.38 - Spiegelbild

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Manche Geschehnisse muss man alleine verdauen. Es ist vorgeschrieben, was alles einem noch zustößt. Doch wie man es meistert, ist jedem selbst überlassen.

Überfordert ließ ich mich langsam auf das Sofa fallen und versuchte mein Atem unter Kontrolle zu halten. Dabei hielt ich das Hemd immernoch in meiner Hand und sah perplex auf diesen hin. Meine schoßweisen Atemzüge erschwerten mir das Denken. Als hätte man den Notfall-Knopf gedrückt und somit alle Organe still gebracht. Lediglich das Piepen in meinen Ohren wurde lauter. Mit einem trocknen Hals versuchte ich vergeblich zu schlucken, doch nicht mal dafür war ich im Stande.

Es war ein zu schlechter Witz und ich konnte es nicht glauben, dass Eymen mich tatsächlich betrog. Ich konnte es mir nicht eingestehen. Er würde es mir nicht antun. Er liebt mich, so wie ich ihn liebe.

Und nun saß ich hier alleine, mit dem Hemd meines Mannes, der auch noch nach starkem Frauenparfüm riecht. Mit zittrigen Händen schmiss ich aufgebracht das Hemd in eine Ecke.

Vor meinen Augen erschien Eymen mit dieser Frau eng umschlungen in der Stadt laufen. Ich visualisierte das Bild und stellte mir vor, wie sie lachend ihn zu sich zog und dabei ihre Haare zur Seite warf, nur um danach ihm einen Kuss auf die Lippen zu geben.

Überlastet zog ich an meinen Haaren und versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Wollte die Bilder in meinem Kopf verbannen, doch vergebens. Mein Kopf wollte einfach nicht still halten. Mir kreisten schlagartig so viele Gedanken durch den Kopf, so viele Szenen.

Eymen strich ihr verliebt die Haare zur Seite und dachte keine Sekunde an mich. Er sah ihr so tief in die Augen, den er mir selber nicht mal zugelassen hatte.

Ein wehleidiges Schluchzen entglitt aus meiner Kehle und so wachte ich aus meiner Gedankenwelt auf.

So sehr ich es zu verhindern versuchte, signalisierte das Brennen in meinen Augäpfeln die kommende Niagara Gefälle. Mit einem verschwommenem Blick sah ich hoch zur Decke, um die kommenden Tränen zu mildern. Doch als die Träne mit einem Wimpernschlag seinen Weg an meiner Wange fand, fing mein Hilfeschrei ohne Widerrede an.

Schluchzend ließ ich meinen Kopf nach unten fallen und umfasste mein Gesicht mit meinen Händen, um das leidvolle Weinen zu dämmen.

Eymen betrog mich. So wie mein Vater damals meine Mutter und uns betrogen hatte.

[..]

„Du siehst aber ziemlich fertig aus!", begrüßte mich meine Freundin im Flur und zog sich ihre Schuhe aus. Unsicher strich ich mir über mein pochendes Auge. Die Röte um ihn konnte ich ganz geschickt mit Make-Up verschleiern, doch für die Röte in meinen Augen musste ich mir eine plausible Lüge erfinden.

„Danke, kann ich nur wiedergeben", konterte ich lächelnd und überspielte die Zielgenauigkeit und Achtsamkeit meiner Freundin.

„Ist Eymen auch da?", flüsterte Derin leise, während wir uns zur Begrüßung auf die Wange küssten und ins Wohnzimmer liefen.

„Nein", beantwortete ich lächelnd ihre Frage. Doch das Lächeln allein nahm mir soviel Kraft weg, sodass ich jeden Augenblick anfangen könnte, wieder zu weinen.

Sie ließ sich auf das Sofa fallen, während sie ihre Jacke auszog und mich dabei mürrisch beobachtete.

„Was ist?", wollte ich lachend mit einem Kopfschütteln wissen. Die Angst, dass sie die Trauer und den Schmerz jeden Augenblick aus meinen Augen ablesen könnte, machte mich unruhig.

„Wie läuft es eigentlich zwischen euch?", ging sie ohne zu Zögern direkt auf das Thema zu, den ich eigentlich seit zwei Wochen umgehen konnte. Überfordert von ihrer direkten Ansprache, verdrehte ich meine Augen und ließ mich ebenfalls auf das Sofa fallen.

Ohne Dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt