Part 15 ~ Kein Ausweg

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Für Hayley Westenra, die mir vielleicht ihren Namen leihen würde

Newt pov

Ich wachte auf und wusste, dass meine Augen geöffnet waren, doch sehen konnte ich nichts. Es war stockdunkel um mich herum, nur ab und zu schoss ein rotes Licht an mir vorbei. In solchen Momenten merkte ich, wie schnell ich mich nach oben bewegte und es dauerte geraume Zeit, bis ich begriff, dass nicht ich mich bewegte, sondern etwas, in dem ich saß. Mit den Handflächen fuhr ich über die Oberfläche des Bodens, die sich rau anfühlte und voller Löcher war. Warte, Moment, keine Löcher. Es war ein Gitter, ich saß auf einem Gitter. Mit zitternden Knien erhob ich mich und stakste auf ein Ende dieses Raumes zu, bis ich mit der Nase gegen eine weitere Gitterwand stieß. Unter normalen Umständen hätte ich vielleicht gelacht, aber im Augenblick konnte ich mich nicht einmal sehen. Vielleicht hätte ich lustig ausgesehen. Wie sah ich überhaupt aus? Eben hatte ich mich halbwegs beschwipst gefühlt, jetzt überkam mich eine Welle der Panik. Wo war ich hier? Wohin war ich unterwegs, wohin bewegte sich das Gitterteil? So viele Fragen, auf keine eine Antwort. Wie hieß ich? Konnte ich mich noch an irgendetwas erinnern? Es musste doch etwas geben! Ich müsste mich doch an meine Eltern erinnern, müsste wissen, wo ich gewohnt hatte! Ich konnte nicht schon immer hier gewesen sein, nein, ganz ausgeschlossen. Schließlich war ich ja kein Baby, ich konnte denken, fühlen, die stählerne Luft in diesem Raum schmecken. Ich wusste, was was war, ich kannte Worte wie Raum, Gitter, Löcher. Ich tastete nach einer Waffe. Es musste doch eine Waffe geben, irgendwas, womit ich mich im Notfall verteidigen konnte. Mit den Fingerspitzen stieß ich gegen einen Gegenstand aus Stoff. War das ein Beutel? In der noch immer vollkommenen Dunkelheit sah ich nicht einmal meine Hand vor Augen und wenn, woher wüsste ich, dass es meine Hand war? Ich wusste nicht wie ich aussah, also, was brachte es mir, ein Körperteil zu sehen? Es wäre praktisch wenn ich diesen Beutel sehen könnte... da war eine Schleife, locker gebunden, leicht zu öffnen. Ich zog an dem Bindfaden und steckte ihn mir in die Hosentasche. Man wusste ja nie. Vorsichtig griff ich in den Beutel hinein. Meine Hand streifte Metall, Stoff, ein Objekt aus Porzellan. Ich wählte das Metall, schloss die Hand um das glatte Ding - und schrie auf. Was ich in der Hand gehalten hatte war scharf, vielleicht ein Messer oder ein Schwert. Ich suchte nach dem Heft und zog es dann endgültig hervor. Es war zu lang für ein Messer und zu schlank für ein Schwert. Ein Dolch, die Chancen auf eine Machete standen auch nicht schlecht. Ich hatte keine Ahnung, wie man mit den Teilen umging und meiner Meinung nach wäre eine Pistole gegen das, was am Ende der Dunkelheit - denn ein Ende musste es doch haben - wartete, eindeutig praktischer, aber es war meine einzige Waffe und sie war jetzt wichtig. Mein Leben könnte von ihr abhängen.
Vielleicht sollte sie sich bald beweisen, vielleicht jetzt, denn in diesem Moment ging eine markerschütternde Sirene los. Es war ein Signal, es musste ein Signal sein, Sirenen gingen nicht einfach so los, das wusste ich, wenn auch nicht, woher. Ich richtete mich auf und fühlte mich irgendwie stark. Ich hatte eine Waffe in der Hand, ich kannte mich halbwegs aus in diesem Raum, ich hatte die Trümpfe in der Hand.
Dachte ich.
Am Ende war es ganz anders. Ein Ruck ließ mich stolpern und einige Schritte nach hinten zurückweichen bis ich wieder an der Wand lehnte. Ich verkrampfte meine Hand um den Griff meiner Waffe und wartete. Das Geräusch der Sirene war verstummt; ihr wich jetzt ein anderes Geräusch, das sich schwerer einordnen ließ als das erste. Es war ein schleifendes, langsames Geräusch. Stein auf Stein. Etwas schoss auf mich herab, war es ein Blitz? Ich duckte mich und fiel ungelenk um, als der sich bewegende Raum mit einem Ruck zum Stehen kam. Was ich für einen Blitz gehalten hatte, entpuppte sich als Licht, das sich in dem Raum breit machte. Es kam direkt von einem blauen Himmel und durch die sich verbreiternde Öffnung strömte immer mehr auf mich ein. Ich kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Das Sehen schmerzte, doch langsam gewöhnte ich mich an die plötzliche Helligkeit. Das Dunkel war normal geworden für mich. Hier war es hell und ich konnte sehen und was ich sah, ließ mir die Tränen kommen. Ich erkannte nichts, rein gar nichts. Ich sah, dass der Raum, in dem ich auf wackligen Beinen stand wie erwartet aus Gitter bestand und dass die Fläche darum grün war, immer nur grün bis hin zu imposanten grauen Mauern, die sich bis in den Himmel erstreckten. "Was ist das?", murmelte ich mit dünner Stimme. Sie war anders als ich erwartet hatte. Ich hatte mich stark gefühlt, bis eben. Jetzt fühlte ich mich klein, so klein wie eine Ameise oder ein Weizenkorn. Und schwach. Der Griff um meine Waffe, die ich als eine Machete identifizierte, hatte sich gelockert und ich packte sie wieder. Das Gitter war leicht zu erklimmen, die Maschen boten Platz für die Finger. Meine Finger waren schmutzig, grau und an manchen Stellen aufgerissen. Es dauerte nicht lang bis ich oben stand, auf einem massiven, in den Boden eingelassenen Stein, nur ein Schritt weiter und ich stünde auf dem grünen Gras. Nur einen Schritt.
"Ich nenne es die Lichtung." Ich schrie auf und fuhr herum. Auf der anderen Seite des Raumes, in gebückter Haltung und eine Axt über der Schulter, stand ein Junge mit dunkler Haut, der mich aus wachsamen Augen musterte. Hätte ich ihn mit einem Wort beschreiben müssen, ich hätte ihn gefährlich genannt. Und genau das war auch mein erster Impuls. Ich fand ihn gefährlich, also lief ich weg. Man sollte seinem Tod nicht in die Arme laufen. Und Tod schien mir fast noch ein besseres Wort als gefährlich. Ein kurzer Rundblick verschaffte mir einen groben Überblick der sogenannten Lichtung. Weiter hinten wuchsen Bäume, ansonsten war die Wiese bis auf eine kleine Hütte, leer, nur Gras, Gras, immer nur Gras. In den Wänden gab es vier angedeutete Lücken: eine im Westen, eine im Osten und eine im Norden. Ich wählte für meine Flucht das Tor, das als einziges geöffnet war. Zielstrebig rannte ich darauf zu, wurde immer schneller, immer schneller, ich war ein guter Läufer. Hinter mir rief der Junge nach mir. "Bleib stehen! Ich heiße Alby! Ich bin Alby! Du darfst nicht da raus!"
Was brachte es mir, wenn er wusste, wie er hieß? Ich wusste nicht wie ich hieß, ich wusste auch nicht, wer ich war, nicht einmal das. Alles was ich wusste war, dass ich hier rausmusste. Alby mochte sagen, was er wollte, er sah gefährlicher aus als die efeubewachsenen Wände. Dahinter musste die Freiheit warten. So musste es sein.
Der Spalt zwischen den beiden Mauern war groß, man hätte bestimmt mir zwanzig Leuten nebeneinander hindurchgehen können. Mir wäre es lieber gewesen, wenn er klein gewesen wäre. Ich trat auf die andere Seite hinüber, vom unberührten Gras hinüber auf einen Betonboden, moosbewachsen und noch von diversen andern Ranken überzogen. Ich schauderte. Es war widerlich, die Luft stank nach etwas Unbekanntem, überall war es dunkel und es sah einfach irgendwie gruselig aus. Ich rannte los. Ich war ein guter Läufer und das Laufen tat mir irgendwie gut. Meine Lungen wurden frei, ich konnte frei atmen, meine Glieder strecken, selbst mein Kopf wurde kühl und ich konnte wieder klare Gedanken fassen. Ich war hier, irgendwo im Nirgendwo, und ich musste hier raus. Ich merkte mir, wo ich langlief, die paar Wörter konnte ich mir gut merken. Rechts, links, links, links, rechts. Ich freute mich. Ich konnte mir etwas merken, ich konnte denken, ich wusste Dinge und ich konnte mich erinnern. Irgendwann lief mein Kopf über vor den Richtungen und ich blieb stehen. Es gab keinen Ausweg, wenn doch, ich hätte sicherlich einen gefunden, ich war schon so lang gerannt, gab es wirklich keinen? Ich hielt mir den Bauch, ich keuchte, meine Lunge fühlte sich auf einmal nicht mehr leicht sondern schwer an. Mit zusammengekniffenen Augen schaute ich nach oben. Weinranken, gespenstisch aussehende Fäden, gesponnen von überdimensionalen Spinnen, vielleicht, aber so etwas gab es ja gar nicht. Ich drehte mich im Kreis. Ich stand in der Mitte einer Kreuzung, ganz allein und ich fühlte mich so verloren. Konzentrier dich, sagte ich mir. Hätte ich wenigstens meinen Namen gewusst, irgendwas. Vielleicht hätte mich das aufgebaut, mich sicherer auf den Füßen stehen lassen. Aber ich wusste nichts und ich konnte nichts dagegen tun, ich musste einfach nur laufen. Es war kalt hier und ich wollte die Nacht nicht zwischen zwei unendlich groß scheinenden grauen Mauern verbringen, ohne Orientierung und mit dem Wissen, dass ich die Richtungen morgen bestimmt vergessen haben würde. Wo ging es noch gleich lang? Hier einfach den Weg zurück, den ich gekommen war. Dann rechts, noch einmal rechts... ich würde zurück zur Wiese kommen, zurück zu Alby. Er mochte gefährlich aussehen und er hatte ein mulmiges Gefühl in mir ausgelöst, aber was diese Mauern in mir verbreiteten war nackte Angst.

Es tut mir leid, und zwar für gaaaaaanz viele Sachen. Erstens dafür, dass so lange kein Kapitel mehr gekommen ist. Dafür liefere ich euch (denen, die sich die Mühe machen, das hier zu lesen) lieber eine Erklärung: ich habe leider ein paar kleine und ein ziemlich großes Problemchen mit meinem Rücken: ich habe eine Skoliose (was ungefähr alle haben) bloß halt ein bisschen doller und deshalb werde ich im November auf eine Kur fahren. Die wird so drei bis vier Wochen dauern und deshalb bin ich hier gerade am Vorschreiben und habe eigentlich jeden Tag ein Kapitel fertig! Also wisst ihr, dass es weiter geht. Ich hoffe euch gefällt, was ich mir bis jetzt so alles ausgedachte habe... und wartet's ab, im nächsten Kapitel kommt endlich mal wieder etwas richtig neues!
Zweitens dafür, dass ich so schlechte Sachen schreibe, aber es geht mit einer halben Schreibblockade einfach nicht besser.
Liebe Grüße, DarcyNarcy


Newt: Way Home Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt