Kapitel 43

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PoV Stegi

Schweratmend schleppte ich mich die letzten Stufen zu Palles Wohnung hoch. Langsam torkelte ich zur Tür und drückte mit letzter Kraft auf die Klingel, hoffend, dass nicht Palles Eltern sondern er selbst aufmachen würde.
Hinter der Tür waren Schritte zu hören, dann ein Schlüssel und schließlich nahm ich wahr wie sich die Tür öffnete.
"Stegi? Was zum..." war das letzte was ich hörte, ehe ich kraftlos auf den Boden sank.
Ich spürte zwei Arme, die mich hochzogen und versuchte mich nicht auf die Schmerzen zu konzentrieren, die dabei noch schlimmer wurden.

Irgendwie hatte ich es mit Palles Hilfe bis in sein Zimmer geschafft. Nun lag ich auf seinem Bett, die Augen geschlossen. Mein Kopf war leer. Am liebsten wäre ich für den Rest meines Lebens in diesem Zustand geblieben.
Doch die kleinste Bewegung löste Schmerzen aus, und mit den Schmerzen kamen auch die Gedanken an die Tatsachen zurück in meinen Kopf, die ich die letzte halbe Stunde ausgeblendet hatte.

Tim und Marcel.

Mit einem Mal spürte ich, wie auch das letzte bisschen Hoffnung was ich noch hatte, qualvoll zugrunde ging. In dem Moment wusste ich nicht, was mehr weh tat. Die Schmerzen, oder der Rest.
Als ich hörte, wie Palle zurück ins Zimmer kam, öffnete ich die Augen.
Er hatte Kühlpacks und Wasser mitgebracht und sah mich nun besorgt an. Im nächsten Moment fühlte ich mich, falls überhaupt möglich, noch schlechter. Ich machte ihm immer so viel Arbeit, nur weil ich nicht in der Lage war, irgendwas alleine hinzukriegen.
Stirnrunzelnd ließ Palle sich aufs Bett fallen. "Oh, ich weiß genau was du grade denkst, Stegi. Aber wag es nicht es auszusprechen, sowas machen beste Freunde nunmal, das solltest du inzwischen eigentlich wissen." "Aber..." "Kein aber." Er reichte mir ein Kühlpack. "Und jetzt erzähl erstmal, was Tim wieder gemacht hat."
Ich verzog gequält das Gesicht. "Wenn es wenigstens nur Tim gewesen wäre..." Verwundert hob Palle eine Augenbraue, ehe ich weitersprach.
"Marcel war da."

...

"Palle, jetzt beruhig dich doch mal!"
Wütend sah er mich an. "Kannst du mir bitte erklären wie ich mich beruhigen soll, nach dem was du mir erzählt hast?!"
Eine halbe Stunde war vergangen, in denen Palle Flüche ausgesprochen hatte, die wenn sie wahr werden würden, den halben Weltuntergang bedeuten würden. So hatte ich ihn schon lange nicht mehr gesehen.
"Ich... ich kann es einfach nicht glauben. Obwohl eigentlich schon. Ich meine, ich wusste, dass Tim ein Arschloch ist. Und von Marcel will ich da gar nicht erst sprechen. Aber, dass Tim wirklich SO ein Arschloch ist... Ich meine... wieso wundert mich das überhaupt? Ich... ich..." "Ist gut Palle. Schon in Ordn..." "Nein eben nicht! Das ist nicht in Ordnung, und trotzdem kommen solche Leute immer mit allem durch." Seufzend fuhr er sich durch die Haare. Dann hob er plötzlich den Kopf und sah mich entschlossen an.
"Ich werde mit Tim sprechen." Erschrocken fuhr ich hoch. Ein Fehler, denn sofort tat alles wieder weh. "Du... kannst nicht mit Tim sprechen. Nein. Sonst wirst du da auch noch mit reingezogen und..." Palle interessierte gar nicht was ich sagte. Unbeeindruckt meinte er nur: "Du musst dich ausruhen. Bleib lieber liegen." "Palle..." "Stegi, das ist immer noch meine Entscheidung. Also Klappe jetzt, wenn du noch weiterhin vorhast mich davon abzuhalten." Ich stöhnte auf, legte mich dann aber wieder hin.

Es war egal. Alles war egal. Es konnte eh nur noch schlimmer werden.


PoV Rafael

Unruhig lief ich in meinem Zimmer auf und ab. Seit Stunden versuchte ich, meine Gedanken zu sortieren. Es hatte sich ein Chaos gebildet, welches durch den heutigen Tag ausgelöst wurde.

Tim. Stegi. Marcel.

Wieso hatte Tim Marcel geschlagen?
Und wieso hatte er erst so getan, als würde er ihn mögen?
Was wollte er von ihm wissen?

Das alles ergab keinen Sinn, wenn man bedachte, dass Tim Stegi hasste, und ihm sonst das antat, was dieser Marcel ihm heute angetan hatte.
Irgendwie gelang es mir nicht, eins und eins zusammenzuzählen, und doch war ich mir sicher, dass die Antwort auf all meine Fragen beinahe offensichtlich war.

Abrupt blieb ich stehen. Es hatte doch keinen Sinn, meine Gedanken würden sich von alleine nicht ordnen.
...nein, nicht von alleine. Wieso also sollte ich nicht einfach Tim fragen?

Kurzerhand griff ich nach meinem Handy und wählte Tims Nummer.
Es tutete. Einmal. Zweimal. "Ja?"
"Tim!"
"Rafi."
"Tim!"
"Ja, Rafi, was ist?"
"Äh... Ich..."
"Ja?"
"Also..." Ich seufzte. Es hatte keinen Sinn es rauszuzögern. "Was war das heute?", fragte ich kurzerhand.
Ich hatte damit gerechnet, dass Tim vielleicht zögern würde. Oder, dass er mir gar nicht antworten würde. Aber ich hatte nicht mit dem gerechnet, was er nun sagte.
"Ganz einfach. Stegi ist mein Opfer. Ich will ihn alleine fertig machen. Dieser Marcel soll sich da mal schön raushalten. Dementsprechend habe ich gehandelt." Diese Worte hörten sich an, als hätte er sie abgelesen. Oder als hätte er sie hundert Mal vorher geübt. Was auch immer er da sagte, es klang falsch. Und grade deshalb passte es zu der ganzen Geschichte.
"...wieso meintest du dann, dass Stegi unter deinem Schutz steht? Tim, das ergibt keinen Sinn."
"Ich habe getan was nötig ist."
"Das war aber nicht nötig."
"Rafael, ich denke nicht, dass du in der Lage bist zu entscheiden, was nötig gewesen ist und was nicht. Soweit ich weiß war ich es, der dich und Tobi davor bewahrt hat von Marcel eine aufs Maul zu kriegen."
Ich zögerte. "Hast du ihn deshalb geschlagen? Nicht, um Stegi zu rächen?"
"Ja. Was denkst du denn? Das liegt doch auf der Hand."
Ich überlegte kurz. "Ja. Eigentlich schon... Jetzt wo du es sagst."
"Na also. Sonst noch was?"
"Nein. Ich bin nur froh, dass das jetzt alles wieder Sinn macht."
"Ja. Ja, natürlich macht es Sinn. Denk nicht zu viel nach, ja?"
"Ne. Keine Sorge. Bis morgen dann."
"Ja, bis morgen, Rafi. Gute Nacht."
Mit diesen Worten legte er auf.
Nachdenklich betrachte ich mein Handy.
Dann schüttelte ich den Kopf.

"Für wie dumm hältst du mich eigentlich, Tim?"

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Liebe oder Macht? ~ Stexpert FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt