Es tat gut, einigermassen sauber zu sein und nicht mehr nur aus Dreck zu bestehen. Ich fühlte mich wieder voller Energie, was mich darauf deuten liess, dass es am Wasser des Flusses liegen musste. Ich verlor kein Wort über das Mädchen, genauso, wie ich es mit dem Adler handhabte. In den darauffolgenden Stunden wurde das Wandern trotz des Wassers immer schwieriger, da es immer steiler hinauf ging. Der Wald wurde auch nach jedem Schritt dichter, dunkler und unheimlicher. Die schönen Blumen waren im Gegensatz zu dieser Stelle des Waldes das Paradies persönlich gewesen, dachte ich verärgert und ängstlich. Hier war es einfach unheimlich.
Mehrmals waren Schreie von irgendwelchen Wesen erklungen und durch die Untiefen des Waldes gedrungen und ich hoffte besorgt, dass mein lieber Freund der Adler unversehrt war. Finlay hatte durchaus die Erfahrung, uns von Gefahren fern zu halten, da wir noch niemandem begegnet waren.
"Wartet!", keuchte ich nach vielen Kilometern erschöpft. "Pff...Pause..pff"
"Ach, du bist schon müde, Kleine?", grinste Cronan höhnisch, was mich verärgerte. "Du kannst gut reden, du trägst keine Tasche!", raunte ich mürrisch. "Oh, dann sollte doch Konnor sie tragen", meinte er nur und ging weiter, als wäre die Angelegenheit damit geklärt. "Er kann nicht mit seinem gebrochenen Arm", erwiderte ich. "Okay, Fin! Trag du sie!", befahl er Finlay und schnipste dabei mit seinen Fingern, als wäre sein Bruder sein persönlicher Sklave.
"Nein! Fin trägt bereits eine Tasche, du arroganter Kotzbrocken!", mischte sich Konnor wütend ein. Eine kurze Pause trat ein, bis Cronan wieder das Wort ergriff. "Gut, gib sie mir, Kleine. Aber du bist mir was schuldig, dafür dass ich deinen Bruder nicht in kleine Stücke zerrissen habe." Beleidigt riss er mir dann die Tasche aus der Hand und schritt trotzig weiter.
"Danke", sagte ich eher an Konnor gewandt als an Cronan.
"Doch gerne gemacht", grinste Konnor mich mit seinem schrägen Lächeln an und wir marschierten weiter. Nach wenigen Minuten hatten wir den steilsten Teil hinter uns gelassen - das hoffte ich zumindest - und waren wieder auf flachem Grund unterwegs. Der Wald hatte sich abermals verändert. Nun waren viele Lichtungen sichtbar, auf denen grünes Gras wuchs und Pferde weideten.
"Einhörner", murmelte Finlay und nickte in die Richtung der Pferde. "Sie stellen keine Gefahr dar, wenn wir sie in Ruhe lassen." Ich betrachtete die eleganten Geschöpfe und mein Herz füllte sich mit Wärme. Trotz der weißen, spitzen Hörner auf ihrer Stirn sahen sie friedlich aus. Ich hatte dasselbe, seltsam vertraute Gefühl im Magen wie damals, als ich dem Adler begegnet war.
"Sie sind wunderschön", murmelte ich und erst als Konnor mich anstupste, ging ich weiter.
Plötzlich bebte die Erde unter unseren Füssen.
"Was war das?", fragte Cronan und das Beben trat erneut ein. Die Einhörner hoben die Köpfe und scharrten nervös auf dem Boden. Als das kurze Beben zum dritten Mal eintrat, galoppierten sie davon.
Ein Geschöpf, das etwa drei Meter lang war, viele Warzen am ganzen, grünlichen Körper trug und eine große, dicke Keule hinter sich herzog, erschien in unserem Blickfeld. Das Wesen schlug mit dem Holzstück auf die Einhörner ein, mit jedem Schlag, der daneben ging ein Beben auslösend. "Troll", flüsterte Finlay kaum merklich und sein Gesicht wurde blass. "Wir müssen umkehren, sofort!" Keiner widersprach, so leise wie möglich kehrten wir um und schlichen schnell zurück. Aber der Wald hatte eine neue Form angenommen. Dort, wo vor kurzem noch ein winziger Pfad gewesen war, den wir für den steilen Hang zum Besteigen gebraucht hatten, war nun eine Felswand, die Steil in die Tiefe fiel und den Abstieg unmöglich machte. Es war, als wäre der Berg gespalten worden.
"Na super!", schimpfte Cronan und sah verzweifelt hinunter. "Keine Ahnung, wie wir das überleben können!"
