Nachdem der letzte Vorfall rund um Valerias Rückkehr und die damit verbundenen Intrigen abgeklungen war, herrschte für kurze Zeit scheinbare Ruhe im Schloss. Doch diese Ruhe sollte nicht von Dauer sein. Kurz nach dem Gespräch zwischen Elena und Isabella, bei dem die Königin ihre starke Zuneigung zu ihrer Zofe gezeigt hatte, trat ein weiterer Diener in den Raum. Sein Gesicht war bleich, und er schien sichtlich nervös, als er vor der Königin kniete.
„Hoheit,“ begann er, „ich bringe dringende Nachrichten.“
Isabella hob eine Augenbraue und sah von Elena, die an ihrer Seite stand, zum Diener. „Was ist es? Sprich!“
„Es gab … es gibt Hinweise darauf, dass ein Spion sich in das Schloss eingeschlichen hat. Es wird gemunkelt, dass jemand versucht, Informationen über Eure diplomatischen Pläne an einen feindlichen Adeligen zu übermitteln.“ Der Diener schluckte schwer, bevor er weitersprach. „Es gibt Verdächtigungen, die auf Lady Elena fallen, Hoheit.“
Elena erstarrte. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter, als sie diese Worte hörte. Sie spürte Isabellas Augen auf sich gerichtet, doch sie wagte es nicht, aufzublicken.
„Das ist unmöglich,“ sagte Isabella leise, aber bestimmt. Ihre Augen verengten sich gefährlich, und die Atmosphäre im Raum wurde von einem Moment auf den anderen eisig.
„Wer wagt es, solche falschen Anschuldigungen zu erheben?“ fragte Isabella scharf.
„Es sind Valeria und einige ihrer Verbündeten, Hoheit. Sie behaupten, Lady Elena hätte sich mehrfach mit unbekannten Personen getroffen, und es gibt Berichte über geheime Nachrichten, die in ihrem Besitz gefunden wurden.“
Elena wollte protestieren, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Sie fühlte sich verraten, verletzt und vor allem verunsichert. Warum Valeria das tat, war offensichtlich – sie wollte Elena aus dem Weg räumen. Doch wer waren ihre Verbündeten? Wer sonst hatte Interesse daran, Elenas Platz im Leben der Königin zu schwächen?
„Das sind schwerwiegende Anschuldigungen,“ sagte Isabella, ihre Stimme kühl und gefasst. „Bring die Verantwortlichen sofort vor meinen Thron. Ich will, dass diese Sache lückenlos aufgeklärt wird.“
Der Diener verneigte sich tief und verließ den Raum. Isabella drehte sich zu Elena, deren Gesicht vor Sorge blass war. „Du musst keine Angst haben,“ sagte Isabella sanft, während sie eine Hand auf Elenas Arm legte. „Ich weiß, dass du unschuldig bist. Aber wir müssen vorsichtig vorgehen. Der Adel wird keine Ruhe geben, bis jemand bestraft wurde. Sie suchen einen Sündenbock.“
Elena nickte langsam. Die Angst und Verwirrung, die in ihr tobte, war kaum in Worte zu fassen. Sie hatte immer gehofft, dass sie einen Platz an Isabellas Seite finden würde – als Freundin, als Vertraute, vielleicht sogar als mehr. Doch nun war alles auf Messers Schneide. Würde sie ihre Position verlieren? Würde sie die Liebe der Königin verlieren, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte?
Die Versammlung der Adligen war angespannt, und die Blicke der Anwesenden waren auf Elena gerichtet, als sie vor den Rat trat. Valeria stand stolz und erhobenen Hauptes neben dem Ankläger, einem hochrangigen Lord, der seit langem gegen Isabella intrigierte. Die Anspannung im Raum war fast greifbar.
„Es gibt ernsthafte Beweise dafür, dass Lady Elena in geheime Machenschaften verwickelt ist,“ begann der Lord, während er einen versiegelten Brief auf den Tisch legte. „Dieser Brief wurde in ihren Gemächern gefunden. Er enthält Informationen über die nächste diplomatische Mission der Königin – und eine detaillierte Beschreibung von Truppenbewegungen, die dem Feind von unschätzbarem Wert wären.“
Elena schnappte nach Luft. „Das ist eine Lüge!“ rief sie. „Ich habe diesen Brief noch nie gesehen!“
„Und doch wurde er in deinem Zimmer gefunden,“ sagte Valeria mit einem falschen Lächeln. „Wir haben keine andere Wahl, als davon auszugehen, dass du nicht so loyal bist, wie du vorgibst.“
Isabella, die bisher stumm auf ihrem Thron gesessen hatte, lehnte sich vor. Ihre Augen funkelten vor Wut, aber auch vor Sorge. „Lady Elena hat mir immer treu gedient,“ sagte sie mit scharfer Stimme. „Ich werde diese Anschuldigungen nicht leichtfertig hinnehmen.“
„Mit allem Respekt, Eure Hoheit,“ sagte der Lord, „die Beweise sind erdrückend. Wenn Ihr diesen Fall nicht ernst nehmt, könnten Eure Feinde dies als Schwäche auslegen.“
Isabella schloss die Augen, als sie über die Worte des Lords nachdachte. Ihre Position war fragil, und sie wusste, dass sie nicht einfach die Augen vor dieser Situation verschließen konnte. Doch die Vorstellung, dass Elena, die Frau, der sie so nahe gekommen war, eine Verräterin sein könnte, war unerträglich.
Nach langen Diskussionen und hitzigen Wortwechseln wurde entschieden, dass Elena in den Kerker gebracht werden würde, bis die Sache vollständig aufgeklärt war. Es war eine diplomatische Lösung, die den Adeligen genug Genugtuung verschaffte, während Isabella Zeit gewinnen konnte, um die Wahrheit herauszufinden.
Elena wurde in Ketten gelegt und aus dem Saal geführt. Ihr Herz raste, und ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Sie spürte die Blicke der Anwesenden auf sich, spürte Valerias hämisches Grinsen in ihrem Nacken. Doch als sie den Raum verließ, begegnete sie Isabellas Blick – ein Blick, der sie hoffen ließ. Ein Blick, der ihr sagte, dass Isabella nicht aufgegeben hatte.
Die Stunden im Kerker vergingen quälend langsam. Elena saß auf dem kalten Steinboden und dachte über die letzten Tage nach. Was war schiefgelaufen? Wer hatte ihr das angetan? Und warum?
Plötzlich hörte sie Schritte auf dem Gang. Eine Gestalt näherte sich ihrer Zelle – es war Isabella. Die Königin sah blass und erschöpft aus, aber ihre Augen strahlten Entschlossenheit aus.
„Elena,“ sagte sie leise, als sie sich der Zelle näherte. „Ich habe die Untersuchung in die Wege geleitet. Ich werde herausfinden, wer dir das angetan hat.“
Elena konnte die Tränen nicht zurückhalten. „Ich habe nichts getan, Isabella,“ flüsterte sie. „Ich würde dir niemals schaden.“
Isabella nickte, ihre Augen voller Mitgefühl und Zärtlichkeit. „Ich weiß. Vertraue mir. Wir werden das durchstehen.“
Während Isabella alles daran setzte, die Wahrheit ans Licht zu bringen, wurden weitere Ermittlungen angestellt. Die Ränke im Schloss spitzten sich zu, und die Feinde von Isabella nutzten die Gelegenheit, um ihre Macht zu demonstrieren.
Doch dann, eines Nachts, als Isabella in ihrem Gemach saß und die Beweise durchging, stieß sie auf einen entscheidenden Hinweis – ein verborgenes Zeichen, das auf den wahren Verräter hinwies. Es war ein kleines, unscheinbares Detail, das alle übersehen hatten. Die Spur führte zu einem der einflussreichsten Adligen im Schloss – einem Verbündeten Valerias.
Die Enthüllung dieser Information brachte Isabella Erleichterung, aber auch große Sorge. Sie wusste, dass sie vorsichtig vorgehen musste, um den wahren Verräter zu fassen, ohne ihre Position weiter zu schwächen.
Am nächsten Morgen wurde Elena freigelassen und vor den Thron der Königin gebracht. Isabella verkündete, dass es neue Beweise gab und dass Elena von allen Anschuldigungen freigesprochen war.
Die Anspannung im Saal war spürbar, als die Wahrheit langsam ans Licht kam. Doch während die Feinde der Königin in den Schatten zurückwichen, wusste Elena, dass die Gefahr noch nicht vorbei war. Valeria und ihre Verbündeten würden nicht so leicht aufgeben.
Als der Rat sich auflöste, trat Isabella zu Elena und flüsterte: „Wir haben gewonnen, aber der Krieg ist noch nicht vorbei. Bleib an meiner Seite, Elena.“
Elena nickte, ihre Augen voller Entschlossenheit. „Immer, meine Königin.“