Ein gemeinsamer Weg

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Die Wochen nach Jamals Entscheidung, in Madrid zu bleiben, verliefen ruhig und geordnet. India und Jamal hatten sich darauf geeinigt, keinen Druck auf ihre Beziehung auszuüben und sich Zeit zu nehmen, um zu sehen, wohin das Leben sie führen würde. Sie sprachen weiterhin regelmäßig miteinander, aber beide konzentrierten sich auch auf ihre jeweiligen Karrieren. India genoss ihre wachsende Anerkennung als Autorin, während Jamal in Madrid seine beste Saison spielte.

Doch je mehr Zeit verging, desto klarer wurde India, dass es eine Entscheidung geben musste. Sie konnten nicht ewig in diesem Zwischenzustand bleiben, wo sie nur auf Distanz in Kontakt standen und ihre Gefühle nie ganz in Worte fassten. Die Verbindung, die sie immer noch spürte, wurde stärker, und India wusste, dass sie irgendwann herausfinden mussten, ob sie bereit waren, den nächsten Schritt zu machen – oder ob sie sich endgültig voneinander verabschieden sollten.

Eines Abends, nach einer weiteren erfolgreichen Lesung in München, saß India in ihrer Wohnung und dachte über die vergangenen Monate nach. Sie hatte es geschafft, eine Karriere aufzubauen, auf die sie stolz war, und sie hatte ihre Unsicherheiten überwunden, die sie früher so stark belastet hatten. Doch während sie mehr und mehr in ihre Arbeit eintauchte, spürte sie auch, dass da immer noch eine Sehnsucht in ihr war – eine Sehnsucht nach Jamal, nach der Möglichkeit, etwas Echtes und Beständiges mit ihm zu haben.

Sie wusste, dass Jamal ähnliche Gefühle hatte, aber beide hatten es bisher vermieden, dieses Thema direkt anzusprechen. Es war an der Zeit, die Dinge zu klären.

India griff nach ihrem Handy und schrieb eine Nachricht an Jamal:

India:
„Hey, ich habe viel über uns nachgedacht. Ich denke, es wird Zeit, dass wir uns ehrlich darüber unterhalten, wie es weitergehen soll. Wie wäre es, wenn wir uns bald persönlich treffen?"

Es dauerte nicht lange, bis Jamal antwortete.

Jamal:
„Ich habe auch viel darüber nachgedacht. Ich komme nächste Woche nach München. Wir sollten uns unbedingt sehen und darüber reden."

India atmete tief durch. Dies war der Moment, den sie beide wahrscheinlich hinausgezögert hatten – der Moment, an dem sie sich entscheiden mussten, ob sie bereit waren, die Distanz zu überwinden und es wirklich zu versuchen.

Eine Woche später stand India in einem kleinen Café im Herzen von München, das sie für das Treffen mit Jamal ausgewählt hatte. Die Nervosität, die sie früher gespürt hätte, war nicht mehr da. Sie war ruhig, bereit für das, was kommen würde, und entschlossen, ehrlich zu sein.

Als Jamal hereinkam, erkannte India sofort, dass auch er eine Entscheidung getroffen hatte. Er wirkte gefasst, reif – und doch lag ein Hauch von Unsicherheit in seinem Blick. Sie umarmten sich kurz zur Begrüßung, bevor sie sich an einen Tisch setzten.

„Es ist schön, dich wiederzusehen," sagte Jamal, seine Stimme warm und vertraut.

„Ja, das ist es," antwortete India mit einem Lächeln.

Es folgte eine kurze Stille, bevor Jamal das Gespräch begann. „India, ich weiß, dass wir schon lange in dieser... Art von Schwebe waren. Wir haben versucht, es langsam anzugehen, und ich denke, das war das Richtige. Aber ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, ehrlich zu sein."

India nickte. „Ja, das sehe ich genauso."

„Ich habe in den letzten Wochen viel über uns nachgedacht," fuhr Jamal fort. „Ich weiß, dass die Distanz nicht einfach war, und ich will dich nicht unter Druck setzen, aber ich möchte herausfinden, ob wir eine Zukunft haben. Ich will ehrlich zu dir sein: Ich möchte, dass wir es wirklich versuchen."

