Janina Minge saß in ihrem Hotelzimmer und starrte auf ihr Handy. Draußen ging die Sonne unter, tauchte den Himmel in ein warmes Rosa, das allmählich in ein tiefes Blau überging. Sie konnte das Lachen und die ausgelassene Stimmung der anderen Spielerinnen vom Gang her hören, die sich nach dem Training in der Lobby versammelt hatten, um gemeinsam zu essen. Normalerweise hätte Janina nicht gezögert, sich ihnen anzuschließen, aber heute war alles anders. Ihr Blick wanderte wieder auf ihr Handy – ein neuer Instagram-Post von Laura Freigang. Laura, mit ihrem strahlenden Lächeln und den leuchtenden Augen, die immer so schien, als hätte sie das Leben völlig im Griff.
Janina atmete tief durch und ließ sich zurück aufs Bett fallen. Laura Freigang, ihre Teamkollegin, ihre Freundin. Doch in letzter Zeit war etwas anders geworden. Etwas, das sie sich selbst noch nicht eingestehen wollte, und doch wusste sie tief in ihrem Inneren, dass es nicht mehr zu leugnen war. Sie hatte sich verliebt. Und zwar nicht einfach in irgendjemanden – nein, sie hatte sich in Laura verliebt.
Es fühlte sich seltsam und beängstigend an. Janina war nie wirklich jemand gewesen, der viel über ihre Gefühle sprach. Sie war immer die Ruhige, die, die ihre Emotionen für sich behielt und lieber auf dem Spielfeld glänzte. Doch diese Gefühle für Laura waren überwältigend. Immer, wenn sie in ihrer Nähe war, schlug ihr Herz schneller, ihre Hände wurden feucht und sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Laura war so... erfahren, so offen in ihrer Art. Sie war bereits seit Jahren offen lesbisch und machte keinen Hehl daraus. Sie flirtete, sie lachte und lebte ihr Leben in vollen Zügen. Janina hingegen fühlte sich wie ein unbeschriebenes Blatt, das plötzlich mit Farben überflutet wurde, die sie nicht verstand.
„Was ist bloß los mit mir?“, murmelte sie leise vor sich hin. Sie drehte sich auf die Seite und starrte auf ihr Handy. Der Gedanke, Laura zu schreiben und zu fragen, ob sie gemeinsam etwas unternehmen wollten, war verlockend, doch die Angst hielt sie zurück. Laura hatte schon Beziehungen gehabt, sie war erfahren, sie wusste, was sie wollte. Und Janina? Sie war neu in dieser Welt. Was, wenn Laura sie auslachte? Oder noch schlimmer – was, wenn Laura nichts für sie empfand?
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Ein paar Tage vergingen, und Janina versuchte, ihre Gefühle so gut es ging zu unterdrücken. Doch jedes Mal, wenn sie Laura sah, schien es nur schlimmer zu werden. Sie beobachtete sie beim Training, wie sie sich mit den anderen unterhielt, wie sie lachte. Es war dieser ansteckende, offene Ausdruck von Freiheit, der Janina verrückt machte.
Eines Abends, nach einem langen Spiel, beschloss das Team, zusammen in einer Bar zu feiern. Janina fühlte sich unwohl inmitten der lauten Musik und der vielen Menschen, aber sie wollte sich ablenken. Sie hatte gehofft, dass ein paar Drinks ihre Gedanken beruhigen würden. Doch dann kam Laura herein. Sie trug eine enge Jeans und ein lässiges T-Shirt, das ihre schlanke Figur betonte, und sie sah aus, als wäre sie der Mittelpunkt des Universums.
„Janina! Da bist du ja!“, rief Laura plötzlich und bahnte sich den Weg durch die Menge direkt auf sie zu. Ihr Lächeln brachte Janinas Herz sofort aus dem Takt.
„Hey“, antwortete sie schwach und versuchte, ihre Nervosität zu verbergen.
„Warum sitzt du hier so alleine?“ Laura setzte sich direkt neben sie und legte vertraulich eine Hand auf Janinas Knie. „Ist doch viel zu schade, oder?“
Janina konnte kaum atmen, geschweige denn einen klaren Gedanken fassen. Laura war so nah, und ihr Duft hüllte sie ein wie eine warme Decke.
„Ich... ich bin nicht so der Partymensch“, stammelte Janina schließlich und zwang sich zu einem Lächeln.
„Ach was, das glaube ich dir nicht. Du brauchst nur die richtige Gesellschaft.“ Laura grinste sie an, ihre Augen funkelten schelmisch.
Janinas Herz klopfte wie verrückt, aber sie schüttelte den Kopf. „Nein, wirklich. Ich... ich bin müde vom Spiel.“
Laura sah sie einen Moment lang prüfend an, dann schien ihr Ausdruck sanfter zu werden. „Verstehe.“ Sie nahm einen Schluck von ihrem Drink und lehnte sich zurück. „Weißt du, du kannst immer mit mir reden, wenn irgendwas ist.“
Janina nickte hastig, doch die Worte, die sie sagen wollte, blieben ihr im Hals stecken. Sie wollte ihr alles erzählen – über die verwirrenden Gefühle, die Angst, die sie verspürte. Doch stattdessen blieb sie stumm.
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Die Wochen vergingen, und Janina distanzierte sich immer mehr von Laura. Sie wusste nicht, wie sie mit diesen Gefühlen umgehen sollte, und das machte sie nur noch unsicherer. Laura schien es zu bemerken, doch sie fragte nie direkt nach. Janina vermied es, alleine mit ihr zu sein, und wenn sie doch mal redeten, war es nur oberflächlicher Smalltalk.
Dann kam der Tag, an dem Laura plötzlich begann, von einer anderen Frau zu sprechen. Eine neue Bekanntschaft, die sie in einer Bar getroffen hatte. Janinas Herz zog sich zusammen, als sie Lauras strahlendes Gesicht sah, als sie von der Frau erzählte. Eifersucht durchzuckte sie, gefolgt von einer tiefen Traurigkeit. Natürlich hatte Laura jemanden gefunden. Sie war wunderschön, selbstbewusst und erfahren. Warum sollte sie an jemanden wie Janina interessiert sein? Jemanden, der keine Ahnung hatte, wie man in dieser Welt der Gefühle und der Liebe navigierte?
Janina hielt es nicht mehr aus. Sie entschuldigte sich abrupt und verließ das Café, in dem sie gesessen hatten. Ihre Gedanken waren ein Wirrwarr aus Schmerz und Verwirrung. Sie wollte weg, so weit weg wie möglich.
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An diesem Abend lag Janina in ihrem Bett, die Tränen liefen über ihr Gesicht. Warum war alles so kompliziert? Sie hatte Laura so sehr in ihr Herz geschlossen, aber jetzt schien es, als würde sie sie an eine andere Frau verlieren, bevor sie überhaupt die Chance gehabt hätte, ihre Gefühle zu gestehen. Der Schmerz war fast unerträglich.
Es klopfte an der Tür.
Janina wischte sich hastig die Tränen weg und setzte sich auf. „Ja?“, fragte sie mit brüchiger Stimme.
Die Tür öffnete sich, und da stand Laura. Ihr Gesicht war ernst, fast besorgt.
„Was ist los mit dir?“, fragte sie leise und trat ein. „Du bist in letzter Zeit so... abwesend.“
Janina öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch die Worte blieben wieder stecken. Stattdessen kamen die Tränen erneut. Laura schloss die Tür hinter sich und setzte sich neben sie. Sie legte einen Arm um Janina, und es war, als würde ein Damm brechen.
„Es tut mir leid“, flüsterte Janina schließlich. „Ich... ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.“
Laura zog sie näher an sich und schwieg einen Moment. „Du musst mir nicht alles auf einmal erzählen“, sagte sie schließlich sanft. „Aber ich will dir helfen, wenn ich kann.“
Janina schluchzte leise und schüttelte den Kopf. „Es ist nicht so einfach. Du... du hast Erfahrung mit all dem. Du weißt, was du willst. Und ich... ich bin so verwirrt.“
Laura zog sich ein Stück zurück, um Janina in die Augen zu sehen. „Du redest von... Gefühlen?“
Janina nickte langsam, ihr Blick war voller Angst und Unsicherheit. „Ich... ich glaube, ich habe mich in dich verliebt, Laura. Aber ich habe so eine Angst. Du... du hast schon Beziehungen gehabt. Und ich... ich weiß nicht, was ich tun soll.“
Es herrschte eine lange Stille, in der Janina befürchtete, alles zerstört zu haben. Doch dann lächelte Laura, sanft und verständnisvoll.
„Janina, das ist okay. Wirklich. Dass du keine Erfahrung hast, ändert nichts daran, wie wertvoll deine Gefühle sind.“
„Aber was, wenn ich es vermassle?“, flüsterte Janina. „Was, wenn ich dir nicht das geben kann, was du verdienst?“
Laura schüttelte den Kopf und nahm ihre Hand. „Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, das zu fühlen. Das Einzige, was zählt, ist, dass du ehrlich bist – mit mir und mit dir selbst.“ Sie lächelte wieder und drückte sanft Janinas Hand. „Und du vermasselst nichts. Ich mag dich, Janina. Sehr sogar.“
Janina sah sie überrascht an, ihr Herz schien für einen Moment stillzustehen. „Wirklich?“
Laura nickte. „Wirklich. Ich war mir nicht sicher, ob du jemals darüber reden würdest. Aber ich bin froh, dass du es getan hast.“
In diesem Moment schien die Welt für Janina stillzustehen, als Laura sanft ihre Stirn an Janinas lehnte.