Ein unerwarteter Sturm

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India hatte gehofft, dass die Paparazzi-Fotos vielleicht in der Masse des täglichen Medienrummels untergehen würden. Jamal hatte gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen, dass solche Dinge meistens keine große Welle schlagen. Doch als sie am nächsten Morgen aufwachte und ihr Handy auf ihrem Nachttisch vibrierte, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte.

Ihre Freundin Emma hatte ihr eine Nachricht geschickt. Die ersten Worte waren unheilverkündend:
Emma: „India, hast du die Schlagzeilen schon gesehen?"

India spürte, wie sich ein Knoten in ihrem Magen bildete. Sie öffnete ihren Browser und suchte nach den neuesten Nachrichten. Und da waren sie: Fotos von ihr und Jamal im Park, wie sie zusammen gingen, sprachen und lächelten. Unter den Fotos prangte eine Schlagzeile, die sie fast umwarf:

„Wer ist die neue Frau an Jamal M.'s Seite? Geheimnisvolle Schönheit oder nur ein weiteres Liebesabenteuer?"

India starrte auf den Bildschirm, unfähig zu begreifen, was sie da las. Es war surreal, ihren Namen – oder besser gesagt, Hinweise auf sie – und die vagen Andeutungen über ihre Beziehung zu Jamal in den Schlagzeilen zu sehen. Die Artikel selbst waren nicht besonders detailliert, aber das reichte aus, um Spekulationen anzufeuern. Sie fühlte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte und ihre Hände kalt wurden.

Wenige Minuten später kam eine Nachricht von Jamal:

Jamal: „Ich habe die Artikel gesehen. Es tut mir leid, India. Ich wollte nicht, dass du das durchmachen musst."

India legte das Handy beiseite und starrte auf die Wand vor sich. Es war zu viel. Sie hatte nie um diese Aufmerksamkeit gebeten, und doch war sie plötzlich mitten im Zentrum einer Geschichte, die nicht die ihre war. Plötzlich schien ihre Privatsphäre nicht mehr ihr zu gehören. Menschen, die sie nicht kannte, sprachen über sie, stellten Vermutungen an, wer sie war, und deuteten an, dass sie nur ein weiterer Name auf einer Liste war.

Ihre Finger zitterten, als sie eine Antwort an Jamal tippte:

India: „Ich wusste, dass es passieren könnte, aber... ich habe nicht erwartet, dass es so schnell geht."

Die Minuten verstrichen, und India fühlte, wie der Knoten in ihrem Magen fester wurde. Die Gedanken in ihrem Kopf schwirrten wild umher. Was würde als nächstes passieren? Würde die Aufmerksamkeit wieder verschwinden, oder würde es schlimmer werden? Wie würde das ihr Leben beeinflussen?

Ihre Freunde, ihre Familie – würden sie das alles sehen? Und wie würden sie darauf reagieren?

Es dauerte nicht lange, bis ihr Handy erneut vibrierte. Diesmal war es Emma, die sie anrief.

„India, hast du das gesehen? Ich kann nicht glauben, dass sie das über dich schreiben!" Emmas Stimme klang besorgt, aber auch ein wenig neugierig.

„Ja, ich habe es gesehen", sagte India leise. Sie fühlte sich, als würde sich die Welt um sie herum zusammenziehen. „Ich wusste, dass es irgendwann passieren könnte, aber jetzt... es fühlt sich so falsch an."

„Mach dir keine Sorgen", versuchte Emma, sie zu beruhigen. „Die Leute werden das bald wieder vergessen. Aber es muss echt hart für dich sein."

India wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Es war schwer, ihre Gedanken zu ordnen. Jamal hatte versucht, sie vorzuwarnen, aber nichts hatte sie auf das tatsächliche Gefühl vorbereitet, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt zu werden. Selbst wenn es nur für einen Moment war, fühlte es sich an, als hätte sie jegliche Kontrolle über ihre Privatsphäre verloren.

„Und was wirst du jetzt tun?" fragte Emma, als die Stille länger andauerte.

India seufzte tief. „Ich weiß es nicht. Ich muss darüber nachdenken."

Nach dem Telefonat legte sie sich auf ihr Bett und starrte zur Decke. Die Worte der Artikel kreisten immer wieder in ihrem Kopf: „neue Frau an seiner Seite", „Geheimnisvolle Schönheit", „Liebesabenteuer". Sie waren so weit von der Wahrheit entfernt, und doch würden viele Menschen das glauben. Die öffentliche Meinung scherte sich selten um die Wahrheit – das wusste sie jetzt.

Ein Teil von ihr wollte sich von Jamal distanzieren, den einfachen Weg wählen und diese unerwünschte Aufmerksamkeit vermeiden. Doch sie wusste, dass es nicht so einfach war. Da war diese Verbindung zwischen ihnen, die sich langsam und stetig aufgebaut hatte, etwas Echtes und Authentisches, das sie nicht so leicht aufgeben wollte.

Ein paar Stunden später schrieb sie Jamal eine Antwort.

India: „Ich brauche Zeit, um das zu verarbeiten. Ich weiß, dass das nicht deine Schuld ist, aber ich muss herausfinden, wie ich damit umgehen soll."

Jamal antwortete fast sofort:

Jamal: „Ich verstehe das vollkommen. Es tut mir wirklich leid, dass du das durchmachen musst. Wir können das langsam angehen, so wie du es brauchst."

India las die Nachricht mehrmals durch und spürte eine Mischung aus Dankbarkeit und Unsicherheit. Jamal wollte ihr Zeit geben, aber sie wusste, dass dies erst der Anfang war. Die öffentliche Aufmerksamkeit würde nicht einfach verschwinden, wenn sie weiterhin Zeit mit ihm verbrachte. Die Frage war: War sie bereit, diesen Preis zu zahlen?

In den nächsten Tagen wurde India immer wieder mit der Geschichte konfrontiert. Es waren nicht nur die Artikel, sondern auch neugierige Blicke, die sie auf der Straße spürte, wenn sie sich durch die Stadt bewegte. Sie hatte das Gefühl, dass Leute sie erkannten, und obwohl niemand sie direkt ansprach, fühlte sie sich belagert.

Sie war nicht sicher, ob sie Jamal in dieser Zeit sehen wollte. Die letzten Treffen mit ihm hatten sich immer gut angefühlt, doch nun schien die Ruhe, die sie in seiner Nähe gefunden hatte, bedroht zu sein. Sie wollte nicht ständig das Gefühl haben, beobachtet zu werden – von Paparazzi, von Fremden, von der Öffentlichkeit.

Aber die Frage, die in ihrem Kopf blieb, war: War es das alles wert? War Jamal es wert, all diese Aufmerksamkeit zu ertragen?

Unbekannte WegeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt