.14 - Rathaus

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Ich sah weiterhin geschockt in seine braunen Iriden und sah diese Freude in ihnen. Es wäre zwar wunderschön, seine Lippen endlich auf meinen zu spüren, doch es war an einem falschen Ort. So sehr ich es auch wollte, so sehr meine Lippen nach seiner schrien, neigte ich meinen Kopf schweren Herzens etwas nach links und hinterließ ihm einen zarten Kuss auf die linke Wange. „Wohin gehen wir?", stellte ich ihm nervös die Frage und zog mich aus seiner Umarmung zurück. „Wohin du möchtest", raunte er verführerisch, während er mir näher kam und mir einen Kuss auf die Stirn und danach auf meine Wangen zu hinterlassen wagte. Ich konnte schon das Brennen an meinen Wangen spüren und konnte mir auch schon die knalligen, tomatenroten Wangen vorstellen. Peinlich berührt, senkte ich meinen Kopf und betrachtete meine hohen, offenen Schuhe, die in der Farbe Cognac meinem khakigrünem Kleid den letzten Schliff gaben. Ich hätte vielleicht meine Fußnägel lackieren sollen oder vielleicht sogar meine Fingernägel überhaupt nicht lackieren sollen. „Badem?" Schwungartig hob ich mein Kopf in die Höhe und traf auf die Augenpaare von Eymen, die wie gewohnt keinerlei Emotionen zeigen ließen. Er sah mich leer an, als wäre vor seiner schwarzen Pupile eine dicke, hohe und dichte Mauer gebaut. „Ist alles in Ordnung?" – „Alles Bestens!", meine Antwort überschnitt seine Frage, sodass Eymen mich unsicher ansah. Ich hob meine rechte Hand und legte sie behutsam auf seine linke Brusthälfte. „Wirklich!", versuchte ich ihn davon zu überzeugen. „Ist ja ok, ich hab es verstanden", gestand er mit einem Lachen, nahm meine rechte Hand von seiner Brust und hinterließ auf meinem Handrücken einen zarten Kuss. „Können wir nun los Prinzessin?" – „Natürlich!" Mit einem leichten Lachen, öffnete mir mein Gentleman die Beifahrertür.

„Wann wollen wir zum Rathaus?" Ich sah aus der Windschutzscheibe raus und ließ seine Frage offen. Er legte seine rechte Hand auf meinen Oberschenkel und streichelte diese leicht. „Weswegen willst du zum Rathaus?", stellte ich ihm verwirrt die Gegenfrage und zog meine Augenbrauen verwundert zusammen. „Zum Heiraten braucht man einen Termin beim Standesamt, vielleicht deswegen mein Schatz?" Verblüfft zog ich meine Augenbrauen in die Höhe und riss meine Augen weit auf. Ich wusste zwar von Tante Zühal bescheid, dass Eymen mit der Vorschiebung der Hochzeit einverstanden war, aber dass er das so locker aussprechen würde, hätte ich niemals gedacht. „Du sprichst das aber sehr locker aus. Hätte ich deine Meinung dazu nicht gekannt, würde ich mir jetzt eingebilden, dass ich diejenige bin, die diese Vorschiebung nicht willigt", teilte ich ihm laut meine Gedanken mit. Er fing an zu lachen, zog seine Hand aus meinem Oberschenkel weg und schaltete einen Gang runter.

Nach einer unendlichen Stunde, hielt er vor einem Restaurant an. Durch den Eintritt in den Raum, stieg mir verschiedenste Gerüche in die Nase. Die recht gemütlichen beigen Sitze im Raum gaben einem das Gefühl von Heimat, die Gemälde auf den Wänden teilten einem das Gefühl von Edelkeit. Kurz gefasst: Ich fühlte mich hier pudelwohl.

„Wie läuft es mit deinem Studium? Hoffe doch, dass es den steilen Berg hoch geht", stellte er mir die Frage mit einem Grinsen im Gesicht, während er sich die große, weiße Stoffserviette auf sein Schoss legte. „Können wir über etwas anderes reden? Ich habe keine Lust, mit dir meinen Abend mit dem Thema zu sprechen.", sprach ich genervt den Satz aus und ließ ebenfalls die große Stoffserviette über meinen Schoss gleiten. „Du bist demnächst mein Berufskollegin, da sollten wir uns schon geschäftlich austauschen, Schatz. Also, wie sieht es mit dem praktischen Semester aus? Wo willst du es absolvieren?", schnitten sich seine Sätze, sodass ich lediglich meine Augen verdrehte. „Eymen, bitte", flehte ich ihn schon regelrecht, den er mit einer verschmitzten Lächeln verstand.

