Der Rest des Tages floss zäh wie Honig dahin. Ich konnte mich vor Aufregung kaum noch konzentrieren und kassierte mehr als einmal Ärger von Herma, weil ich zu langsam war oder Dinge vergaß.
Doch es spielte keine Rolle. An diesem Nachmittag konnte mir ihre Laune nichts anhaben. Ich konnte nur an Cassiel denken, nur an die kommende Nacht und all die Dinge, die er mit mir tun würde.
Als es endlich zehn wurde und Herma uns in den Feierabend schickte, wurde mir erst klar, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich nun möglichst unauffällig zu ihm gelangen sollte. Ich würde wohl oder übel erst mit zum Dachboden kommen und mich dann, wenn alle schliefen, heimlich davonschleichen müssen.
Meine Sorgen erwiesen sich jedoch als unbegründet. Als wir uns alle gemeinsam auf den Weg nach oben machten, stand er im Treppenhaus plötzlich vor uns. Er trug noch immer die Uniform mit den Schulterklappen, ein Aufzug, der ihm noch mehr Autorität verlieh, als er ohnehin schon besaß.
Sofort senkte ich den Blick, wie wir alle. Mein Atem ging schneller und meine Handflächen wurden feucht.
Er packte mich grob am Handgelenk.
„Lumi", herrschte er mich an. „Ich habe dir heute Nachmittag eine Aufgabe aufgetragen. Hast du diese zu meiner Zufriedenheit erfüllt? Antworte!"
„N-nein?", riet ich. Mir war klar, dass dies hier nur ein Schauspiel war, inszeniert für mich, vor allem jedoch für die anderen. Ich warf einen verstohlenen Blick zu ihnen und konnte sehen, wie Esko, Amalia und Sami sich schnell aus dem Staub machten, während Kira entsetzt die Augen aufriss und Herma ein schadenfrohes Lächeln zur Schau stellte.
„Richtig", sagte Cassiel scharf. „Kannst du mir erklären, warum?"
„Ich ... ich wusste nicht ..."
„Du wirst nun jedenfalls mitkommen und alles noch einmal erledigen", unterbrach er mich. „Wenn es die ganze Nacht dauern sollte, dann wirst du eben auf Schlaf verzichten."
Er drehte sich um und zerrte mich hinter sich her. Ich biss mir auf die Unterlippe, um mir ein Grinsen zu verkneifen. Das hatte er schlau eingefädelt – er hatte uns soeben die Möglichkeit verschafft, die ganze Nacht miteinander verbringen zu können, ohne dass es auffallen würde.
Nur Kira tat mir ein wenig leid. Sie machte sich offensichtlich ernsthafte Sorgen um mich. Aber morgen würde ich sie ja beruhigen können. Morgen würde sie sehen, dass es mir gut ging.
Ich stolperte hinter Cassiel durch das Halbdunkel, die Flure des Palasts entlang. Der Mond schien durch die deckenhohen Fenster und goss sein Licht über die stuckverzierten Wände, die marmornen Tischchen und Sessel, die Ölgemälde.
Dann hatten wir endlich seinen Flügel erreicht, und kurz darauf auch sein Schlafzimmer. Er zog mich durch die Tür und verschloss sie hinter uns.
„Zieh dich aus", sagte er ohne Umschweife. Das musste er mir nicht zweimal sagen. Mit noch immer gesenktem Blick schälte ich mich aus den scheußlichen alten Klamotten, faltete sie ordentlich zusammen und legte sie auf dem Boden ab. Nun stand ich vollkommen nackt mitten im Raum.
Ich wartete auf seine nächste Anweisung, doch sie kam nicht. Stattdessen ging er mit langsamen Schritten um mich herum, was mich fast wahnsinnig machte, da ich nur aus den Augenwinkeln sehen konnte, was er tat. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt, und je mehr Zeit verstrich, desto nervöser wurde ich.
Dann ging er zu einem Schrank und kramte mit lautem Getöse darin herum. Ich hörte es klirren und klimpern, und bei jedem Geräusch zuckte ich heftig zusammen. Was tat er dort? Was bereitete er vor?
Schließlich kam er zu mir zurück. Er blieb hinter mir stehen und unwillkürlich hielt ich den Atem an. Eine Sekunde später fühlte ich etwas Kaltes an meinem Nacken – nur um dann zu erkennen, dass es mein Halsband war. Das schwarze, lederne Band mit dem Flügel vorne. Cassiels Brandmal – das Zeichen, das mich als sein Eigentum markierte.
Unwillkürlich seufzte ich auf. Ich hatte es vermisst.
Er zurrte den Gurt fest, sodass es eng an meinem Hals auflag, dann trat er vor mich.
„Sieh mich an, Lumi", forderte er, und ich gehorchte. „Da wir keinen Vertrag haben, wirst du mir nun gut zuhören. Es gibt ein paar Regeln, an die du dich halten wirst. Hast du das verstanden?"
Ich nickte.
„Gut. Regel Nummer eins: Wann immer ich dir dieses Band anlege, bist du mein Eigentum und ich darf mit dir tun, was immer ich will. Dein Körper und Geist werden mir jederzeit zur freien Verfügung stehen. Du wirst mich mit Erhabener oder Herr ansprechen. Du wirst dich mir gegenüber stets demütig verhalten, den Blick senken und nur sprechen oder mich ansehen, wenn ich es dir ausdrücklich erlaube. Hast du das verstanden? Antworte."
„Ja, Erhabener", flüsterte ich. Obwohl ich nackt war und in Cassiels Gemach normale Temperaturen herrschten, war die Hitze mit einem Mal kaum auszuhalten. Seine Worte machten etwas mit mir. Mein Herz schlug schneller und in meiner Mitte begann es sehnsüchtig zu pochen.
„Regel Nummer zwei", fuhr er fort. „Dir ist es untersagt, ohne meine Erlaubnis zum Orgasmus zu kommen. Es ist dir verboten, deinen Schoß oder deine Brüste zu berühren, es sei denn, ich fordere dich dazu auf. Es ist dir untersagt, dich in meiner Gegenwart zu bedecken. Wenn du sitzt, wirst du das stets mit leicht geöffneten Oberschenkeln tun, sodass ich jederzeit freien Zugang habe."
Ich konnte spüren, wie sich Feuchtigkeit zwischen meinen Beinen sammelte und biss mir auf die Unterlippe.
„Regel Nummer drei", sagte Cassiel. Inzwischen klang er ein wenig heiser. „Du gibst deine Freiheitsrechte während der Spielzeit auf. Du gibst mir das Recht, dich zu knebeln, zu fesseln, zu fixieren, dir die Augen oder die Ohren zu verbinden. Du hast das Recht, zu weinen, zu schreien und zu betteln, doch du erkennst die Tatsache an, dass diese Gefühlsregungen keinen Einfluss auf deine Behandlung haben müssen."
Ich schluckte – und nickte.
„Regel Nummer vier." Ich konnte hören, dass er schwerer atmete. „Jeder Verstoß gegen genannte Regeln wird unmittelbar und hart bestraft. Die Art und Dauer der Strafe werde ich festlegen und du wirst sie stumm ertragen. Weiterhin erklärst du dich damit einverstanden, dass ich deinen Körper jederzeit auch ohne Anlass züchtigen kann, wenn mir danach ist."
Er räusperte sich.
„Zu guter Letzt: Ich garantiere dir, dass ich auf dich aufpassen werde. Ich werde dir keine körperlichen oder seelischen Schäden zufügen und dich nicht in Gefahr bringen. Dein Sicherheitswort lautet nach wie vor Sanctus. Solltest du nicht in der Lage sein, es auszusprechen, etwa weil du geknebelt bist, gilt auch ein mit Daumen und Zeigefinger geformtes O. Ich garantiere dir, dass ich in diesem Fall das Spiel sofort abbrechen werde."
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Amid the Spring Forest [Dark Romantasy]
FantasiaLUMI & CASS Teil 2 ACHTUNG! TEIL 2 VON „ABOVE THE WINTER SKIES". KLAPPENTEXT ENTHÄLT SPOILER FÜR DEN ERSTEN TEIL. ~~~ Es heißt, erst dann, wenn man alles verloren hat, hätte man die Freiheit alles zu tun - und dass auf jeden Verlust etwas Größeres...