"Psccht", zischte ich, weil ich Angst hatte, dass der Troll uns hören könnte. Aber es war zu spät, der Troll hatte uns schon längst entdeckt und stampfte mit langen, schweren Füssen auf uns zu. Finlay und Cronan zückten ihre Schwerter und ich mein Messer. "Ernsthaft?", lachte Cronan bei dessen Anblick, bevor er sich schliesslich auf den Troll stürzte, gefolgt von seinem Bruder. Der Troll schwang bedrohlich seine Keule in die Richtung seiner Angreifer, grauenvoll grunzend. Die Brüder wichen aus und stachen von verschiedenen Seiten ins zähe Fleisch. Ein Schmerzensschrei entwich dem Troll, seine Keule schleuderte auf die beiden Brüder zu, die auf den Boden geworfen wurden. Für einen Moment dachte ich, dass sie verletzt waren, oder noch schlimmer, tot. Was nun? Der Troll kam direkt auf mich und Konnor zu, und ich stand da, lächerlich mit meinem winzigen Messer, als könnte ich etwas ausrichten. Es reichte jedoch nicht, mich zu entscheiden, was ich tun sollte, da der Troll wieder die Keule über seine Schulter hob und sie kurz danach auf mich zuschiessen liess. Der Hieb traf mich heftig in die Seite, woraufhin ich mehrere Meter weit durch die Luft geschleudert wurde und auf einmal befand ich mich am Rand der Felswand. "Nein, Keitha!", rief mein Bruder während ich über den Rand der Klippe rutschte. Panisch versuchte ich mich an etwas festzuhalten, etwas, das möglicherweise meinen Sturz in den Tod verhindern konnte. Aber es war sinnlos, das wusste ich. Meine Hände griffen nach glitschigen Steinen, einer Wurzel, die mich hätte retten können, war zu meinem Pech nicht zu Verfügung, und dann fühlte ich, wie mein Körper keinen Boden mehr unter sich hatte, sondern in den Tod fiel. Adler hilf mir!, war mein letzter Gedanke bevor ich durch das Schwindelgefühl langsam ins Dunkle sank. Doch meine letzte Hoffnung doch zu überleben wurde bitter enttäuscht, nur Konnors verzweifelter Schrei drang noch zu mir durch.Das war meine Geschichte. Ich hätte auf meinen Vater hören sollen. Der Wald ist ein tödlicher Ort und man sollte nicht dorthin gehen, vor allem, weil ich gerade eben meinen Tod dort gefunden habe. Nur zu schade, dass ich die Geheimnisse und die Mysterien, die dieser Ort beinhaltet, nie lösen konnte. Der Adler, mein Vater, das Mädchen, Finlay und Cronan, und der Diamant natürlich.
Aber etwas stimmt hier trotzdem nicht. Wenn ich tot bin, warum kann ich dann immer noch denken?
Und warum kann ich dann immer noch fühlen, vor allem den Schmerz?Meine Schulter und mein Bein schmerzten, unter mir konnte ich wieder festen Boden spüren.
Während das Licht um mich heller wurde, wurde mir schnell klar, dass ich nicht im Paradies sein konnte, da Umrisse von Bäumen Schatten auf mich warfen.
Nein, ich war immer noch im Wald. Ich war nicht tot! Ausser das Paradies war schmerzhaft.
Nun konnte ich einen neuen Umriss erkennen. Es war der eines Vogels.
Adler! Du hast mich doch gerettet! Ich wusste es!Schmerzhaft versuchte ich den Kopf zu heben, mir fehlte aber die Kraft dazu. Wie gelähmt lag ich am Boden, alle viere von mir gestreckt. Hilf mir! Ich kann mich nicht bewegen.
Als hätte der Adler meine Gedanken gehört, kam er näher heran und strich zärtlich seinen Schnabel über meine Wange. Dann begann er Federn zu verlieren, eine nach der anderen.
Nein! Was ist mit dir los? Ich konnte nur entsetzt zusehen, wie der Adler sein Gefieder und seine ganze Pracht verlor. Du stirbst, wie ich! Wenn ich sterbe, dann stirbt mein Schutzengel auch! Gedanken flitzten durch meinen Kopf, ich wollte ihm helfen, ihn vor dem sicheren Tod bewahren, doch ich konnte mich noch immer nicht rühren.
Mit pochendem Herzen sah ich das Ende des Vogels auf mich zukommen, genauso wie ich meinen eigenen Tod erwartete.
Doch ich irrte mich: Der Vogel war nicht am Sterben. Unter den Federn kam eine Person hervor, eine Person, die ich eindeutig kannte...Nun ist es soweit. Das Geheimnis des Adlers wird bald gelöst sein! Aber wer ist die Person? Lasst mich wissen wer es ist, ich bin gespannt.
Eure Ysilra
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Keitha
Fantasía"Geh nie in den Wald!" Diese Warnung ist das Einzige, was Keitha noch von ihrem verschwundenen Vater geblieben ist. Niemals hätte sie sich jedoch vorstellen können, dass sie ausgerechnet mit ihrem Bruder und den zwei Männern, die sie bestehlen wollt...