Kapitel 15

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"Mum, ich...", begann ich leise, doch sie unterbrach mich. "Die Schule hat direkt in der ersten Stunde angerufen und sich erkundigt wo du denn bist. Sie waren schon misstrauisch, weil sie wissen, dass du früher so viel geschwänzt hast. Ich glaub' das nicht. Echt. Da gebe ich dir schon so eine Chance und lasse dich auf diese Schule wechseln und dann fängst du schon wieder an zu schwänzen. Weißt du wie schwierig es für mich war, das alles so zu regeln, dass du wechseln kannst?" Ich schwieg und starrte auf meine Füße. Wenn sie nur wüsste. Aber ihr von Tim zu erzählen würde wahrscheinlich alles noch schlimmer machen. "Ich dachte du mochtest das Internat nie. Wieso, verdammt WIESO schwänzt du dann wieder? Ich hab' dir gesagt du kriegst 2 Chancen und schon nach so kurzer Zeit verspielst du dir die erste Chance?" Sie hatte sich richtig in Fahrt geredet. "Ich verstehe es nicht. Ich kann es nicht verstehen. Sag' mir wieso du das getan hast." Mit verschränkten Armen sah sie mich abwartend an. "Ich... also... ich...", stotterte ich und überlegte verzweifelt, was ich sagen konnte "...hab' die letzte Nacht ziemlich schlecht geschlafen und hatte keine Kraft um den Schultag zu überstehen." Unsicher sah ich meine Mum an. Würde sie mir glauben?

Sie musterte mich einige Sekunden mit einem prüfenden Blick. Dann sagte sie etwas nachdenklich: "Hmm... Du siehst tatsächlich ziemlich fertig aus. Aber wieso hast du mir das nicht einfach heute morgen gesagt? Ich hätte dir eine Entschuldigung schreiben können." Ihre Stimme klang nicht mehr ganz so hart. "Ich wusste nicht, dass du sowas tun würdest", sagte ich glaubhaft. "Mum, es tut mir leid. Es war ein Fehler und ziemlich unüberlegt von mir. Ich verspreche dir, dass es nicht mehr vorkommen wird. Wirklich." Sie zog eine Augenbraue hoch und schien kurz zu überlegen. Dann sagte sie: "Okay. Wenn du nochmal schwänzt musst du zurück auf's Internat. Ich denke, das ist ein guter Grund für dich, das nicht nochmal zu tun." Ich nickte zustimmend. Seufzend sah sie mich an. Dann schüttelte sie leicht den Kopf und wandte sich dem Mittagessen, was sie grade dabei war zu machen. Erleichtert drehte ich mich um und lief in mein Zimmer. Dort angekommen verriegelte ich die Tür und lies mich auf's Bett fallen.

Ich war erschöpft und fertig. Zum einen lag das an dem wenigen Schlaf, zum anderen an Tim. Zu meiner Verwunderung tat mein Oberkörper jedoch inzwischen nicht mehr ganz so weh.

Nachdenklich starrte ich an die Decke. Würde ich jetzt für den Rest meiner Schulzeit von Tim fertig gemacht werden?

Ich seufzte und vergrub meinen Kopf in den Händen.

Na super.

Wahrscheinlich würde ich wegen ihm irgendwann nochmal schwänzen und dann müsste ich zurück auf's Internat.

Nein.

Das durfte unter keinen Umständen passieren.

Ich musste es aushalten, ertragen, über mich ergehen lassen. Ich wusste nicht wie, aber ich würde es schon schaffen. Beziehungsweise ich musste es schaffen. Denn das Internat war schlimmer als alles Andere.

In diesem Moment klingelte mein Handy.

"Hallo?", fragte ich in den Hörer.

"Stegi? Alles gut bei dir?", fragte Palle am anderen Ende der Leitung.

"Ja, klar", log ich.

"Jaja. Als ob. Hast du noch Schmerzen?"

"Woher weißt du...?"

"Jeder weiß es. Tim und seine Freunde haben es allen erzählt."

"Oh..."

"Brauchst du Ablenkung?"

"Ne.. geht schon..."

"Okay. Bin in 20 Minuten da. Bis gleich."

"Aber..." Ich kam nicht weiter, denn schon ertönte das Tuten im Telefon. Er hatte aufgelegt.

Kurz musste ich schmunzeln. Er war wirklich ein guter Freund. Nein, sogar der Beste den man haben konnte. Er war ein weiterer Grund, weshalb ich nicht von der Schule fliegen wollte.

Eine halbe Stunde später saßen Palle und ich zusammen vor der Playstation und zockten FIFA. Für einen Moment konnte ich alles Negative vergessen, doch dann sprach Palle das Thema an, welches ich eigentlich vermeiden wollte.

"Tut es noch weh?", fragte er und warf einen Blick auf meinen Oberkörper.

"Nein, geht schon", sagte ich leise.

Er seufzte. "Ich wünschte ich könnte dir helfen. Aber man kann nichts gegen Tim unternehmen. Das hat noch keiner geschafft."

"Ich kann das aushalten", sagte ich knapp.

"Sicher?"

"Ja."

Palle schwieg. Nach einer Weile fragte er vorsichtig:

"Wieso hasst du das Internat?"

Verwundert sah ich ihn an. "Wie kommst du jetzt darauf?"

"Naja... Ich hab irgendwie das Gefühl Tim ist nicht der Erste der dir sowas antut..."

Ich schwieg. Sollte ich ihm von Marcel erzählen? Ich hatte noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Mit wem denn auch?

Aber wenn nicht mit Palle, mit wem dann?

"Also, wenn du nicht sagen möchtest, wieso..." "Es gab da so einen Jungen", fiel ich ihm ins Wort. Aufmerksam sah Palle mich an. Ich holte noch einmal Luft und begann dann zu erzählen.

"Also erstmal musst du wissen, dass ich auf einem reinen Jungeninternat war. Und natürlich gab es da eine Gruppe von Beliebten. Ihr Anführer war... Marcel. Die ersten Monate haben wir uns sogar ganz gut verstanden. Ja, wir waren sogar richtig gute Freunde und hatten ziemlich viel Spaß zusammen. Aber dann ist er hinter mein Geheimnis gekommen."

"Was für ein Geheimnis, Stegi?", fragte Palle.

Ich musste schlucken. Als ich nicht antwortete, sagte er:

"Komm schon, so schlimm kann es doch nicht sein."

Ich zögerte. "Das letzte Mal als es jemand erfahren hat, hatte das zur Folge dass ich jahrelang vom kompletten Internat verachtet wurde...", sagte ich leise und starrte auf meine Hände.

"Glaubst du echt, ich könnte dich verachten?" Palle's Stimme war ganz ruhig.

Kurz sah ich ihn an, dann schüttelte ich den Kopf.

"Na, also. Du kannst mir vertrauen."

Ich schluckte erneut.

"Ich...", begann ich und holte tief Luft.

"Ich bin schwul."



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Wow, Überraschung. Okay, war doch eh schon klar. xD

Palle ist toll, oder? Ja, das ist er.

Und btw, er riecht gut. :3



Liebe oder Macht? ~ Stexpert FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt