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Lucas saß an einem Tisch im Verhörraum des Reviers, der Raum war kalt und nüchtern, mit nichts als einem Glaskasten, der von grellen Neonlichtern erleuchtet wurde. Der Verhörraum hatte eine Atmosphäre der Schwere, und der Klang des Tropfens von Wasser aus einem undichten Rohr füllte die Stille zwischen den Sätzen. Er hatte viele Verhöre geführt, doch heute war es anders. Irgendetwas war in der Luft, und er spürte, dass sich die Ereignisse, die er nicht mehr unter Kontrolle hatte, immer schneller um ihn schlossen.

Er lehnte sich zurück, die Hand über dem Gesicht, als die Tür aufging. Ein älterer Mann, um die sechzig, betrat den Raum. Er hatte graue Haare, trug einen abgetragenen Mantel und sah aus, als sei er bereits lange auf den Straßen der Stadt unterwegs. Lucas wusste sofort, dass dieser Zeuge nicht leicht zu befragen sein würde.

„Setzen Sie sich", sagte Lucas ruhig und deutete auf den Stuhl gegenüber. „Sie haben also etwas zu berichten."

Der Mann setzte sich langsam, seine Hände zitterten leicht, als er sie auf den Tisch legte. „Ich habe nicht viel zu sagen, aber das, was ich gesehen habe, ist wichtig."

Lucas' Augen verengten sich. „Erzählen Sie mir, was Sie gesehen haben."

„Ich war am Park, ganz in der Nähe der verlassenen Bank, als ich die Schüsse hörte", begann der Mann, und Lucas lehnte sich vor. „Ich dachte erst, es wäre nur ein Streit. Aber dann habe ich jemanden gesehen. Es war ein Mann. Er war schnell, lief zwischen den Bäumen entlang, als hätte er Angst, gesehen zu werden."

„Haben Sie das Gesicht des Mannes gesehen?", fragte Lucas, und seine Stimme war jetzt schärfer.

„Ja", sagte der Zeuge zögernd. „Er hatte dunkle Haare, trug einen schwarzen Mantel, und er wirkte... nervös. So, als würde er etwas tun, das er nicht tun sollte. Er kam von der Stelle, wo die Frau... die Tote gefunden wurde. Ich wusste sofort, dass er mit ihr zu tun hatte."

Lucas' Magen zog sich zusammen. Ein Verdacht, den er schon lange hegte, schien sich zu bestätigen. Der Zeuge hatte den Mann am Tatort gesehen, und jetzt gab es eine neue Spur. Er fuhr fort: „Haben Sie den Mann erkannt?"

„Ich...", der Zeuge zögerte und schien tief nachzudenken. „Ich glaube, ja. Es war der Ehemann der Frau. Ich habe ihn schon öfter in der Nähe des Parks gesehen, wenn er sie abgeholt hat. Der Mann, der da stand, er... er sah genauso aus."

Ein scharfes Ziehen in Lucas' Brust, als er den Namen hörte. Der Ehemann. Der Mann, der immer als verdächtig galt, aber nie direkt beschuldigt worden war. Hatte er wirklich seine Frau ermordet? Und warum hatte er es getan? Die Fragen türmten sich in Lucas' Kopf, doch er musste ruhig bleiben. Er konnte es sich nicht leisten, jetzt einen Fehler zu machen.

„Sind Sie sicher?", fragte Lucas leise, die Stimme jetzt ruhig, aber ernst.

„Ich kann mir nicht 100 Prozent sicher sein", gab der Mann zu, „aber er hatte das gleiche Gesicht. Und er schien so zu tun, als würde er fliehen. Wie wenn er etwas getan hatte, das er nicht tun durfte. Und... ich sah, wie er... wie er etwas in die Nähe eines Gebüsches warf. Irgendetwas kleines. Vielleicht ein Handy, ich weiß es nicht genau. Aber er hat es schnell gemacht. Als hätte er Angst, erwischt zu werden."

Lucas spürte, wie sich in ihm ein Knoten bildete. Wenn der Ehemann tatsächlich der Mörder war, wie konnte er dann vor der Polizei unbemerkt bleiben? Und was war mit dem Hinwerfen des Handys? War das Beweismaterial, das sie brauchten?

„Ich verstehe", sagte Lucas und holte ein Notizbuch hervor. „Gut, danke. Das war hilfreich. Wir werden das prüfen."

Der Zeuge nickte und stand dann zögerlich auf. „Ich... ich wollte nur helfen. Ich hoffe, ich habe das Richtige getan."

„Haben Sie", antwortete Lucas und ließ ihn aus dem Raum gehen. Der Mann verschwand, und Lucas blieb alleine zurück, die Gedanken wirbelten in seinem Kopf.

Er hatte nun etwas, das er weiterverfolgen konnte. Wenn der Ehemann wirklich am Tatort gewesen war und möglicherweise das Handy seiner Frau weggeschmissen hatte, gab es einen klaren Verdacht. Aber noch war nichts bewiesen. Der Fall war noch lange nicht abgeschlossen.

Lucas stand auf und ging zur Wand, wo die Fotos von Jessica und ihrem Ehemann hingen. Er starrte einen Moment lang auf das Bild des Mannes, dessen Gesicht ihm nun immer bekannter vorkam. Es gab immer mehr Hinweise, dass er in die Sache verwickelt war. Aber warum hatte er das getan? Und was war das Geheimnis, das er verbarg?

Seine Gedanken wurden nur durch das Klingeln seines Handys unterbrochen. Lucas griff nach dem Gerät und drückte auf den Anrufknopf. Es war sein Partner, Markus.

„Lucas, wir haben etwas", sagte Markus am anderen Ende der Leitung, und seine Stimme war angespannt. „Wir haben das Handy gefunden. Der Ehemann... er hat es wirklich in einem Busch versteckt. Und es gibt noch mehr. Du solltest sofort hierher kommen."

Lucas' Magen zog sich zusammen, als er die Bedeutung der Worte verstand. Das war der Durchbruch, den sie gebraucht hatten. Aber es war nur der Anfang. Wenn sie die Wahrheit herausfinden wollten, musste alles schnell gehen.

„Ich komme sofort", sagte er und legte auf.

Der Fall war jetzt auf einem neuen Niveau. Die Jagd nach der Wahrheit begann gerade erst. Lucas betrat den Verhörraum und schloss die Tür hinter sich. Der Raum war klein und dunkel, nur das grelle Licht über dem Tisch erhellte die Atmosphäre. Auf dem Stuhl saß der Ehemann der Toten – ein Mann Anfang 40, mit blonden, etwas schütternden Haaren und einem angespannten, nervösen Gesichtsausdruck. Er hatte eine bequeme Jacke und eine dunkle Jeans an, aber seine Hände zitterten merklich, als er sie auf dem Tisch faltete.

Lucas nahm Platz und legte eine Akte auf den Tisch. Der Ehemann schien sich zu bemühen, ruhig zu bleiben, aber Lucas konnte die Unruhe in seinen Augen sehen. Etwas war nicht richtig.

„Herr Müller", begann Lucas ruhig, seine Stimme kontrolliert, „ich schätze, Sie wissen, warum Sie hier sind. Ihre Frau wurde ermordet. Und ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen."

Der Mann nickte langsam, seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen, angespannten Lächeln. „Ja, ich weiß. Aber ich habe nichts mit dem Tod von Jessica zu tun, das schwöre ich."

Lucas lehnte sich zurück, beobachtete ihn genau. „Wir haben jedoch Informationen, die uns etwas anderes sagen. Ein Zeuge hat Sie in der Nähe des Tatorts gesehen. Direkt nach dem Mord. Er sagt, dass er Sie dort gesehen hat, in der Nähe des Parks, in dem Ihre Frau tot aufgefunden wurde. Wie erklären Sie das?"

Der Ehemann zuckte zusammen. „Was? Das ist... das muss ein Fehler sein. Ich war nicht dort. Ich habe meine Frau doch... ich..."

Lucas ließ ihn weiter reden, ohne ihn zu unterbrechen, aber seine Augen verengten sich. Der Mann war nervös, das war sicher, aber war es Schuld oder Angst vor etwas anderem?

„Sie haben Ihre Frau also nicht gesehen, nachdem sie ermordet wurde?", fragte Lucas.

„Nein, natürlich nicht", antwortete der Mann schnell. „Ich... ich war zu Hause. Ich war nach der Arbeit zu Hause, habe fernsehen und gegessen, dann das Telefonat von der Polizei bekommen. Ich habe den Anruf bekommen, dass sie tot ist, und ich... ich bin sofort ins Krankenhaus gefahren."

„Hm", murmelte Lucas. „Sie wussten also, dass sie tot war, bevor die Polizei es Ihnen sagte?"

Der Mann blinzelte und stotterte dann. „Äh, was? Nein, das war nicht so gemeint. Ich meine, ich... ich habe mich vielleicht falsch ausgedrückt. Ich war einfach in einem Schock, als ich den Anruf bekam. Ich wusste noch nicht, was wirklich passiert war. Ich wollte nur zu ihr."

Lucas beobachtete jede Regung des Mannes, seine Bewegungen, seine Mimik. Er wusste, dass Menschen manchmal so reagierten, wenn sie in einer solchen Situation unter Druck standen, aber der schnelle Versuch, sich zu verteidigen, ließ ihm ein ungutes Gefühl in der Magengrube.

„Ein Zeuge hat Sie eindeutig gesehen. In der Nähe des Tatorts, und Sie haben sich dort auch noch etwas weggeworfen. Etwas Kleines. Ein Handy, wenn ich mich nicht irre. Was haben Sie dazu zu sagen?" Lucas' Stimme wurde schärfer, seine Geduld war am Ende.

„Was?" Der Ehemann sprang förmlich in die Höhe. „Ein Handy? Ich... ich habe nichts weggeworfen. Ich habe das Handy meiner Frau nicht..."

„Nun, das ist interessant", unterbrach Lucas ihn, während er die Akte öffnete und ein Foto des Handys auf den Tisch legte. „Denn wir haben das Handy gefunden. Es wurde in einem Busch in der Nähe des Parks entsorgt. Und Ihr Fingerabdruck wurde darauf gefunden, Herr Müller. Erklären Sie sich."

Der Ehemann starrte auf das Bild, dann auf Lucas. Ein Zucken ging durch seine Miene, und für einen Moment schien es, als ob er versuchte, sich zu fassen. Dann atmete er tief ein und ließ den Kopf hängen.

„Ich...", seine Stimme zitterte. „Ich wollte nicht, dass es so endet. Ich wollte nicht, dass sie stirbt. Ich... ich habe es getan. Aber ich wollte es nicht."

„Was haben Sie getan?" Lucas lehnte sich weiter vor, seine Stimme ruhig, aber eisig.

„Ich habe sie getötet", flüsterte der Mann schließlich, und seine Augen füllten sich mit Tränen. „Es war ein Unfall. Sie hat mich verlassen, und sie wollte sich scheiden lassen. Sie wollte das Baby bekommen, und ich konnte das nicht ertragen. Es war ein Moment der Wut, ich habe die Kontrolle verloren. Sie sagte, sie würde mich nie wieder sehen. Ich... ich wusste nicht, was ich tun sollte, und dann... dann habe ich zugeschlagen."

Lucas' Blick verhärtete sich, als er das hörte. Der Ehemann brach fast zusammen, seine Hände zitterten, als er weitersprach, als wolle er sich entschuldigen, als wolle er etwas erklären, das nicht mehr zu erklären war.

„Ich habe sie erschossen", sagte er leise, beinahe unhörbar. „Ich wollte sie nicht töten. Ich wollte sie nur aufhalten, aber... es war zu spät. Ich habe die Waffe in der Hand gehabt, und als sie mir sagte, dass es endgültig war... ich konnte es nicht ertragen. Es war... alles, was ich je wollte, zerbrach in dem Moment, und dann..."

Er brach ab, und für einen Moment herrschte eine drückende Stille im Raum. Der Ehemann saß dort, zitternd und weinend, als Lucas die Worte sacken ließ. Es war kein Ausbruch der Wut, sondern ein Moment völliger Verzweiflung und Kontrolle, der in einem Mord endete.

„Sie haben Ihre Frau ermordet, weil sie sich von Ihnen trennen wollte. Sie haben Ihr eigenes Leben zerstört, nur weil Sie die Kontrolle verloren haben", sagte Lucas schließlich. „Warum haben Sie das Handy weggeworfen?"

Der Mann sah auf das Foto des Handys und seufzte tief. „Ich dachte, ich könnte es irgendwie vertuschen. Vielleicht hätte ich noch etwas Kontrolle gehabt, wenn ich die Spuren verwischt hätte. Aber es war ein Fehler. Ein weiterer Fehler, der mich endgültig in diese Hölle brachte."

Lucas ließ die Stille den Raum füllen, bevor er schließlich sagte: „Sie wissen, was auf Sie zukommt. Sie haben Ihre Frau erschossen. Und nun werden Sie für Ihre Tat bezahlen."

Der Mann nickte, völlig erschöpft und wie in einem Zustand der Akzeptanz, während Lucas die Akte wieder zuschlug. Das Gespräch war vorbei, aber die Wahrheit war nun klar – und der Ehemann würde für seine Taten bezahlen müssen.

Lucas stand im Büro des Polizeireviers, die Akte in der Hand, als er die Verhaftung des Ehemannes vorbereitete. Der Fall hatte sich nach der Befragung des Mannes endgültig geklärt. Alles, was sie brauchten, war der Moment, in dem sie ihn festnahmen. Lucas war sich sicher, dass der Ehemann von Jessica der Mörder war. Die Hinweise, die Zeugenaussagen, und die Spuren, die am Tatort hinterlassen wurden – sie führten allesamt zu ihm.

Markus kam in den Raum, der Blick auf die Akte gerichtet, die Lucas gerade durchging. „Bist du sicher, dass wir ihn heute noch festnehmen?", fragte Markus mit einem kritischen Blick.

„Wir haben alle Beweise, die wir brauchen. Der Zeuge hat ihn gesehen, das Handy wurde mit seinen Fingerabdrücken gefunden, und die Aussage des Ehemannes selbst hat die Sache eindeutig gemacht", antwortete Lucas und warf ihm einen Blick zu. „Es ist Zeit, dass er für das bezahlt, was er getan hat."

Markus nickte, aber seine Miene blieb ernst. „Wir müssen vorsichtig sein. Wenn er wirklich hinter dem Mord steckt, ist er gefährlich. Und vielleicht will er sich nicht einfach festnehmen lassen."

„Das weiß ich", sagte Lucas mit einer tiefen, nachdenklichen Stimme. „Aber er wird keine Chance haben, zu entkommen. Ich habe schon alles organisiert."

Kurz darauf stiegen Lucas und Markus ins Auto. Die Sirenen heulten leise im Hintergrund, als sie zum Haus des Ehemannes fuhren. Die Fahrt war ruhig, aber der Druck stieg, je näher sie dem Ziel kamen.

„Ich werde die Anklage verlesen", sagte Lucas, als sie vor dem Haus anhielten. „Du kümmerst dich um den Rest."

Markus nickte und verließ das Fahrzeug. Sie gingen gemeinsam zum Eingang, wo sie von einem Beamten erwartet wurden, der ihnen die Tür öffnete. Der Ehemann saß im Wohnzimmer und starrte auf den Fernseher, als er die Polizisten sah.

„Herr Müller", begann Lucas ruhig, als er den Raum betrat. „Sie sind wegen des Mordes an Ihrer Frau, Jessica Müller, festgenommen. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden."

Der Ehemann starrte sie einen Moment lang mit leerem Blick an, dann stand er langsam auf. „Ich... was? Was ist das für ein Unsinn? Ich habe nichts getan!" Seine Stimme überschlug sich, als er versuchte, sich zu verteidigen.

„Sie wurden am Tatort gesehen. Wir haben das Handy Ihrer Frau gefunden – mit Ihren Fingerabdrücken. Ihre Aussagen stimmen mit den Beweisen überein. Es gibt keinen Zweifel mehr", sagte Lucas ruhig und zeigte auf die Handfessel, die Markus ihm anlegte. „Sie sind verhaftet."

Der Ehemann zögerte, dann sprang er auf, als wolle er fliehen, doch Markus griff schnell zu und hielt ihn fest. „Es ist vorbei, Herr Müller", sagte er mit fester Stimme. „Kommen Sie mit."

Der Mann schrie, als er abgeführt wurde, und riss sich fast aus den Händen der Polizisten. „Ich habe sie nicht getötet! Ich habe sie nicht getötet!", schrie er, doch niemand reagierte. Es war sinnlos. Die Beweise sprachen für sich.

Kill me BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt