Lena hatte den Moment, als sie in den Operationssaal geschoben wurde, nicht wirklich wahrgenommen. Alles war verschwommen, die Stimmen der Ärzte und Krankenschwestern wirkten wie aus weiter Ferne, und dann war da nur noch Dunkelheit. Sie hatte sich gewünscht, dass sie für immer darin hätte verweilen können, ohne die Angst, die sie quälte. Doch als sie wieder zu sich kam, war es nicht die Ruhe, die sie erwartete.
Der erste Eindruck war das grelle Licht, das sie wie ein blendender Schlag traf. Ihre Augen kämpften gegen den Schein, und der Raum um sie herum kam langsam wieder in den Fokus. Es fühlte sich an, als ob jemand ihre Glieder mit Blei gefüllt hatte – schwer, lähmend. Der Schmerz durchzog ihren Körper, vor allem ihr Knie, das von der Operation zeugte. Doch was sie noch viel mehr erschreckte, war das Gefühl der Leere in ihrer Brust. Sie war wieder allein.
„Lena?“, hörte sie eine vertraute Stimme. Lea.
Lena drehte den Kopf, aber die Bewegung war schmerzhaft und sie konnte die Tränen, die sich in ihren Augen sammelten, nicht verbergen. Lea stand neben ihr, ihre Hände auf den Stuhl gestützt, die Augen ebenso besorgt wie immer, doch sie lächelte. Ein kleines, beruhigendes Lächeln, das wie ein Leuchtturm in Lenas Dunkelheit wirkte.
„Du bist wach. Alles ist gut“, sagte Lea, ihre Stimme ruhig, doch die Besorgnis, die sie versuchte zu verbergen, war deutlich zu spüren.
Lena wollte antworten, doch ihre Kehle war trocken, und der Schmerz im Knie ließ es schwer erscheinen, auch nur ein Wort zu sagen. Sie schluckte, versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die unaufhaltsam aufstiegen, und kämpfte gegen das Gefühl der Hilflosigkeit an, das sie überflutete.
„Es tut so weh“, flüsterte sie schließlich, als der Schmerz ihren Körper erneut durchzuckte. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch, aber Lea hörte sie, und in ihren Augen spiegelte sich die ganze Last der vergangenen Minuten.
„Ich weiß“, sagte Lea leise. „Aber du bist hier, Lena. Du bist sicher. Du schaffst das. Ich bin bei dir, immer.“
Lea griff nach ihrer Hand, ihre Fingerspitzen fanden die Lenas, und das warme Gefühl ihrer Berührung war wie ein Anker in der Sturmflut der Schmerzen und der Ängste, die Lena überfluteten. Die Welt schien sich weiter zu drehen, doch in diesem Moment war nur Lea da, ihre Freundin, die sie nicht losließ, auch wenn der Rest der Welt sich von ihr entfernte.
„Ich hab’s dir gesagt“, fuhr Lea fort, ihre Stimme jetzt fester, „du bist unglaublich stark. Du wirst stärker zurückkommen. Ich weiß das. Du wirst dich wieder auf den Platz stellen, und du wirst weitermachen. Ich werde dir helfen, immer.“
Lena schloss die Augen, als die Tränen nicht mehr zurückzuhalten waren. Sie hatte die Vorstellung, dass sie stark bleiben musste, dass sie nicht weinen durfte, aber jetzt, in diesem Moment, konnte sie nicht mehr. Alles, was sie fühlte, war die Überwältigung, der Schmerz und die tiefste Unsicherheit. Und Lea, die immer noch an ihrer Seite war, als der Fels in der Brandung.
„Ich hab solche Angst, Lea“, brachte sie hervor, und ihre Stimme war brüchig, so verletzlich, wie sie sich selten gezeigt hatte. „Was, wenn ich nie wieder spielen kann? Was, wenn alles vorbei ist?“
Lea zog ihre Hand nicht zurück. „Ich verstehe deine Angst, aber wir werden das gemeinsam durchstehen. Du wirst nicht allein sein, Lena. Du wirst es wieder schaffen. Und wenn du mal zweifelst, werde ich hier sein, um dich daran zu erinnern, wie stark du wirklich bist. Wir werden diesen Weg zusammen gehen.“
Lena atmete tief ein, doch der Druck in ihrer Brust ließ nicht nach. Es war noch so viel Ungewissheit. Die Zukunft schien eine Mauer zu sein, gegen die sie anrennen musste. Der Weg zurück auf den Platz, der Weg zurück in ihr Leben als Sportlerin, als jemand, der immer kämpfte – er war jetzt so weit entfernt.
„Ich kann es kaum erwarten, wieder auf dem Platz zu stehen“, sagte sie nach einer Weile, ihre Stimme jetzt wieder etwas fester. Doch sie wusste nicht, ob sie es wirklich konnte, ob sie es je wieder schaffen würde.
„Du wirst es, Lena. Ich glaube an dich. Und du solltest es auch tun. Das ist erst der Anfang, okay?“
Lena nickte, obwohl die Zweifel in ihrem Inneren wie ein Sturm tobten. Aber Lea war da. Sie hatte sie noch nie so gebraucht wie jetzt, und die Tatsache, dass ihre Freundin, ihre Weggefährtin, immer noch an ihrer Seite war, half ihr, einen Funken Hoffnung zu bewahren.
„Danke, dass du hier bist“, flüsterte Lena. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.“
Lea strich sanft über ihre Hand. „Du musst dich nie fragen, Lena. Ich bin immer da, egal, was passiert. Wir sind ein Team.“
Die Stunden vergingen, und Lena fühlte sich müde, ausgelaugt und schwach. Doch als sie schließlich die Augen schloss, war es mit dem Gefühl, dass sie vielleicht nicht alles verloren hatte. Dass sie, solange Lea bei ihr war, noch einen Schritt nach dem anderen tun konnte. Dass die Dunkelheit nicht ewig anhalten würde.
Und vielleicht, nur vielleicht, würde der Tag kommen, an dem sie wieder mit all ihrer Kraft auf den Platz zurückkehren würde. Doch bis dahin war sie nicht allein. Und das war das einzige, was in diesem Moment zählte.