Die Nacht legte sich über die Straßen, und überall leuchteten Kürbislaternen in gespenstischem Orange. Halloween hatte eine besondere Atmosphäre, und Elisa Senß spürte das prickelnde Gefühl der Vorfreude, als sie den letzten Blick in den Spiegel warf. Sie trug ein Hexenkostüm – nichts zu Übertriebenes, aber genug, um den Halloween-Geist zu würdigen. Neben ihr auf dem Bett lagen noch ein paar Accessoires verstreut, die sie sich bis zum letzten Moment aufgehoben hatte.Es war das erste Halloween, das sie mit Stina Johannes verbringen würde. Sie hatten erst vor Kurzem angefangen, mehr Zeit miteinander zu verbringen, und obwohl es noch keine offiziellen Worte zwischen ihnen gegeben hatte, spürte Elisa, dass da etwas Besonderes war. Stina hatte diese Art von Lächeln, das Elisa jedes Mal aus der Fassung brachte – warm und doch irgendwie schelmisch. Es war das Lächeln, das sie überzeugt hatte, gemeinsam eine Halloween-Party bei Freunden zu besuchen.
Während Elisa sich noch um ihre Umhängekette bemühte, klingelte es an der Tür. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. Sie wusste, dass es Stina sein musste. Sie war nervös, aber auch aufgeregt, Stina in ihrem Kostüm zu sehen – sie hatten sich darauf geeinigt, sich gegenseitig zu überraschen.
Als Elisa die Tür öffnete, stockte ihr für einen Moment der Atem. Stina stand vor ihr, gekleidet in einem Vampir-Kostüm, komplett mit einem langen, schwarzen Mantel und einem Hauch von Kunstblut an den Lippen. Ihre Haare waren leicht zurückgebunden, und ihre Augen funkelten im Dämmerlicht des Hausflurs.
„Na, wie sehe ich aus?“ fragte Stina grinsend, während sie ihre Arme leicht ausbreitete, um das ganze Outfit zu präsentieren.
Elisa musste unwillkürlich lachen. „Beeindruckend! Der Vampir-Look steht dir wirklich gut. Aber irgendwie dachte ich mir, dass du etwas Dunkles tragen würdest.“
Stina zuckte mit den Schultern und trat ein. „Halloween ist die perfekte Gelegenheit, um mal etwas anderes zu probieren, oder? Außerdem...“, sie hielt inne und musterte Elisa von oben bis unten, „du siehst absolut umwerfend aus. Die Hexe hat ihren Zauberstab vergessen, aber ich denke, du brauchst ihn auch gar nicht.“
Elisa spürte, wie ihr Herz ein wenig schneller schlug. Sie war normalerweise nicht der Typ, der leicht verlegen wurde, aber Stina hatte eine Art, ihr das Gefühl zu geben, gleichzeitig sicher und aufgeregt zu sein. „Danke“, murmelte sie leise, „ich hab mir Mühe gegeben.“
Stina trat näher und griff nach Elisas Hand. „Bereit für einen unvergesslichen Abend?“
Elisa nickte und ließ sich von Stina zur Tür führen. Zusammen gingen sie durch die kühlen Straßen, wo Kinder in Kostümen von Tür zu Tür zogen und „Süßes oder Saures“ riefen. Die Stimmung war lebendig, und überall um sie herum sah man schaurige Dekorationen und spürte die Vorfreude auf die bevorstehende Party.
„Weißt du, Halloween war für mich nie etwas Besonderes“, sagte Elisa, als sie nebeneinander hergingen. „Ich war nie der größte Fan von Verkleidungen, und Partys habe ich auch nicht so oft besucht. Aber...“ Sie warf Stina einen schüchternen Blick zu. „Dieses Jahr fühlt sich irgendwie anders an.“
Stina blieb kurz stehen und sah Elisa an, während ein Lächeln über ihre Lippen huschte. „Ja? Vielleicht liegt es daran, dass du diesmal jemanden hast, mit dem du es teilst.“
Elisa spürte, wie ihre Wangen leicht erröteten, und sie sah schnell weg. „Vielleicht“, murmelte sie.