India fühlte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Sie hatte gewusst, dass dieses Gespräch kommen würde, aber es jetzt direkt aus Jamals Mund zu hören, war etwas anderes. Er wollte, dass sie es wirklich versuchten. Aber was bedeutete das?

„Ich will auch ehrlich zu dir sein," sagte sie leise. „Ich mag dich immer noch, Jamal. Ich habe es nie aufgehört. Aber ich bin mir nicht sicher, wie wir das schaffen sollen. Unsere Karrieren, die Entfernung... das sind große Herausforderungen."

Jamal nickte. „Ich weiß, dass es nicht einfach wird. Aber ich glaube, dass wir es schaffen können, wenn wir beide bereit sind, Kompromisse einzugehen. Ich bin bereit, häufiger nach Deutschland zu kommen, und du könntest mich in Madrid besuchen, wenn du willst."

India dachte darüber nach. Es klang so einfach, aber sie wusste, dass es nicht immer so sein würde. Doch gleichzeitig spürte sie auch, dass sie es bereuen würde, es nicht zu versuchen. Sie hatte so viel Zeit damit verbracht, sich auf ihre Karriere zu konzentrieren und ihre Ängste zu überwinden, aber vielleicht war es jetzt an der Zeit, auch in ihrer Beziehung einen Schritt nach vorne zu machen.

„Ich denke, wir sollten es versuchen," sagte India schließlich, und ihre Stimme klang fest. „Aber ich will, dass wir uns beide die Freiheit lassen, die wir brauchen. Ich will nicht, dass unsere Karrieren darunter leiden, und ich will nicht, dass du das Gefühl hast, du musst dein Leben für mich verändern."

Jamal lächelte. „Das werde ich nicht. Aber ich will auch, dass du weißt, dass ich bereit bin, das zu tun, was nötig ist, um es zum Laufen zu bringen."

India fühlte, wie sich eine Erleichterung in ihr ausbreitete. Sie hatten es ausgesprochen – sie hatten sich entschieden, es wirklich zu versuchen, aber ohne den Druck, sofort alles ändern zu müssen. Sie waren beide bereit, den nächsten Schritt zu gehen, und das bedeutete, dass sie eine echte Chance hatten.

In den folgenden Wochen änderte sich die Dynamik zwischen ihnen. Jamal hielt sein Versprechen und kam häufiger nach Deutschland, wann immer er eine Auszeit von seiner Karriere in Madrid hatte. India besuchte ihn in Madrid, wann immer es ihr Zeitplan erlaubte. Es war nicht immer einfach – die Distanz und die Verpflichtungen ihrer Karrieren forderten ihren Tribut – aber sie spürten beide, dass es dieses Mal anders war. Sie waren bereit, den Preis für ihre Verbindung zu zahlen, ohne ihre eigene Unabhängigkeit aufzugeben.

India spürte, wie ihre Liebe zu Jamal wieder auflebte, doch es war eine reifere, stabilere Art von Liebe. Sie waren beide nicht mehr die unsicheren Menschen, die sie früher gewesen waren. Sie wussten, dass das Leben manchmal komplex war, und sie waren bereit, damit umzugehen.

Ein paar Monate später, an einem ruhigen Herbstabend in Madrid, saßen India und Jamal auf dem Balkon seiner Wohnung und blickten auf die Lichter der Stadt. Sie hatten den Tag damit verbracht, über ihre Zukunft zu sprechen – nicht mit dem Druck, sofort alles zu planen, sondern mit einer stillen Gewissheit, dass sie es zusammen schaffen würden.

„Es fühlt sich anders an, oder?" sagte Jamal leise, während er ihren Blick auffing.

India lächelte und nickte. „Ja, es fühlt sich richtig an."

Und zum ersten Mal seit langer Zeit spürten sie beide, dass sie wirklich bereit waren, gemeinsam in die Zukunft zu gehen.

Unbekannte WegeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt