India saß am Fenster in ihrer Wohnung und starrte nachdenklich in die Ferne. Seit ihrem letzten Gespräch mit Jamal fühlte sich alles ein wenig anders an. Sie hatte versucht, ihre Gefühle beiseitezuschieben und sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch Jamal war in ihren Gedanken präsent – mehr, als sie es zugeben wollte.Es war nicht so, dass sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte. Im Gegenteil, sie hatte immer noch ihre Zweifel. Aber etwas an ihm ließ sie nicht los. Vielleicht war es die Ehrlichkeit, mit der er sich ihr gegenüber geöffnet hatte. Vielleicht war es das Gefühl, dass er trotz all des Ruhms und der Aufmerksamkeit, die er bekam, jemand war, der wirklich versuchte, sich selbst zu finden. Genau wie sie.
India war nicht bereit, sich voll und ganz auf ihn einzulassen. Sie hatte noch immer das Bedürfnis, eine Mauer zwischen sich und Jamal zu errichten. Eine Mauer, die sie schützen sollte, falls die Dinge nicht so liefen, wie sie es sich erhoffte. Doch gleichzeitig spürte sie auch diese unerklärliche Anziehung, die sie zu ihm hinzog. Es war eine widersprüchliche Mischung aus Nähe und Distanz, die sie verwirrte.
Ein paar Tage nach ihrem Gespräch trafen sich India und Jamal erneut. Es war ein sonniger Nachmittag, und Jamal hatte vorgeschlagen, einen Spaziergang durch den Park zu machen. India hatte zugestimmt, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob das eine gute Idee war. Sie wollte nicht, dass es sich wie ein Date anfühlte – sie wollte nur sehen, wohin das Ganze führte, ohne Erwartungen.
Der Park war belebt, aber dennoch ruhig. Die Herbstblätter raschelten unter ihren Füßen, und das goldene Licht der Nachmittagssonne tauchte die Umgebung in eine warme, beruhigende Atmosphäre. India und Jamal gingen nebeneinander her, ohne sich zu berühren, aber die Präsenz des anderen war deutlich spürbar.
„Wie läuft dein Studium?" fragte Jamal nach einer Weile, um das Schweigen zu brechen.
India sah zu ihm hinüber und lächelte schwach. „Es ist stressig, aber ich komme voran. Ich muss noch einige Bücher lesen und meine Arbeit schreiben. Aber ich schätze, das kennst du ja – ständig unter Druck stehen."
Jamal lachte leise. „Ja, das kenne ich zu gut. Manchmal wünschte ich, ich könnte einfach alles stehen und liegen lassen und mich nur auf die Dinge konzentrieren, die mir wirklich wichtig sind."
„Wie deine Bücher?" fragte India neugierig.
„Ja, und andere Dinge", sagte er vage, bevor er seinen Blick wieder auf den Weg richtete. „Es ist einfach schwer, einen Ausgleich zu finden. Jeder will etwas von mir, und es bleibt wenig Zeit für mich selbst."
India konnte das nachvollziehen. Sie war zwar keine berühmte Persönlichkeit, aber auch sie hatte das Gefühl, ständig Erwartungen erfüllen zu müssen – von ihren Professoren, ihrer Familie, sich selbst. „Es klingt, als wäre es manchmal erdrückend."
„Das ist es", antwortete er ehrlich. „Aber ich lerne, damit umzugehen. Ich glaube, was mir am meisten hilft, ist, Zeit mit Menschen zu verbringen, die mich nicht wegen meiner Karriere mögen. Menschen, bei denen ich einfach ich selbst sein kann."
India fühlte, wie sein Blick auf ihr ruhte, und sie spürte einen Hauch von Nervosität. Sie wusste, dass er damit auf sie anspielte, aber sie wollte nicht diejenige sein, die diese Bürde trug. Es war eine schwere Last, die sie nicht tragen wollte – zumindest nicht jetzt.
„Du weißt, dass ich nicht in deiner Welt lebe", sagte India schließlich, ihre Stimme ruhig, aber bestimmt. „Und ehrlich gesagt, ich will das auch nicht."
Jamal nickte langsam. „Ich weiß. Und das ist auch in Ordnung. Ich will dich nicht in meine Welt hineinziehen."
India spürte eine gewisse Erleichterung, als er das sagte. Sie hatte befürchtet, dass er sie vielleicht in seine Realität hineinpressen wollte – eine Welt voller Kameras, Aufmerksamkeit und Druck. Aber wenn er das nicht wollte, konnte sie vielleicht herausfinden, ob es da etwas zwischen ihnen gab, ohne dass ihre Leben kollidierten.
Sie gingen eine Weile schweigend weiter, und India merkte, dass Jamal sich bemüht hatte, ihren Raum zu respektieren. Er war nicht aufdringlich, versuchte nicht, ihre Grenzen zu überschreiten. Und dafür war sie dankbar.
„Manchmal denke ich, es wäre einfacher, alles hinter sich zu lassen", sagte Jamal nach einer Weile, seine Stimme leise und nachdenklich. „Einfach wegzugehen, irgendwohin, wo mich niemand kennt."
India sah ihn überrascht an. „Würdest du das wirklich tun?"
Er zuckte mit den Schultern. „Manchmal wünsche ich es mir. Aber ich weiß, dass das keine Lösung ist. Weglaufen bringt nichts. Ich muss lernen, mit dem, was ich habe, umzugehen. Es ist nur schwer, den richtigen Weg zu finden."
India spürte eine unerwartete Welle des Mitgefühls für ihn. Es musste wirklich hart sein, ständig im Rampenlicht zu stehen, keine echte Privatsphäre zu haben und immer perfekt sein zu müssen. Aber sie war auch froh, dass er nicht vor seinen Problemen weglaufen wollte.
„Vielleicht findest du den Weg irgendwann", sagte sie und lächelte leicht. „Aber es muss nicht alles sofort gelöst werden."
Jamal erwiderte ihr Lächeln, und für einen Moment fühlte sich die Distanz zwischen ihnen etwas weniger groß an. Sie war sich immer noch nicht sicher, was genau sie von ihm wollte, aber sie wusste, dass sie ihm zumindest zuhören konnte. Vielleicht musste sie ihm einfach die Zeit geben, die er brauchte, um seinen Platz in der Welt zu finden.
„Ich denke, du hast recht", sagte Jamal schließlich. „Es muss nicht alles sofort passieren."
Sie setzten ihren Spaziergang fort, und auch wenn India immer noch das Gefühl hatte, dass sie vorsichtig bleiben musste, spürte sie, dass Jamal nicht versuchte, sie zu drängen. Er respektierte ihre Grenzen, und das gab ihr ein kleines bisschen Vertrauen in das, was zwischen ihnen wachsen könnte.
Aber India war sich auch sicher, dass sie nicht bereit war, die Mauer um ihr Herz ganz fallen zu lassen. Sie wusste, dass es noch ein weiter Weg war, bevor sie wirklich bereit sein würde, jemanden wie Jamal in ihr Leben zu lassen. Doch für jetzt, in diesem Moment, war es genug, dass sie einfach nebeneinander hergingen – ohne Erwartungen, ohne Druck. Nur zwei Menschen, die versuchten, ihren Platz in der Welt zu finden.
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Unbekannte Wege
Hayran KurguIndia ist ein unabhängiger Charakter, der nicht viel mit der Fußballwelt anfangen kann. Sie konzentriert sich auf ihre Ausbildung und lebt ihren eigenen Alltag, bis sie eines Tages auf Jamal trifft - nicht ahnend, dass er ein berühmter Fußballstar i...