Die Wochen im Schloss vergingen schneller, als Elena es je für möglich gehalten hätte. Ihre Aufgaben als Zofe der Königin hatten sie an den glanzvollen Alltag des Hofes gewöhnt, doch unter der Oberfläche gärten unausgesprochene Gefühle. Zwischen Isabella und ihr hatte sich etwas verändert. Seit jener Nacht, als Elena ihre Berührung abrupt beendet hatte, war eine unsichtbare Spannung zwischen ihnen.
Eines Tages wurde das ruhige Gleichgewicht des Hofes durch die Ankunft einer neuen Persönlichkeit erschüttert: Gräfin Valeria von Montclair, eine wohlhabende und einflussreiche Adelige, die Isabella selbst eingeladen hatte. Schon bei ihrer Ankunft strahlte Valeria eine Aura aus, die jeden in ihrer Nähe sofort in ihren Bann zog. Ihr schwarzes Haar fiel in weichen Wellen über ihre Schultern, und ihre Augen funkelten, als könnte sie die geheimsten Gedanken der Menschen lesen.
Als sie die prächtigen Hallen des Schlosses betrat, bemerkte Elena sofort die Art, wie Valeria sie ansah – mit einem intensiven, neugierigen Blick, der sie für einen Moment aus dem Konzept brachte. Die Gräfin war charmant, eloquent und schien jeden Raum, den sie betrat, mit Leichtigkeit zu beherrschen. Während sie Isabella begrüßte, wanderte ihr Blick immer wieder zu Elena, als wäre sie die eigentliche Person, die ihre Aufmerksamkeit erregte.
„Das ist meine Zofe, Elena,“ stellte Isabella sie schließlich vor, ohne die leiseste Spur von Emotion in ihrer Stimme.
„Eine Zofe, die solch eine beeindruckende Schönheit besitzt, ist selten,“ sagte Valeria mit einem verführerischen Lächeln, während sie Elena die Hand reichte. „Freut mich, dich kennenzulernen.“
Elena konnte nicht anders, als leicht zu erröten. Es war nicht nur die Art, wie Valeria sie ansah – wie eine Beute, die sie langsam, aber sicher umgarnen wollte – sondern auch die Tatsache, dass sie sich unter der prüfenden, fast kühlen Beobachtung der Königin befand. Isabella ließ sich ihre Gefühle nicht anmerken, aber Elena konnte spüren, dass etwas an der Situation sie störte.
Die kommenden Tage verbrachte die Gräfin viel Zeit am Hofe und suchte immer wieder die Nähe von Elena. Bei jedem Fest, bei jedem Bankett war es Valeria, die sich neben Elena setzte und ihr leise Komplimente machte oder tiefere Gespräche über das Leben führte. Ihre Worte waren stets geschickt gewählt, und es war, als ob sie Elena Stück für Stück in ihren Bann zog. Die Königin war oft in der Nähe, aber sie sagte nichts, obwohl Elena merkte, dass Isabella die aufblühende Verbindung beobachtete.
Eines Abends, während eines festlichen Balls zu Ehren der Gräfin, spitzte sich die Situation zu. Isabella saß, wie immer, auf ihrem Thron, während Elena mit Valeria tanzte. Die Gräfin zog Elena nahe an sich, ihr Blick glitzerte vor Spaß und einem Hauch von Verlangen. Elena, die noch immer ihre Verpflichtungen gegenüber der Königin im Kopf hatte, versuchte, höflich auf Abstand zu bleiben, doch Valeria ließ nicht locker.
„Es gibt so viel mehr im Leben, als nur Befehle zu befolgen, Elena,“ flüsterte Valeria ihr ins Ohr, während sie sich im Takt der Musik bewegten. „Du bist etwas Besonderes, und das weißt du.“
Elena spürte, wie ihre Haut unter Valerias Berührung kribbelte, doch gleichzeitig fühlte sie sich unwohl. Ihr Blick wanderte zur Königin, die sie scharf beobachtete. Isabella war umgeben von Beratern und Adligen, doch ihre Augen waren einzig und allein auf die Tanzenden gerichtet. Da war keine sichtbare Eifersucht, aber Elena spürte das brodelnde Unbehagen in der Luft.
Die Feierlichkeiten zogen sich hin, und Elena fühlte sich zunehmend zerrissen zwischen Valerias Charme und Isabellas stiller Gegenwart. Gegen Ende des Abends, als die Musik leiser wurde und die Gäste sich zurückzogen, trat Valeria näher an Elena heran, als sie sich verabschiedete.
„Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder,“ flüsterte die Gräfin, und ihre Finger strichen leicht über Elenas Arm. „Und vielleicht hast du dann etwas Zeit nur für mich.“
Elena brachte ein schwaches Lächeln zustande, doch innerlich war sie verwirrt. Die Gräfin spielte mit ihr, das wusste sie, und trotzdem fühlte sie sich geschmeichelt. Aber etwas an dieser Situation fühlte sich falsch an. Sie konnte Isabellas Blick auf ihrem Rücken spüren, als sie sich verabschiedete.
Am nächsten Morgen, als Elena die Gemächer der Königin betrat, war die Atmosphäre zwischen ihnen angespannt. Isabella saß an ihrem Schreibtisch und sah auf, als Elena eintrat. Ihre Augen schienen kühler als sonst.
„Hast du gestern den Abend genossen?“ fragte Isabella scheinbar beiläufig.
Elena zögerte kurz. „Ja, Majestät. Es war... ein interessanter Abend.“
„Interessant.“ Isabella stand auf und trat näher zu ihr. „Die Gräfin scheint sehr an dir interessiert zu sein.“
Elenas Herz schlug schneller, als Isabella vor ihr stehen blieb. Die Spannung zwischen ihnen war fast greifbar. „Ich... sie ist sehr freundlich.“
Isabella legte eine Hand an Elenas Wange, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. „Sei vorsichtig, Elena,“ sagte sie leise, ihre Stimme war eine Mischung aus Warnung und einem Gefühl, das Elena nicht ganz deuten konnte. „Nicht jeder, der dir schmeichelt, meint es ehrlich.“
Elenas Blick suchte Isabellas Augen, und für einen kurzen Moment war alles andere vergessen. Sie spürte die Wärme von Isabellas Hand auf ihrer Haut und konnte den Hauch von Zuneigung in den kühlen Worten der Königin erahnen. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, trat Isabella zurück, und die distanzierte Fassade der Herrscherin kehrte zurück.
„Geh jetzt. Wir werden heute viel Arbeit haben.“