Kapitel 14

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Vielleicht solltest du langsam mal einschlafen, ertönte eine kleine mahnende Stimme in meinem Kopf.
Unter dem Rascheln der Decke wandte ich mich herum und starrte auf meinen Nachttisch. Durch die Dunkelheit konnte ich zwar nur seine Konturen erkennen, aber richtig wahrnehmen tat ich ihn ohnehin nicht. Dafür fuhren mein Kopf und mein Herz zu sehr Achterbahn. Das Bild von dunklem Holz und einem Kirchensaal zog vor meinem inneren Auge auf.
Augenblicklich glühten meine Wangen und ich drückte mein Gesicht in die kühle Kissenseite. Sofort beschleunigte mein Puls bei dem Gedanken, was heute geschehen war. An Schlafen war gar nicht mehr zu denken.
Anscheinend hatte sich mein Gehirn ohnehin dagegen entschieden, sonst würde es nicht die Erinnerung an Kierans Mund auf meinem, sein Keuchen und den Ausdruck auf seinem Gesicht hervorzaubern, während er ...
Noch immer den Kopf ins Kissen gepresst schüttelte ich ihn. Das konnte doch nicht sein. Da hatte ich es beenden wollen und dann war so etwas passiert. Konnte man sein Ziel weiterverfehlen?
Mit einem Seufzen warf ich mich auf den Rücken und starrte an die Decke, die pechschwarz und ebenso wenig zu erkennen war wie der Nachttisch.
Es war hoffnungslos. Hoffnungslos einzuschlafen. Und vor allem hoffnungslos, dass sich etwas ändern würde. Vor allem wollte ich jetzt nicht mehr, dass sich etwas änderte.
Ein Ziehen machte sich zwischen meinen Beinen breit, als mein Gehirn wieder das Kopfkino anwarf. Einen tiefen Atemzug nehmend sah ich zum Nachtisch, auf dem mein Handy lag.
Sollte ich Kieran schreiben? Oder warten, bis er mir schrieb?
Warum schrieb er mir nicht? Schlief er vielleicht schon?
Nach dem Vorfall in der Kirche hatte sich nicht mehr die Möglichkeit ergeben, mit ihm zu sprechen. Richtig zu sprechen. Großvater hatte mich erst zu einem Spaziergang und dann zum Ausmisten alter Bücher genötigt. Spenden sollten es werden an eine Bibliothek im Kinderheim. Wieder eine große Wohltat des reichen alten Mannes mit dem vermeintlich ach so großem Herzen. Dabei war die wahrscheinlich größte Wohltat daran, dass die alten Bücher das Einzige waren, was die Kinder jemals von ihm bekommen würden.
Ich schob den Gedanken beiseite, als plötzlich mein Display aufblinkte.
Sofort raste mein Herz.
Mit flinken Fingern langte ich nach meinem Handy.
Kieran: Komm rüber.
Würde ich nicht so absolut neben mir stehen, hätte ich wahrscheinlich zurückgeschrieben, wo denn das Bitte blieb. Allerdings konnte ich es jetzt kaum erwarten, seinem Befehl Folge zu leisten.
Vorsichtig erhob ich mich. Wir waren immerhin nicht allein im Haus.
Auf leisen Sohlen schlich ich zur Tür und drückte die Klinke runter. Als ich meinen Kopf hinaussteckte, war es stockdunkel. Ein Schauer fuhr mir über den Rücken. Mulmig rieb ich mir die nackten Arme. Gottseidank war es bis zu Kierans Zimmer nicht weit.
Auf Zehenspitzen schlich ich hinaus, bedacht darauf die Tür möglichst lautlos hinter mir zu schließen. Ein Kunststück bei den alten quietschenden Scharnieren. Auch der Holzboden gab bei jedem Schritt ein unangenehmes Knarzen von sich.
Ein Anflug von Erleichterung überkam mich, als ich vor Kierans Tür stand. Klopfen tat ich natürlich nicht, stattdessen drückte ich auch hier behutsam die Klinke hinunter, schob die Tür auf und schritt ins Dunkel.
Wobei stockduster wie draußen auf dem Flur war es nicht. Ein schwaches Licht leuchtete in der Ecke des Zimmers. Es war Kierans kleines weißes Nachtlicht, das er sich damals geholt hatte, um heimlich lesen zu können.
„Doch kein Elefant im Glasladen mehr", neckte eine warme tiefe Stimme mich.
Sofort stellten sich die feinen Härchen auf meinen Unterarmen auf.
Er stand in Shirt und Shorts vor mir. Mühevoll bewahrte ich meinen Blick davor, hinab zu seinen nackten, trainierten Beinen zu wandern.
„Wirklich?", fragte ich misstrauisch.
Ein leises Lachen folgte und mein Herz galoppierte.
„Vielleicht habe ich dich schon gehört, als du dein Zimmer verlassen hast."
Ich verdrehte die Augen ohne, dass er es sehen konnte.
„Gut, dass der Rest des Hauses halb taub ist", kommentierte ich.
Kieran trat einen Schritt auf mich zu. „Oha, harsche Töne für deine Verhältnisse."
Nervös zupfte ich an meinem Nachthemd. Wieso musste ich nur dieses weite lange Omakleid tragen, während Kieran so unheimlich attraktiv und nicht wie aus dem vorherigen Jahrhundert aussah? Wieso war ich nicht in Unterwäsche rübergekommen? Oder ganz nackt?
„Woran denkst du?", fragte Kieran.
Ich biss mir kurz die Unterlippe. „Darüber ob ich lieber nackt hätte kommen sollen anstatt in diesem Uralt-Nachthemd?"
Auch wenn ein Schatten auf seinem Gesicht lag, erkannte ich das Aufblitzen in seinen Augen.
Mit einem Mal stand er dicht vor mir. Seine Arme langten um mich herum und mir wurde trotz der Kühle im Zimmer augenblicklich glutheiß. Doch statt mich zu umarmen, hörte ich ein Klicken.
Er hatte die Tür abgeschlossen.
„Wie unfair, dass du einen Schlüssel hast", wisperte ich.
„Ich kann den für dein Zimmer auch klauen", kam es zurück, sein Atem dicht an meinem Ohr. „Dann können wir uns nächstes Mal bei dir einschließen."
Ich spürte sein Lächeln an meiner Ohrmuschel und wie seine Finger meine nackten Unterarme emporstreiften.
Mein Atem ging stoßweise bei der sanften Berührung.
„Dann kann ich aber gar nicht nackt rüberkommen und verführerisch im Türrahmen stehen", neckte ich mit einem Grinsen.
Prompt löste sich Kieran von mir und zog mich mit sich in Richtung Bett. „Aktuell sehe ich viel viktorianisches Nachtkleid und wenig nackt."
Ich schmunzelte und zog meinen Arm zurück. Provozierend und mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete ich das Kleid.
Ein wenig unbeholfen streifte ich es über meinen Kopf. Sofort spürte ich zwei Hände, die mir zur Hilfe eilten.
Der Stoff segelte zu Boden und ich konnte ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich glaube, an dem verführerischen Part muss ich noch etwas arbeiten."
Kierans Finger strich über mein Schlüsselbein, hinab zu meiner Brust und über meinen Nippel. Erst da fiel mir auf, dass ich abgesehen von einer ebenso unattraktiven Baumwollunterhose splitterfasernackt vor ihm stand. Doch es machte mir nichts aus. In seiner Gegenwart machte es mir überhaupt nichts aus, sodass ich, mutig geworden, auch das Höschen zu Boden gleiten ließ.
Kieran sog scharf die Luft ein.
„Also", sagte ich mit gedämpfter Stimme. „Jetzt sehe ich sehr wenig nackt bei dir und frage mich, wieso du mich überhaupt hier rüber zitiert hast."
„Zitiert." Kieran lachte und auch wenn es leise war, war es herzzerreißend schön. Deutlich geschickter als ich streifte er seine Kleidung ab. Dies hielt mich jedoch nicht davon ab, ihm zu helfen.
Bevor ich einen weiteren neckenden Kommentar abgegeben konnte, zog er mich schon zu sich und küsste mich.
Sein nackter Körper dicht an meinem und seine Lippen, die meine liebkosten, hatte ich für einen Moment das Gefühl, mein Herz würde vor Klopfen aus meinem Brustkorb springen. Vergessen war die eisige Kälte, die sonst die Wände hochkroch, und die Dunkelheit, die jeden Raum verschlang. Vergessen war all das Unheil, das dieses Haus wie ein stummer Fluch beherrschte.
In einer fließenden Bewegung leitete Kieran mich zu seinem Bett.
Wir konnten die Lippen nicht voneinander lassen, als ich in das raschelnde Laken sank. Kieran tat es mir gleich, bis ich unter ihm lag und meine Beine um sein Becken schlang.
Schwer atmend begann er seines rhythmisch über meine pochende Mitte gleiten zu lassen.
Ein Stöhnen entwich mir.
Erschrocken presste ich meine Hand auf den Mund.
„Tut mir leid", wisperte ich.
Kieran hielt kurz inne. Sein Gesicht beugte sich zu mir herab und er stupste mit seiner Nasenspitze sanft meine an.
„Keine Entschuldigungen mehr ..." Für einen Moment verharrte er in seiner Bewegung und musterte mich.
Fragend blickte ich ihn an, doch bekam seinen Blick nicht zu fassen.
Dann setzte er mit weicher Stimme an. „Du bist so wunderhübsch, Mari."
Ich spürte, wie ich errötete.
Mit den Fingerspitzen fuhr ich über seine markanten Wangenknochen hinab zu seinen perfekten Lippen.
„Du auch", flüsterte ich und es war, als würden Sonnenstrahlen durch meinen Körper tanzen. War sonst alles falsch und ungenügend in diesem Haus, war es in diesem Moment vollkommen und himmlisch schön.
Im nächsten Augenblick senkten Kierans Lippen sich wieder auf meine. Seine Zunge erkundete meinen Mund und ich tat es ihr gleich.
Vertieft in unseren Kuss, spürte ich, wie ich immer feuchter wurde. Und Kieran musste es auch fühlen ...
Da setzte er an und mit einem trägen Rück drang er in mich ein.
Ich erzitterte und krallte meine Nägel in seine Oberarme.
„Alles okay?", fragte er sofort.
Ich nickte.
„Sicher?" Leicht verunsichert zog er sich aus mir raus.
Ich schenkte ihm einen weiteren Kuss, aber merkte, dass er noch nicht vollends überzeugt war. Er hatte Angst. Angst, mir wehzutun. Doch so wie es in diesem Raum heute Nacht keinen Platz für Entschuldigungen gab, gab es auch keinen für Angst. Was sonst das Haus und mich erfüllte, war wie fortgeblasen. Und ich wollte, dass es Kieran ebenso erging.
Mein Blick suchte seinen.
Als ich ihn eingefangen hatte, langte ich nach unten. Schnell wurde ich fündig. Mit behutsamem Griff begann ich sein Glied hoch und runter zu streichen.
Ein Stöhnen entfuhr ihm und er ließ den Kopf neben mir ins Kissen gleiten. Ich bemerkte, dass ihm die Berührung gefiel, und das befeuerte mich nur noch weiter. Mit festerem Griff setzte ich mein Werk fort. Problemlos glitten meine Finger rauf und runter. Er war immer noch nass von seinem Eindringen in mich. Da zuckte sein Oberschenkel an meinem.
„Mari ...", flüsterte er und ich verstand.
Vorsichtig bugsierte ich seine Spitze an meinem Eingang. Mehr brauchte ich gar nicht zu tun, da glitt er erneut in mich hinein.
Ein lautloser Seufzer entfuhr mir, als Kieran begann, langsam zuzustoßen. Immer und immer wieder. Es fühlte sich so unheimlich gut an.
Und vor allem so viel weniger anstrengend als im Stehen heute in der Kirche. Sofort brachen sich die Bilder in meinem Kopf bahn. Wie er in mir gewesen war, seine Lippen an meinen Hals. Es entfachte nur noch stärker das sengende, pochende Gefühl in meinem Unterleib.
Es war himmlisch. Wie seine Augen, die mich durchbohrten. Sie waren wie blaues, loderndes Feuer und ein Funken besitzergreifend.
Aber es war mir recht, beflügelte mich sogar. Ich war sein und er war mein. So war es immer und so würde es für immer bleiben. Nur wir zwei ...
Meine Finger krallten sich wieder in seine Oberarme. Immer stärker peitschten die Wellen aus Glückshormonen über mich hinweg.
Mit einem Keuchen setzte Kieran seine Bewegung fort und es dauerte nicht lange, bis jeder Muskel sich in mir anspannte, mein Becken erzitterte und sich pochend um ihn.
Augenblicklich zog Kieran sich aus mir raus, griff nach unten und im nächsten Moment spürte ich etwas Feuchtes auf meinem Bauch.
Immer noch benommen blinzelte ich ihn an. Während ich mich noch fing, stand er auf und wischte mit einem Taschentuch meinen Bauch ab.
Da wurde es mir klar und prompt meldete sich die kleine mahnende Stimme in meinem Kopf.
Entsetzt betrachtete ich Kieran.
„Was ist los?", fragte er.
„Was ist mit Verhütung?", fragte ich. Weder in der Kirche noch jetzt hatten wir irgendetwas getan, um uns zu schützen. Um mich zu schützen.
„Was ist wenn etwas passiert ist?" Mein Kopf ratterte bereits. Vernunft und Logik waren zurückgekehrt und nicht begeistert von dem, was soeben geschehen war – auch wenn ich meine Tage ohnehin Über- oder Überübermorgen bekommen sollte. Also eigentlich alles sicher ... hoffentlich ...
Ich schickte ein Stoßgebet gen Himmel.
„Vielleicht sollte ich mir für die Zukunft die Pille verschreiben lassen", wisperte ich, wieder etwas gefasster.
Kurz schoben sich Kierans Mundwinkel nach oben, als er das Tuch in den Müll warf und sich zu mir hinabließ.
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Was ist daran lustig?"
Er legte sich hinter mich und nahm mich in seine Arme. Prompt fühlte ich mich etwas ruhiger.
„Möchtest du also eine Wiederholung?", nuschelte er in mein Haar.
„Wieso nur eine?" Ich musste leise kichern.
Seine Arme zogen mich enger an sich. „Ich kann auch Kondome holen fürs nächste Mal."
„Ist das nicht gefährlich, wenn die jemand im Müll oder so findet?", gab ich zu Bedenken und kuschelte mich an ihn und in die Decke.
„Ich passe schon auf." Kieran gab mir einen Kuss aufs Haar. „Dann musst du dir keine Sorgen mehr machen."
„Ich hoffe, dass muss ich ... dass müssen wir irgendwann wirklich nicht mehr", gab ich müde zurück.
„Bald sind wir hier weg."
„Bald ist noch lange ..." Ich zog seinen Arm dichter um mich. „Und das heißt auch noch lange Verstecken."
„Wenn es so wie heute ist, habe ich damit kein Problem."
Ich lachte leise, als plötzlich ein Knacken ertönte.
Sofort wurde ich stockstarr.
Kieran strich mir sanft über die Hand.
„Das ist nur das Gemäuer. Keine Sorge, es wird nichts passieren. Heute Nacht nicht und auch die nächsten nicht. Bis wir weg sind."
„Mhm", murmelte ich. So wirklich daran glauben, tat ich nicht. Es war gerade einfach zu schön. Und wenn ich hier eines gelernt hatte, dass Schönes hier nicht lange blieb. Mein Herz setzte einen Schlag aus bei dem Gedanken, Kieran auf welche Weise auch immer zu verlieren.
Ängstlich schob ich den Gedanken weg. Nein, er war hier bei mir und er würde bei mir bleiben.
Es wird nichts passieren ...

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