Leben verschwinden lassen kann. Ich weiß nicht, wofür das gut sein soll oder warum sie das macht, denn eigentlich hat sie das gar nicht nötig.

Meine Angst ist, dass sie sich das Leben nehmen wird, wenn niemand auf sie aufpasst. Nur zu gerne hätte ich ihr gezeigt, wie es sich anfühlt, richtig geliebt zu werden, allerdings habe ich diese Möglichkeit dazu einfach nicht, denn es funktioniert einfach nicht.

»Bitte hör auf dich zu entschuldigen. Wir beide müssen uns für nichts entschuldigen, was wir getan haben...« In meiner Stimme schwingt Spott mit, jedoch ist dieser nur meinem Bruder und seiner jetzigen Frau gewidmet. Dass er sie heiratet... damit hätte ich niemals gerechnet und ich hätte auch niemals damit gerechnet, dass dieser Mann dazu fähig sein wird, mir die ganze Firma zu stehlen, mich in den tiefen Abgrund meiner eigenen Hölle zurückzuwerfen und sich dann die Frau an die Seite holt, die zuvor niemals Interesse an ihm gezeigt hat.

»Nein... Nein, einfach nein, Killian. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Kyle so etwas abzieht und schon gar nicht, dass er Reyna schwängert und auch am selben Abend noch mich...« Ihre Worte donnern in meinem Kopf herum, obwohl sie diese gerade erst ausgesprochen hat.

Ich möchte nicht damit konfrontiert werden, dass mein Bruder gleich zwei Frauen geschwängert hat. Eine würde ihn wohl mehrfach betrügen, während die andere für ihn sterben würde. Ich finde es krass und kann es auch nicht ganz verarbeiten und das möchte ich irgendwie auch nicht.

»Mr. Wallace«, ertönt die Stimme meiner Therapeutin, wodurch ich aufsehe und genau in die Augen von ihr sehe. »Kommen Sie nun bitte mit. Es wird Zeit dafür, dass Sie Abschied nehmen.«, sagt sie und augenblicklich sehe ich zu Anouk.

Ich möchte noch nicht Abschied nehmen, denn dafür bin ich einfach noch nicht bereit. Wie auch? Ich habe sie doch gerade erst wieder für mich gewonnen und jetzt muss ich sie schon gehen lassen? Das kann ich nicht und das möchte ich eigentlich auch nicht, aber ich muss und das ist irgendwo doch okay.

»Vergiss nicht, dass ich immer für dich da sein werde, Killian. Egal zu welcher Zeit und an welchem Ort, ich werde bei dir sein, verstehst du?« Meine Befürchtungen werden wahr, oder? Ich will nicht, dass sie mich alleine lässt, denn das ist nicht richtig. Sie zu verlieren wäre für mich der absolute Albtraum.

»Killian, ich weiß, woran du jetzt denkst und ich kann deinen Gedankengang verstehen, aber ich versichere dir, dass es nicht so sein wird. Das habe ich gerade nur so gesagt, damit du dir sicher sein kannst, dass ich rund um die Uhr für dich da sein werde, ja? Ich möchte einfach nicht riskieren, dass wir uns beide jemals wieder so mies fühlen müssen, wie wir es all die Jahre getan haben, während wir nicht gewusst haben, was auf uns zukommt...«

Ich möchte eigentlich nicht, dass sie weiterredet. Denn umso mehr ihre Worte zu mir dringen, umso mehr wird mir klar, dass sich alles dem Ende zudreht und ich das alles einfach nicht mehr kann. Wie auch? Mein Leben macht so schon keinen Sinn mehr und das wird es auch in Zukunft nicht.

Anouk möchte mir einfach nur die Angst nehmen, dass sie sich etwas antut, aber ich weiß, dass sie es tun wird. Sie ist schließlich sehr zerbrechlich. Ich kann jedoch nicht für sie da sein, da ich mich selbst dafür entschieden habe, mir Hilfe bei jemandem zu suchen, den ich so an sich nicht kenne und das würde ich ihr am liebsten auch raten. Das Problem hierbei ist nur, dass Anouk sich niemals einfach einer fremden Person anvertrauen würde. Aber das ist legitim, dafür kann sie schließlich nur indirekt etwas und es ist in Ordnung, nicht jedem zu vertrauen, dem man begegnet.

»Ich liebe dich, Killian. Ich verspreche dir, dass ich dich bis an mein Lebensende in meinem Herzen behalten werde und dass wir uns in ein paar Jahren wiedersehen. Für mich ist es nun allerdings an der Zeit, dass ich alles, was passiert ist, verarbeite, damit ich heilen kann. Genauso wie du heilen wirst, indem du dir helfen lässt. Ich werde jeder Zeit für dich erreichbar sein.«

Mr. Wallace | 16+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt