"Verzaubert? Wie genau das denn?" Ich verstand nichts.
Nochmals folgte eine kurze Pause, in der Cronan und Finlay sich ansahen, und bis ich eine Antwort kriegte.
"Er ist gefüllt mit magischen Wesen und noch schlimmer, der Wald selber steht unter einem Fluch: Wenn jemand in den Wald geht, kommt er im Grunde nie mehr raus. Der Wald verändert sich immer, als würden sich die Bäume verschieben und es ist unmöglich, zurück zu gehen und an den selben Ort wie zuvor zu kommen", erläuterte Finlay weiter.
Ich bekam bei dieser Vorstellung eine Gänsehaut. Irgendwo hatte ich schon mal eine ähnliche Beschreibung vom Wald gehört.
"Der Wald ist ein Labyrinth", flüsterte nun Finlay und machte sich wieder an die Arbeit.
Bei diesen Wörtern hatte ich einen Geistesblitz. "Mein Vater hat genau dieselben Worte gesagt, vor sehr langer Zeit!", entfuhr es mir.
"Dann war er ein weiser Mann", murmelte Finlay nur und beendete seine Arbeit. Er stand auf und musterte mich mit dem Blick, der mich immer zum Schaudern brachte.
"Was ist mit ihm passiert?"
"Er ist verschwunden und nie zurückgekehrt", sagte ich traurig. Cronan kam näher und drückte mich an sich. "Das tut mir leid", meinte er und strich mir übers Haar, was mich rot anlaufen liess. Ich fühlte mich unwohl in Cronans Armen. "Ähm, das geht schon, es war ja schliesslich vor langer Zeit", japste ich und befreite mich von ihm.
"Was ich nicht ganz verstanden habe...", hakte ich an Finlay gewandt nach, "wenn es immer schon magische Wesen gegeben hat, warum hat niemand sie je gesehen?"
"Das ist ganz einfach", erwiderte Finlay, "diese magischen Wesen können den Wald nicht verlassen. Der Zauber des Waldes hält sie davon ab."
Ich versank in Gedanken. Irgendetwas stimmte nicht an all dem. Vor kurzem hatte ich doch einen Adler ausserhalb des Waldes gesehen, und er war sicher auch ein magisches Wesen. Und woher wusste Finlay soviel davon? Hatte er nicht gesagt, dass er schon mal einen Werwolfsbiss gepflegt hatte?
"Du sprichst, als wärst du schon einmal im Wald gewesen...", stellte ich zögerlich fest. Finlay nickte. "Cronan, ich und unsere drei anderen Geschwister waren schon einmal in diesem Wald. Wir...wir..." Finlay zögerte lange, bevor er weitersprach und ich wurde dadurch nur neugieriger. "Wir sind raus gekommen, mussten aber einen hohen Preis dafür zahlen", meinte er schliesslich. "Was für einen Preis denn?", hakte ich weiter nach und Cronan stand plötzlich sehr unruhig neben mir. Finlay wollte mir gerade antworten, als Cronan dann das Wort ergriff. "Hey Fin! Du willst der Kleinen doch keine Angst einjagen, oder?", lachte er gezwungen und warf seinem Bruder vernichtende Blicke zu. "Wie wäre es, wenn wir nun mal was essen und trinken und warten, dass der Bengel endlich aufwacht, mh? Etwas hat er bei all seiner Dummheit doch noch richtig gemacht: Er hat viele Vorräte eingepackt." Er wies auf Konnors Tasche, die halb offen stand und Finlay machte sich mit einem halb verärgerten Blick daran, Essen auszupacken.
Nur zu dumm, dachte ich. Was mussten diese zwei beim letzten Mal wohl opfern? Ihre anderen Geschwister? Anscheinend war ich nicht die einzige, die misstrauisch war und die Wahrheit nicht ausspucken wollte.
Zu viele meiner Fragen blieben jedoch unbeantwortet. Ich wollte zu gern mit Finlay unter vier Augen sprechen, nur würde Cronan mich nicht aus den Augen lassen.
"Hier, iss!", zog mich Cronan aus meinen Gedanken und drückte mir ein Stück Brot in die Hand. Plötzlich hatte ich eine Idee. "Danke, aber ich muss eigentlich mal dringend...", sagte ich zaghaft. Als Cronan verstand, formte er seine Lippen zu einem Grinsen und sagte nur:" Nur zu, Kleine. Du kannst ruhig hinter diesem Baum pinkeln. Ich schaue schon nicht hin. Vergiss aber nicht: Wenn zu weit weg läufst, wirst du nie mehr zu uns zurückkehren können." Schnell verschwand ich hinter dem Baum. Was nun? Weiter hatte ich nicht gedacht. Cronan hat mich durchschaut, wurde mir auf einmal klar. Was soll's! Vielleicht werde ich ein anderes Mal die Gelegenheit finden, ihre Geheimnisse zu lüften.Konnor gewann erst bei Anbruch der Nacht wieder das Bewusstsein. Er stöhnte vor Schmerz und war nicht ganz bei Sinnen. Da sein ganzer Kopf mit Bandagen verbunden war, konnte er nichts sehen und dies löste Panik in ihm aus. Erst nach langem Trösten und Erklären, was mit ihm geschehen war, sank er wieder in einen tiefen Schlaf.
Cronan gefiel die Sache immer weniger, da er immer mehr vor sich her schimpfte und nervös hin und her ging. Bei jedem noch so kleinen Geräusch fuhr er zusammen und zückte sein Schwert, was mich nicht wunderte, da mir der Wald nach Finlays Erzählung genauso unheimlich vorkam. Ich fürchtete mich vor allem vor der Nacht, weil ich Angst hatte, dass der Werwolf zurückkommen könnte.
Der Einzige, der ruhig blieb, war Finlay. Gelassen sammelte er nicht all zu weit weg Holz ein und zündete ein Feuer an. Ab und zu ging er zurück zu Konnor, um entweder seine Wunden zu säubern, oder diese zu kontrollieren."Wie lange geht das noch, bis wir weitergehen können?", fragte Cronan verzweifelt, als wir gerade um das Feuer sitzend am Essen waren. "Uns gehen bald die Vorräte aus und wir sind erst seit einem Tag hier!"
"Konnor ist noch nicht stark genug, um gehen zu können. Er muss sich vorerst ausruhen", erwiderte sein Bruder bestimmt und die angespannte Atmosphäre, die ich heute schon einmal gespürt hatte, war plötzlich zurückgekehrt. Cronan wurde wieder rot im Gesicht. Er sah mich kurz an und sprach dann in ihrer Sprache weiter. Das war eindeutig nicht fair! Ich konnte kein Wort mehr verstehen. Alles, was ich mitbekam, war, dass Cronan immer wütender mit seinen Armen herumfuchtelte und Finlay immer lauter auf ihn einschrie. Nach zehn Minuten Streit konnte ich einfach nicht mehr zusehen. Bisher hatte ich mich nie in Streitereien eingemischt, weil es mir an Mut gefehlt hatte, etwas zu sagen. Aber unterdessen war mir klar geworden, dass der Streit kein Ende finden konnte und dass ich, als Hahn im Korb, äh, besser gesagt als Huhn im Korb, diese Angelegenheit unter Kontrolle bringen musste.
"Seid still! Beide!", schrie ich daher und es wurde sofort still. "Keine Ahnung, über was ihr gerade streitet, aber bitte, hört doch auf! Wenn wir alle überleben wollen, müssen wir doch zusammenhalten. Ich will einfach von hier weg und wenn ihr euch weiter streitet, hilft es uns auch nicht weiter!", schimpfte und schnaufte ich verärgert. "Und wenn ihr was zu sagen habt, dann bitte in meiner Sprache!"
Die Brüder blieben stumm und trauten sich nicht, auch nur ein Mucks mehr von sich zu geben. Schliesslich erhob sich Cronan mit einem beleidigten Gesichtsausdruck und ging zu Konnors Tasche, die er anfing zu durchwühlen. Als er gefunden hatte, was er suchte, kam er zurück. "Hier! Das darf ich hoffentlich wiederhaben, ohne einen Vorwurf zu bekommen!", meinte er und zeigte den Diamanten in seiner Hand. Dann stampfte er wie ein kleines Kind frustriert zu seinem Schlafplatz und legte sich, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schlafen."Weswegen ist er so beleidigt?", wunderte ich mich über Cronans Verhalten und sah zur Stelle, wo er lag, hinüber.
"Das ist unwichtig," meinte Finlay nur. "Wir sollten uns langsam auch hinlegen, es ist spät."
Auch er ging zu seinem Schlafplatz hinüber. "Ach, nur noch was, bevor wir einschlafen..." , fügte er noch schnell hinzu. "...Da du dich als so mutig erwiesen hast, unseren Streit zu beenden, kannst du die halbe Nacht Wache halten. Es könnte jederzeit etwas passieren."Und wer macht die andere Hälfte?", fragte ich überrascht.
"Weck einfach Cronan auf, er wird den zweiten Teil der Nachtwache übernehmen", antwortete er und zog eine warme Decke über sich. "Gute Nacht", konnte ich nur noch hören und dann war ich allein.Hallo zusammen! Hoffentlich hat euch das Kapitel gefallen. Was denkt ihr: Was hat Keithas Vater mit dem Wald zu tun?
Lasst mich wissen, was ihr denkt. Und vergisst nicht: if you enjoy it, vote for it ; )
Eure Ysilra
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Keitha
Fantasy"Geh nie in den Wald!" Diese Warnung ist das Einzige, was Keitha noch von ihrem verschwundenen Vater geblieben ist. Niemals hätte sie sich jedoch vorstellen können, dass sie ausgerechnet mit ihrem Bruder und den zwei Männern, die sie bestehlen wollt...