Der Moment, in dem er sich umdrehte und den Raum verließ, war beinahe surreal. Der Druck, den er auf mich ausgeübt hatte, schien sich in der Luft zu verflüchtigen. Doch anstatt Erleichterung zu verspüren, drängte sich bei mir nur eine düstere Erkenntnis in den Vordergrund: Ich war alleine.
Er hatte mich verlassen. Aber nicht aus Mangel an Interesse, sondern weil er dachte, er hätte gewonnen. Er glaubte, er hätte mich wieder in den Griff bekommen. Aber tief in mir wusste ich, dass das ein Fehler war. Mein Vater hatte noch nicht begriffen, dass er mir nicht mehr gehörte. Nicht in dieser Welt, und nicht in irgendeiner anderen. Ich war nicht mehr das Mädchen, das verzweifelt auf seine Rückkehr gewartet hatte. Jetzt wusste ich, wie weit ich gehen musste, um aus dieser Dunkelheit herauszutreten.
Langsam ließ ich mich gegen die Wand sinken. Meine Hände waren immer noch in den Ketten, die mir die Bewegungsfreiheit nahmen, aber ich spürte etwas anderes: die Verantwortung für mich selbst. Die Kontrolle lag jetzt in meinen Händen, auch wenn ich sie nur bruchstückhaft fassen konnte. Es war, als ob ich in diesem Moment, in der Dunkelheit dieses Kellers, endlich verstand, wer ich wirklich war – und dass ich nicht länger jemand anderes sein musste, um zu überleben.
Der Schmerz in meinen Gelenken war fast unerträglich, doch er erinnerte mich nur daran, dass ich noch am Leben war. Dass ich noch kämpfen konnte. Dass ich immer noch eine Wahl hatte.
Ich schloss die Augen, versuchte, meine Atmung zu kontrollieren, als ich die Ketten ein letztes Mal mit aller Kraft nach oben zog. Ich brauchte etwas, das mich wieder auf die Beine brachte, und in dieser Dunkelheit war es der einzige Weg, mich an irgendetwas festzuhalten. Der einzige Weg, die Kontrolle zu behalten.
Und dann hörte ich es. Ein leises, fast unhörbares Geräusch – Schritte, die sich wieder dem Raum näherten. Zuerst dachte ich, es wäre mein Vater, der zurückgekehrt war. Aber dann hörte ich die Stimme.
„Ella."
Es war Londan.
Ich zuckte zusammen, als der Name in der Stille des Kellers widerhallte. Londan, der Junge, der mir nie erklärt hatte, was er wirklich von mir wollte. Der Junge, der mir aus den Schatten entgegengetreten war, immer an meiner Seite, aber nie vollständig bei mir. Die Person, die ich immer als meinen Feind gesehen hatte, aber auch als jemand, der nie so klar in seinen Absichten war wie ich geglaubt hatte.
„Londan?" Meine Stimme war rau, fast heiser. Ich hatte ihn in diesem Moment nicht erwartet. Und vor allem hatte ich nicht erwartet, dass er jetzt hier, in diesem Raum, stand – als ob er immer schon gewusst hätte, dass dies der Moment war, der alles ändern würde.
„Du hast dich verändert", sagte er leise, als er näher trat. Ich konnte den Schmerz in seiner Stimme hören, aber auch die Unsicherheit. Er hatte sich nie ganz sicher sein können, welche Seite er wählen sollte. Und vielleicht hatte er sich nie die Frage gestellt, auf wessen Seite er wirklich stand.
„Ich habe mich nicht verändert", antwortete ich, ohne ihm in die Augen zu sehen. „Du hast mich nie wirklich gekannt. Du warst immer nur ein Teil von allem, was mir vorgemacht wurde."
Er schwieg für einen Moment, dann setzte er sich vorsichtig neben mich, das leise Klicken seiner Schuhe auf dem Boden hallte in der Stille wider.
„Ich weiß, dass du mir nicht vertraust", sagte er schließlich. „Aber ich..." Er stockte, als ob ihm die richtigen Worte fehlten. „Ich wollte dir immer die Wahrheit sagen. Aber ich hatte Angst. Angst, dass du mich hassen würdest."
Ich drehte mich zu ihm, der Schmerz in meinem Blick war nun unverkennbar. „Hassen? Du hast mir nie die Möglichkeit gegeben, dich zu verstehen. Du hast dich nie für mich entschieden. Du hast mich benutzt, genauso wie er."
Londan senkte den Blick. „Ich weiß. Und das ist der Fehler, den ich nicht mehr ungeschehen machen kann. Aber es gibt noch etwas, das du wissen musst, Ella. Etwas, das..." Er sah sich um, als ob er sicherstellen wollte, dass niemand anders hören konnte. „Etwas, das dein Vater dir nie erzählt hat."
Ich zog die Ketten an meinem Handgelenk und starrte ihn an, die Wut in mir wuchs. „Was?" Meine Stimme war hart, aber ich konnte die Neugier nicht unterdrücken. Was konnte er mir sagen, das mir noch helfen würde, diese Welt zu verstehen?
Er zögerte noch einen Moment, dann flüsterte er: „Er hat dich nicht nur benutzt, um seine eigenen Ziele zu erreichen, Ella. Du bist viel wichtiger als das. Du bist das Einzige, was er je wirklich gewollt hat. Aber er wollte dich immer kontrollieren. Du bist der Schlüssel zu allem, was er gebaut hat. Du bist..."
Ich hielt den Atem an. „Was meinst du?"
Londan sah mich mit Blicken an, die nun voller Sorge und, ja, sogar Mitleid waren. „Du bist mehr als nur ein Spielstein, Ella. Du bist die Person, die er braucht, um alles zu kontrollieren. Dein Leben ist nie dein eigenes gewesen – und das ist es, was er nie zugelassen hat. Du... du bist ein Teil von etwas Größerem."
Meine Gedanken rasten. Ein Teil von etwas Größerem. Ein Teil von... was?
„Was redest du da?" Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Was bedeutet das?"
Doch Londan antwortete nicht sofort. Er zog einen Zettel aus seiner Tasche und legte ihn in meine Hand. „Dein Vater hat dich nie wirklich weggeschickt, Ella. Du warst immer für etwas anderes vorgesehen."
Ich entfaltete den Zettel vorsichtig. Die Worte, die darauf standen, ließen mein Herz für einen Moment stillstehen.
„Du bist ein Teil von ihm. Ein Teil von diesem... Plan."
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Blake
Romance"Wieso bist du noch hier?" "Weil ich dich liebe." Blake und Ella. Er ist der Badboy der Schule, den jedes Mädchen will aber nicht haben kann. Er interessiert sich für niemanden und vorallem nicht für Ella. Auch er hat sich schon einige Male über s...