17. Nix da Nixe

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Sofort liessen die Feen mein Haar los, schwirrten davon. Ich sank tief ins kalte Nass und kam wieder an die Oberfläche, das Pulver an meiner Haut klebend und brennend. Um es nur noch schlimmer zu machen, schluckte ich bei meinem Versuch, an der Wasseroberfläche zu bleiben, vom brennenden Wasser eine Menge und mein Rachen fühlte sich daraufhin an, als würde er unter Feuer stehen. "Fin...", japste ich und schlug verzweifelt um mich. Ich tauchte unter, zappelte mit aller Kraft, um möglichst schnell wieder an die Oberfläche zu gelangen. Der Feenstaub war inzwischen auch in meine Augen eingedrungen und als ich meinen Kopf wieder über dem Wasser hatte und die Augen aufschlug, brannten diese genauso wie der Rest des Körpers. "Fin..", versuchte ich es nochmals und die Kraft ging mir langsam aus. Ich spürte neben mir den Baumstamm und erleichtert griff ich danach und krabbelte nach mehreren Versuchen wieder drauf.
Nach einer Minute hatte ich mich wieder ein bisschen beruhigen können und meine Sicht verbesserte sich auch allmählich wieder. "Fin!", rief ich nun und schaute mich um. Aber Finlay war nirgends zu sehen, was mir nicht gerade Mut machte. Die Feen waren inzwischen zurückgekehrt und wollten wieder nach meinem Haar greifen. "Weg da!", schrie ich sie an und schlug eine Fee mit der Hand weg. Nun hatte ich wirklich keine Zeit mehr für diese kleinen Biester. Das war jedoch ein Fehler gewesen und ich merkte es erst, als die ganze Wasseroberfläche mitsamt des Baumstammes in Flammen aufging. Wenn ich nicht in Todesgefahr gewesen wäre, hätte ich mich sicher gewundert, wie Wasser in Flammen stehen konnte, aber ich verlor keine Sekunde und liess mich wieder ins Wasser zurückgleiten. Wenn ich zwischen Verbrennen oder Ertrinken wählen konnte, war mir die zweiten Wahl schon lieber. Ich liess den Baumstamm hinter mir und versuchte mit einem Gemisch aus Trampeln und Zappeln so schnell wie möglich vom Feuer wegzukommen. Da ich den Rauch und die Hitze schon an meiner Wange streicheln spüren konnte, blieb mir schlussendlich nichts anderes übrig, als unterzutauchen.

Kaum hatte ich die Oberfläche hinter mir gelassen und war tiefer geschwommen, linderte sich der Schmerz ein wenig. Der Feenstaub kam in der Tiefe des Sees nicht mehr hin und konnte daher auch nicht in Flammen aufgehen. Ich blieb eine ganze Weile unter Wasser, bis ich wieder gezwungen war, Luft schnappen zu gehen. Ich verlor keine Minute und tauchte wieder hinunter. Wo um Himmels Willen war nur Fin!, schoss es mir durch den Kopf und ich ruderte mit meinen Armen, sodass ich in Bewegung blieb. War ihm etwas zugestossen? Als hätte der See nur darauf gewartet, mir die Antwort zu liefern, erschien plötzlich vor mir eine Gestalt. Es waren besser gesagt zwei Personen die eng ineinander verschlungen waren. Die eine war eine Frau in einem wunderschönen, grünen Kleid aus Seide und mit wunderbarem, langem roten Haar, die andere war unverwechselbar Finlay. Erst jetzt sah ich, dass Finlay bewusstlos, - oder tot - sein musste, da dieser sich nicht rührte. Die Frau schien Finlay mit ihren Lippen den Hals zu liebkosten, und bei diesem Anblick ergriff mich eine unerklärliche Wut. Ich zog die Frau mit aller Kraft von Finlay weg und wollte ihr klarmachen, dass sie hier nichts verloren hatte. Als ich aber erkannte, wer die Frau war, liess ich sie vor Schreck wieder los. Du!, dachte ich und meine Lungen fingen plötzlich an, zu reklamieren, da ich dringend wieder Luft brauchte. Die Frau leckte sich die Lippen mit der Zunge ab und lächelte dabei höhnisch. Dann fauchte sie mich an und schwamm schliesslich so schnell wie ein Fisch davon. Was war das denn?, dachte ich und griff Finlay am Arm, sodass ich ihn zurück an die Oberfläche ziehen konnte. Erst jetzt bemerkte ich, dass eine tiefe Wunde an seinem Hals klaffte und das Blut das Wasser um ihn rot färbte. Nein!, dachte ich voller Panik, er ist verletzt! Es war schwierig, einen bewusstlosen -das hoffte ich zumindest- Mann an die Wasseroberfläche zu bringen, wenn man eigentlich nicht schwimmen konnte. Erstaunlicherweise und mit ganz viel Glück ertranken wir nicht und ich schaffte es sogar, ans Ufer zu kommen. Nur hatte ich Mühe, Finlay aus dem Wasser zu schleifen, da er für meine Verhältnisse sehr schwer war. Ich brachte es dennoch fertig, seinen Oberkörper auf festen Grund zu bringen und ihn auf den Rücken zu drehen. "Fin!", rief ich und rüttelte ihn, als könnte ich ihn einfach aus dem Schlaf wecken. Er rührte sich nicht und zu meinem Schreck atmete er nicht einmal. "Nein!", schluchzte ich. "Lass mich nicht alleine!" Ich hatte zwar vor vielen Sachen Angst, aber erst jetzt wurde mir bewusst, dass meine allergrösste Angst war, alleine zu sein. Ich darf Fin nicht einfach dem Tod überlassen, dachte ich bestimmt und fing an, mit meiner Hand auf Finlays Brust zu schlagen. Wieder einmal wusste ich nicht wirklich, was ich tat, aber es kam mir einfach am logischsten von allen möglichen Sachen vor, die ich nun hätte tun können. Nach drei Schlägen begann ich aber, an mir zu zweifeln. Was, wenn es zu spät war? Dann würde es auch meinen Tod bedeuten. "Bitte Fin", jammerte ich und rüttelte ihn wieder. Er keuchte auf und spie Wasser aus. Dann sah er mich mit schwach glänzenden Augen an, lächelte und murmelte: "Keitha", bevor er wieder bewusstlos wurde. Er lebte! Ich seufzte vor Erleichterung und liess mich neben ihn auf den Boden fallen. Mein Körper zu Tode erschöpft, fielen meine Augen zu und auch ich sank neben ihn in einen tiefen, ruhelosen Schlaf.

Ein Regentropfen fiel mir auf die Nase. Ich schlug die Augen auf und hatte für eine Sekunde lang keine Ahnung mehr, wo ich war und ob ich noch lebte. Ein Grollen ertönte, das Gewitter wurde angekündigt und kurz darauf prasselte es nur von Regentropfen. Ich schob meinen Kopf zur Seite und erblickte Finlays reglosen Körper. Mist!, dachte ich und schwang mich schnell auf die Beine, was vielleicht nicht unbedingt eine gute Idee war, da mein Körper immer noch vom Feenpulver geschwächt war und ich mich kaum auf den Beinen halten konnte.
Bitte sei nicht wieder tot!, betete ich in meinen Gedanken und berührte Finlays Gesicht. Er atmete zwar noch, aber sein Gesicht war kreidebleich und sein Körper badete in seinem eigenen Blut, soviel hatte er davon verloren. Ich war zu erschöpft gewesen, auch nur an Finlays Wunde an seinem Hals zu denken und und die Blutung zu stillen. Finlay war wegen mir beinahe verblutet! Ich berührte nun Finalys Wunde, wo immer noch Blut raus
kullerte. Es sah aus, als ob ein ganzes Stück seiner Haut mit den Zähnen abgerissen worden war. Es grauste mir, als mir bewusst wurde, dass die Frau Finlay lebendig verspeisen wollte.
Was sollte ich denn nur tun? Ich hatte keinen Schimmer, wie man eine Wunde behandelte oder eine Blutung stoppen konnte. Das hatte ich auch nie nötig gehabt.
Ich zog Finlays durchnässte Tasche zu mir und fing an darin zu wühlen und die verschiedenen Gegenständen aus zu packen. Eine Wasserflasche, die fast leer war, zwei Decken, viele verschiedene unbekannte Kräuter und Gräser, Bandagen und zwei Schatullen, die je mit einer Paste gefüllt waren.
Die waren für Wunden sicher nicht schlecht.
Als erstes beschloss ich, die Bandagen zu nehmen und damit zu versuchen, das Bluten zu stoppen.
Ich presste fest daran und hoffte, dass es wirken würde. Doch die Blutung war nicht zu stillen. Finlay verlor immer mehr Blut, der Regen prasselte stärker auf uns ein und Kälte ergriff mich am ganzen Körper.
Es dauerte nicht lange, bis ich am schlottern war und meine zittrigen Finger die Bandagen kaum aufrechthalten konnten. Nein! Ich zwang mich, nicht aufzugeben, biss mich auf die Lippen und konzentrierte mich auf Finlays Wunde. Warum nützt das nicht?, fragte ich mich verzweifelt. Die Bandagen waren schon von Blut durchzogen und nicht mehr brauchbar und ich warf sie wütend weg. Danach griff ich nach dem nächstbesten Gegenstand, den ich bekommen konnte: Eine der Decken und die Schatullen. Wer weiss? Vielleicht halfen die, Blutungen zu stoppen... Aber welche der beiden sollte ich nehmen? Wieder einmal war ich völlig verloren in dieser Welt und ich hatte keine andere Wahl, es dem Glück zu überlassen. Mit zitternden Fingern öffnete ich eine der Schatullen und rieb einen Daumen voll von der Paste auf die Wunde. Dann zerriss ich die Decke und band ein Stück Stoff um Finlays Hals. Mehr als warten und hoffen blieb mir anschliessend nichts mehr übrig.

KeithaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt