.47 - "Ich weiß"

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Mit einem reinen Gefühlschaos strich ich nachdenklich über mein kurzes Kleid, während Derin und Melda aus dem Auto ausstiegen. „Wir haben es verstanden, du siehst schön aus", murmelte Derin genervt auf und zog mich unerwartet am Arm, um diesen dann in ihres einhaken zu können.

„Das hab ich nicht behauptet", widersetzte ich angestrengt und wahr bemüht, ihren Schritten stand zu halten. Mein Kleid war im Gegensatz zu Derins recht eng und fuhr bei jedem großen Schritt etwas in die Höhe, sodass ich sie stark am Arm zurück hielt. Derin warf mir einen wütenden Blick zu und war dabei etwas zu sagen, doch Melda kam ihr zuvor und griff nach meinem Arm.

„Wir sehen alle heiß aus. Hört ihr den das Pfeifen nicht?", schmunzelte Melda plötzlich und ließ mich verwirrt die Augenbrauen hochziehen. „Sag mir die Wahrheit: Bist du auf Drogen oder halluzinierst du schon etwa? Sind wir schon soweit?", nörgelte Derin von der Seite, während sie zum Laufen ansetzte.

„Ich habe dir gerade ein Kompliment gemacht und das Einzige, was du daraus schließt, ist das? Wirklich?", dabei zog Melda unbeeindruckt ihre Augenbraue in die Höhe. „Lass diese Anmachsprüche, bitte! Die sind ja schlechter als-" – „Deine Flachwitze?", ergänzte ich fragend ihren Satz.

Sie hielt sofort inne und sah mir vielsagend in die Augen. Ich rechnete mit dem Schlimmsten, wobei ich sie eigentlich nur ein bisschen ärgern wollte. Doch da lehnte ich mich zu sehr aus dem Fenster.

„Mit leerem Hirn spricht man nicht!", lächelte mich Derin falsch an und kniff ihre Augenlider zu Schlitzen, bevor sie beleidigt ihre Haare zur Seite schwang und uns im Schlepptau zum Eingang führte. Ich biss mir die Wangen fest, um nicht zu lachen und so Derin nur noch mehr zu provozieren.

Wir liefen in den kleinen Festsaal rein und wurden sogleich von bekannten Gesichtern begrüßt. Mit einem kurzen Schmatzer auf die Wange, begrüßte ich meine Mutter, die mich komplett gestresst ansah. Es war ihr auch nicht zu verübeln. Immerhin waren meine Tanten und Cousinen väterlicherseits auch zur Feier eingeladen, sodass ich ihre Sorgen gut verstehen konnte.

Meine Geschwister – ich miteinbezogen – hatten seit der Trennung meiner Eltern keinen guten Kontakt zur Verwandtschaft meines Vaters. Sie hielten sich das Recht, meinen Vater als den Weisen zu sehen und wagten es sogar, uns der Trennung zu beschuldigen. Umso witziger war es, sie alle auf der Hochzeit von Erdal wieder gesehen zu haben. Das überraschte Gesicht meiner Tante, lockte mir immernoch ein Grinsen auf die Lippen.

Ausgeschlossen waren unsere Cousins und Cousinen, mit denen wir auch teils gemeinsam aufwuchsen und den Kontakt immernoch aufrecht hielten. Das war auch der größte Bewegungsgrund, warum meine Schwester Nisa die Verwandtschaft meines Vaters eingeladen hatte.

Da ich auf die Zusammenkunft schon abgehärtet war, sah ich die Situation um einiges lockerer als es bei meiner Mutter der Fall war und konnte mir schon ausmalen, wie meine Tanten sich verhalten würden.

Ermutigend kniff ich in die weiche Wange meiner Mutter, während ich meinen Arm um ihre Taille schlang. „Warum machst du dir jedesmal diesen Stress? Genieß es doch endlich", versuchte ich sie lächelnd anzuspornen, während ich sie mit mir auf den Tisch zog, die schon von meiner Schwester Begüm besetzt wurde.

„Leichter gesagt als getan. Firuze wird mich noch in den Wahnsinn treiben, ich sag es dir", murmelte sie angespannt, während ihr Blick sicherheitshalber auf den Eingang schlich. „Keine Sorge, ich habe ihre Waffe gestern ein bisschen entladen. Ich denke, dass die Schlange heute nur eine Handgranate mitbringt, um dich endlich außer Gefecht setzten zu können.", schmunzelte ich belustigt und schmiegte meine Wange an ihres.

„Macht sich auch noch lustig über ihre Mutter, *eşek sıpası", lachte meine Mutter endlich auf und legte ihre Hand an meine Wange, um fest dagegen drücken zu können. (*eşek sıpası = hier: Eselstochter).

Ohne Dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt