Zwischen zwei Welten

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India saß in einem Zug auf dem Weg zu ihrer nächsten Lesung in Berlin, als sie über die letzten Wochen nachdachte. Seit ihrer Wiederannäherung an Jamal und der Veröffentlichung ihres Buches hatte sich ihr Leben stark verändert. Die Unsicherheit, die sie früher im Umgang mit der Öffentlichkeit empfunden hatte, war nicht mehr so präsent. Durch ihre Lesungen, Interviews und die wachsende Aufmerksamkeit für ihre Werke war India selbst zu einer öffentlichen Figur geworden, und sie hatte gelernt, damit umzugehen.

Früher hätte sie sich vor dem Gedanken gescheut, in der Öffentlichkeit zu stehen – besonders nachdem sie durch ihre Beziehung zu Jamal in den Fokus geraten war. Doch jetzt, als etablierte Autorin, fühlte sie sich sicherer. Sie hatte ihre eigene Stimme gefunden und wusste, dass sie nicht mehr im Schatten anderer stand. Die Medien interessierten sich nicht mehr nur für ihre Verbindung zu Jamal, sondern für das, was sie selbst zu bieten hatte.

Während der Zug sanft durch die Landschaft rollte, vibrierte ihr Handy. Es war eine Nachricht von Jamal.

Jamal:
„Ich fliege morgen nach London, um das Angebot zu besprechen. Ich bin immer noch unsicher, aber ich werde es auf mich zukommen lassen. Wie geht es dir?"

India las die Nachricht und spürte den vertrauten Knoten in ihrem Magen. Jamals mögliche Entscheidung, nach England zu gehen, würde ihre Verbindung auf eine harte Probe stellen. Sie hatten es geschafft, nach Monaten des Schweigens wieder in Kontakt zu kommen, und nun stellte sich die Frage, ob diese Verbindung stark genug war, um die Distanz zu überwinden. Doch sie fühlte sich in diesem Moment anders als früher. Früher hätte die Unsicherheit sie zerrissen, doch jetzt wusste sie, dass sie die Kontrolle über ihre eigenen Entscheidungen hatte.

India:
„Ich bin gerade auf dem Weg zu einer Lesung in Berlin. Ich hoffe, das Gespräch in London verläuft gut. Was auch immer passiert, du wirst die richtige Entscheidung treffen. Ich bin sicher, dass du weißt, was du tun musst."

Sie legte das Handy beiseite und schaute aus dem Fenster. Es war seltsam, wie viel sich in den letzten Monaten geändert hatte. Sie war nicht mehr die unsichere India, die sich ständig Sorgen darüber machte, wie die Welt sie sah oder was sie von ihr erwartete. Sie hatte ihren Platz gefunden und spürte eine neue innere Stärke.

Die Lesung in Berlin verlief erfolgreich. Die Buchhandlung war voller Menschen, die gekommen waren, um India zu sehen, und während sie aus ihrem Buch las und die Fragen des Publikums beantwortete, fühlte sie sich sicher und gefestigt. Die Öffentlichkeit war für sie kein unberechenbares Terrain mehr – es war ein Teil ihres Lebens, den sie gelernt hatte zu navigieren.

Nach der Lesung fand India sich in einer kleinen Gruppe von Journalisten wieder, die um ein Interview baten. Sie sprachen über ihre Karriere, ihre Inspiration und ihr nächstes Buch. Eine der Fragen drehte sich jedoch um Jamal.

„India, in deinem Buch sprichst du über persönliche Erfahrungen und Beziehungen, die dich geprägt haben. Glaubst du, dass Jamal M., der bekannte Fußballer, Einfluss auf deine Geschichten hatte?" fragte einer der Journalisten, die offensichtlich mehr über ihre Verbindung zu Jamal erfahren wollten.

Früher hätte diese Frage India aus der Fassung gebracht. Doch jetzt blieb sie ruhig. Sie lächelte leicht, bevor sie antwortete: „Natürlich haben meine Erfahrungen, einschließlich meiner Beziehungen, Einfluss auf das, was ich schreibe. Aber meine Geschichten sind nicht über eine bestimmte Person oder Beziehung. Es geht um die universellen Herausforderungen, denen wir alle begegnen – sich selbst zu finden und herauszufinden, was im Leben wirklich wichtig ist."

Die Journalisten nickten respektvoll, und India merkte, dass sie ihre Antwort gut verstanden hatten. Die Aufmerksamkeit für ihre Beziehung zu Jamal war zwar noch da, aber es war nicht mehr das zentrale Thema ihres öffentlichen Lebens. Sie war jetzt mehr als das – sie war eine anerkannte Autorin, die ihre eigene Geschichte erzählte.

Am Abend, nachdem die Lesung vorbei war, saß India in ihrem Hotelzimmer und ließ den Tag Revue passieren. Sie war stolz darauf, wie weit sie gekommen war, aber in ihren Gedanken kreiste noch immer die Unsicherheit über Jamals bevorstehende Entscheidung. Während sie darüber nachdachte, klingelte ihr Handy. Es war ein Anruf von Jamal.

„Hey," sagte India, als sie den Anruf annahm.

„Hey," antwortete Jamal, und seine Stimme klang ruhig, aber auch etwas angespannt. „Ich bin gerade in London. Das Gespräch lief gut, aber es ist viel zu bedenken."

„Das kann ich mir vorstellen," sagte India und lehnte sich in ihrem Bett zurück. „Hast du schon eine Entscheidung getroffen?"

„Noch nicht," gab Jamal zu. „Es ist ein großes Angebot, und es wäre eine großartige Chance, aber... es würde alles ändern. Madrid hinter mir zu lassen, fühlt sich immer noch nicht richtig an. Und dann gibt es uns."

India schwieg für einen Moment. „Uns" – das Wort hing in der Luft, und sie spürte die Bedeutung dahinter. Sie mochten sich immer noch, das war klar, aber die Realität ihrer Leben stand ihnen im Weg. „Jamal, ich glaube, was auch immer du entscheidest, du solltest es nicht nur wegen uns tun. Du musst die Entscheidung treffen, die für dich richtig ist."

Jamal seufzte. „Ich weiß. Aber es ist schwer, darüber nachzudenken, ohne an uns zu denken. Ich weiß, dass wir jetzt in Kontakt sind, aber die Entfernung macht es nicht einfacher."

India nickte, auch wenn er es nicht sehen konnte. „Es ist nicht einfach, aber ich bin nicht mehr die Person, die ich früher war. Die Öffentlichkeit und die Medien sind für mich kein Problem mehr. Ich habe meinen eigenen Weg gefunden, und ich möchte, dass du das auch für dich tust."

Jamal schwieg einen Moment. „Ich habe gemerkt, wie sehr du dich verändert hast. Du strahlst jetzt eine Selbstsicherheit aus, die früher nicht da war. Und das ist etwas, das ich an dir bewundere."

India lächelte leicht. „Danke. Aber du musst deine Entscheidung treffen, ohne dass ich dabei im Vordergrund stehe. Wenn du nach England gehst, dann lass uns sehen, wie es läuft. Wenn du in Madrid bleibst, sehen wir, wie es läuft. Aber wir sollten uns nicht unter Druck setzen."

„Du hast recht," sagte Jamal nachdenklich. „Ich werde die Entscheidung für mich treffen müssen. Aber ich bin froh, dass wir wieder miteinander sprechen."

„Ich auch," antwortete India. „Was auch immer passiert, ich bin da, wenn du mich brauchst."

In den nächsten Tagen konzentrierte India sich auf ihre Arbeit, aber die bevorstehende Entscheidung von Jamal schwebte noch immer über ihr. Sie wusste, dass ihre Verbindung kompliziert war und die Distanz eine große Herausforderung darstellte. Doch anders als früher fühlte sie sich sicherer. Sie wusste, dass sie ihre eigenen Entscheidungen unabhängig von den äußeren Umständen treffen konnte – und das war etwas, das sie sich hart erarbeitet hatte.

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