Es vergingen ein paar Tage, und India dachte immer wieder an die Begegnung mit Jamal auf der Party zurück. Sie hatte das Gefühl, ihn irgendwie besser zu verstehen, aber gleichzeitig war er für sie immer noch ein Rätsel. Sein entspannter Umgang mit seiner Berühmtheit und seine Zurückhaltung beeindruckten sie mehr, als sie zugeben wollte. Doch sie ließ das alles beiseite und konzentrierte sich wieder auf ihr Studium – zumindest versuchte sie es.Es war ein trüber Nachmittag, und India war erneut auf dem Weg zur Bibliothek. Sie hatte eine Seminararbeit vor sich, für die sie noch recherchieren musste, und war froh, einen ruhigen Ort gefunden zu haben, an dem sie ungestört arbeiten konnte. Die Bibliothek war fast leer, wie sie es am liebsten hatte. Sie ließ sich an ihrem Lieblingsplatz nieder, einem Tisch direkt neben den großen Fenstern, die einen Blick auf den herbstlichen Park boten. Das beruhigende Geräusch des Regens gegen die Fensterscheibe half ihr dabei, sich auf ihre Bücher zu konzentrieren.
Sie hatte kaum bemerkt, dass jemand die Bibliothek betreten hatte, bis sie ein vertrautes Gesicht sah, das zielstrebig auf sie zukam. Jamal. Wieder. Ihr Herz schlug einen Moment schneller, aber sie versuchte, ihre Überraschung zu verbergen und wandte den Blick zurück auf ihr Buch.
„Du scheinst wirklich oft hier zu sein," bemerkte er mit einem leichten Lächeln, als er sich neben sie stellte. „Darf ich mich setzen?"
India zuckte innerlich, versuchte aber, ruhig zu bleiben. Sie mochte es nicht, gestört zu werden, besonders nicht bei der Arbeit. Andererseits hatte er nicht unhöflich gewirkt – er hatte gefragt, und das gab ihr die Möglichkeit, „Nein" zu sagen. Doch sie nickte schließlich.
„Danke." Jamal setzte sich und legte ein Buch auf den Tisch, das India aus den Augenwinkeln als Philosophie-Buch erkannte. „Arbeitest du, oder bist du einfach nur hier, um zu lesen?"
„Beides," sagte sie und hob leicht den Blick. „Ich schreibe an einer Seminararbeit."
„Über welches Thema?" fragte er, während er sich zurücklehnte, als hätte er keine Eile.
India runzelte leicht die Stirn. Warum interessierte ihn das? Sie hätte erwartet, dass er schnell das Interesse verliert, wenn es um etwas so Langweiliges wie akademische Arbeit ging. „Es geht um postkoloniale Literatur. Nicht gerade das spannendste Thema für jemanden wie dich, oder?"
Jamal schien nicht beleidigt, sondern eher amüsiert. „Warum nicht? Ich lese eigentlich ganz gerne. Philosophie, Literatur – ich finde das interessant."
India hob die Augenbrauen. „Du liest Philosophie?"
„Ja," erwiderte er gelassen. „Es hilft mir, den Kopf frei zu bekommen, besonders wenn die Saison stressig ist."
Sie war überrascht, wie offen er das zugegeben hatte. Normalerweise erwartete sie nicht, dass jemand wie er, der ständig im Rampenlicht stand, sich für solche Dinge interessierte. „Das hätte ich nicht erwartet."
„Die meisten erwarten das nicht", sagte er und blätterte in seinem Buch. „Aber manchmal ist es genau das, was man braucht, wenn das Leben zu viel wird."
India konnte nicht anders, als neugierig zu werden. „Was genau wird zu viel für dich?"
Jamal hob den Kopf und sah sie direkt an. Sein Blick war intensiv, aber nicht unangenehm. „Der Druck. Ständig beobachtet zu werden, ständig Erwartungen zu erfüllen. Es ist anstrengend."
India sah ihn eine Weile an, bevor sie nickte. „Ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist. Aber das ist wohl der Preis des Ruhms, oder?"
„Ruhm ist nicht immer das, was die Leute denken", antwortete er. „Es gibt Momente, in denen ich es genieße, aber es gibt auch Tage, an denen ich einfach nur normal sein will."
India hatte das Gefühl, dass er das wirklich ernst meinte. Es war ein seltsames Gefühl, mit jemandem zu sprechen, der in einer ganz anderen Welt lebte, und doch das Gleiche suchte wie sie – Ruhe, eine Art Zuflucht. „Du scheinst dich ganz gut damit zu arrangieren."
„Es hat gedauert," sagte Jamal und lehnte sich zurück. „Aber genug über mich. Wie kommst du mit deiner Arbeit voran?"
India war überrascht, dass er sich wieder auf sie konzentrierte. Normalerweise drehte sich in solchen Gesprächen alles um den Sportler, den Prominenten. Doch Jamal schien anders. Er schien wirklich wissen zu wollen, was sie bewegte.
„Es ist nicht leicht", gab sie zu. „Postkoloniale Literatur ist ein schwieriges Thema, und es ist schwer, es richtig zu verstehen, ohne die gesamte Geschichte zu durchdringen."
„Das klingt anspruchsvoll", sagte er nachdenklich. „Aber es ist bestimmt auch spannend, oder?"
„Manchmal," sagte India, „aber meistens fühlt es sich einfach wie harte Arbeit an."
Jamal lachte leise. „Das kenne ich. Aber es ist das Gefühl danach, das zählt, oder? Wenn du etwas erreicht hast."
India nickte langsam. Sie wusste nicht genau, wie sie sich in diesem Moment fühlte. Irgendwie war es seltsam, so offen mit ihm zu reden, als wären sie alte Bekannte, obwohl sie sich kaum kannten. Vielleicht lag es daran, dass er sie nicht wie ein normaler Fremder behandelte. Er schien wirklich Interesse an ihren Gedanken zu haben.
„Vielleicht können wir uns das nächste Mal über deine Arbeit unterhalten," schlug er vor, als er aufstand und sein Buch in die Hand nahm. „Es klingt, als könnte ich noch einiges lernen."
India sah ihm nach, als er sich von ihr verabschiedete und die Bibliothek verließ. Sie spürte, dass dies nicht das letzte Mal gewesen war, dass sie miteinander gesprochen hatten. Etwas an ihm, an der Art, wie er mit ihr sprach, machte sie neugierig – auch wenn sie sich weigerte, das zuzugeben.
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Unbekannte Wege
FanficIndia ist ein unabhängiger Charakter, der nicht viel mit der Fußballwelt anfangen kann. Sie konzentriert sich auf ihre Ausbildung und lebt ihren eigenen Alltag, bis sie eines Tages auf Jamal trifft - nicht ahnend, dass er ein berühmter Fußballstar i...