Stina ließ das Thema für den Moment fallen und zog Elisa sanft weiter. „Komm, wir dürfen nicht zu spät kommen. Ich hab gehört, die Party soll richtig gut sein.“
Als sie bei der Party ankamen, war der Lärm schon von Weitem zu hören. Die Musik dröhnte aus den Fenstern des Hauses, und das Lichtspiel im Garten war eine Mischung aus schaurigen Farben und flackernden Lichtern. Überall liefen Menschen in den unterschiedlichsten Kostümen herum – Zombies, Hexen, Geister und einige Kostüme, die Elisa nicht einmal identifizieren konnte.
Drinnen war die Stimmung ausgelassen. Es wurde gelacht, getanzt und es herrschte eine fröhliche, lockere Atmosphäre. Stina und Elisa mischten sich unter die Menge, doch es dauerte nicht lange, bis sie sich einen etwas ruhigeren Platz suchten, weg vom größten Trubel.
„Willst du etwas trinken?“ fragte Stina, während sie zu einem improvisierten Getränkestand deutete. „Ich könnte uns was holen.“
Elisa nickte dankbar und lehnte sich gegen eine Wand, während Stina sich in die Menge aufmachte. Sie sah sich um und lächelte. Es fühlte sich gut an, hier zu sein – in dieser ausgelassenen Atmosphäre, mit all diesen Menschen, aber vor allem mit Stina. Sie konnte nicht anders, als über die Tatsache nachzudenken, dass sie gerade das erste Mal bewusst ein „erstes Mal“ mit jemandem erlebte, das sich wichtig anfühlte. Halloween hatte für sie plötzlich eine völlig neue Bedeutung gewonnen.
Als Stina mit zwei Gläsern zurückkam, reichte sie eines Elisa und prostete ihr zu. „Auf unser erstes Halloween zusammen“, sagte sie und hob das Glas.
Elisa stieß lächelnd an. „Auf uns.“
Die beiden tranken einen Schluck und sahen sich an, als wäre in dem Moment nur sie beide in dem Raum. Die Geräusche und die Lichter der Party verschwammen um sie herum, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen.
Stina stellte ihr Glas ab und trat näher zu Elisa. „Ich weiß, wir haben nie wirklich darüber gesprochen, was das hier zwischen uns ist“, begann sie leise, und ihre Stimme klang plötzlich ernster. „Aber ich wollte, dass du weißt, dass ich es ernst meine. Es ist nicht nur ein Kostüm oder eine Party. Es ist... du. Du machst das alles besonders.“
Elisa spürte, wie ihr Herz wild klopfte, und sie hielt den Atem an. Es war, als hätte Stina genau das ausgesprochen, was sie selbst seit Tagen gefühlt, aber nicht in Worte fassen konnte. Sie stellte ihr Glas ab und trat näher an Stina heran. „Ich... ich fühle das Gleiche“, flüsterte sie. „Es ist nicht nur ein Kostüm, es ist nicht nur ein Abend. Es ist mehr.“
Stina lächelte, und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, legte sie sanft eine Hand auf Elisas Wange. Ihre Augen trafen sich, und für einen Moment war es, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Kein Halloween, keine Party, nur sie beide.
Und dann, ganz behutsam, schloss Stina den Abstand zwischen ihnen und drückte ihre Lippen sanft auf Elisas. Es war ein sanfter, unsicherer Kuss, aber einer, der all die unausgesprochenen Gefühle zwischen ihnen bestätigte. Elisa spürte, wie eine Welle von Wärme durch ihren Körper strömte, und sie erwiderte den Kuss, zögerlich, aber voller Emotionen.
Als sie sich schließlich voneinander lösten, sahen sie sich mit einem Lächeln an. Stina legte ihre Stirn an Elisas und flüsterte leise: „Ich freue mich schon auf viele weitere Halloweens mit dir.“
Elisa lächelte und drückte ihre Hand. „Und ich freue mich auf viele weitere erste Male mit dir.“