„Also wann wollen wir jetzt zum Rathaus?", griff er erneut das Thema Trauung an, bevor er seine Nudeln im Mund verschlingelte. Ich fing unerwartet an tüchtig zu husten und blickte Eymen geschockt an. Er meinte es wirklich ernst! „Geht's?", hörte ich seine besorgte Stimme neben mir und spürte auch seine warme Hand hinter meinem Rücken streicheln. „Alles bestens", gab ich peinlich berührt eine Antwort und sah zu, wie Eymen wieder auf seinem Stuhl Platz nahm. „Meinst du das jetzt ernst?", fragte ich sicherheitshalber nochmal nach. „Nö", mit einem Lächeln schob er die nächste Portion Nudel in den Mund. Ich blickte verdutzt auf seine Bewegungen und konnte aus seinem Verhalten nichts entziffern. Als Eymen meine verwirrten Blicke sah, fing er an zu Grinsen und brachte mich nun vollkommen in die Verwirrung. „Ich meine es todernst!", fuhr er scherzend mit seinem Satz fort. „Arschloch", murmelte ich wütend vor mich hin und nahm meine Gabel zur Hand. „Also?" – „Also was?", entgegnete ich ihm wütend. Konnte er nicht einfach Klartext reden? „Of Bade of! Zum dritten und zum letzten mal, wann sollen wir zum Rathaus gehen?!", ließ er die Wörter wütend fallen. Der Anblick, wie er sauer durch die Gegend schielte, wie er mit seinem Gabel im Teller spielte, zauberte auf meinen Lippen ein Grinsen, den ich schwer verstecken musste. „Ist ja schon ok. Wir können morgen früh schon hingehen", sagte ich, wobei ich mein Lachen nicht zurück halten konnte. „Bade!", ermahnte mich Eymen beleidigt. Doch ich gab darauf kein Acht und versuchte wenigsten mit meiner rechten Hand mein Lachen zu verstummen. „Gut. Morgen um Neun Uhr hol ich dich ab." – „Bist du jetzt beleidigt?" – „Nein", beantwortete er zu schnell auf meine Frage. Mit einem Grinsen im Gesicht, schenkte ich ihm Glauben an seiner Antwort. Doch innerlich wusste ich ganz genau. Er war sauer auf mich.

„Ich liebe dich", flüsterte ich und beugte mich zu Eymen auf den Sitz. „Gute Nacht mein Engel" Mit einem Wangenkuss, öffnete ich die Autotür und stieg mit langsamen Schritten aus dem Auto. Und so lief ich mit eiligen Schritten auf das Elternhaus zu und winkte zum Abschied nochmal zu Eymen rüber. Mit einem mulmigen Gefühl betrat ich unsere Wohnung und begab mich sogleich in mein Zimmer. Aufgeregt zog ich mich um und ließ mich grinsend ins Bett fallen und wusste im Voraus schon, dass dies eine harte Nacht für mich werden würde. Ich würde die ganze Zeit nur noch im Bett mich rumwälzen, doch auch dieser Gedanken brachte mich zum Grinsen und in mir blühte wieder das Glücksgefühl regelrecht.

Was soll ich nur anziehen? Formell oder doch lässig? Vielleicht doch casual? Oder doch legér? Eymen wird sich bestimmt formell anziehen, immerhin wird er danach zur Arbeit fahren. Ich stütze meinen Kopf an meinen Händen, die Ellenbogen ruhten auf meinem Schreibtisch und meine Augen wanderten im Kleiderschrank wild herum. Hose oder doch Rock? Vielleicht auch ein Kleid? Immerhin ist das Wetter wunderschön. Nach langer Überlegung sowie eine 15-minütige Internetrecherche, entschied ich mich endlich für die formelle Kleidungsstil. So blöd das auch klingeln mag, musste ich mich nunmal in die Schale werfen, um überhaupt neben Eymen einigermaßen OK auszusehen. Wie das in unsere Ehe ablaufen würde, wollte ich mir gar nicht vorstellen.

„Guten Morgen Schatz", begrüßte mich Eymen mit vollem Grinsen und lief die letzten Schritte auf mich zu. „Morgen", nuschelte ich vor mich hin. „Was ist los, Badem?" Diese Stimme war mein Heilmittel. Er war mein Heilmittel, mein Sauerstoff. „Bin ein bisschen nervös", gab ich zu, kaute auf meiner Unterlippe und legte eine nervige Strähne hinter mein Ohr. „Wir lassen uns zuerst ja nur informieren, Bade. Außer meiner Mutter weiß momentan keiner was von der Vorrückung. Nicht mal Ercan" – „Mein Bruder wird dich umbringen" – „Ich weiß, aber du bist es mir Wert", grinste er mich an und griff nach meiner Hand.

„Wir sind gleich dran", bemerkte Eymen, während ich meinen Kopf auf seine Schulter legte und sein Parfüm in mich inhalierte. „Immernoch nervös?", fragte mich mein Verlobter. „Und wie. Du?" – „Schon ein wenig – Ah Bade wir sind dran!", überschnitt er seine Sätze, stand abrupt auf und zog mich mit sich. Wir standen vor dem Schreibtisch mit der Nummer 9 und warteten ungeduldig, bis die zuständige Beamtin sich zu uns wenden und uns einen Platz anbieten würde. Sie war dabei die letzten Akten in ein Ordner zu ordnen und ließ sich mit ihrem Drehstuhl zu uns richten. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?", ertönte ihre recht bekannte Stimme, sodass ich meine Augenbrauen nachdenklich zusammen zog. Ich konnte sie keinem richtig einordnen. Doch kaum wandte sich die Beamtin zu uns, blieb mir sowie Eymen der Mund offen. „Minel?", nahm ich lediglich Eymens verwunderte Stimme wahr.

Ohne Dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt