Kapitel 21

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PoV Tobi

"Wieso muss Tim denn schon wieder mit dem Lehrer sprechen?", fragte ich Rafi. Er saß neben mir auf einer Mauer am Rande des Schulhofs und tippte irgendwas auf sein Handy ein.
"Keine Ahnung", sagte er schulterzuckend. "Wird er uns bestimmt gleich sagen."
"Hmm...", machte ich nachdenklich. "Und wieso ist wieder Stegi dabei? Meinst du er hat was den Lehrern gesagt?" Rafael sah von seinem Handy auf. "Glaubst du er traut sich das? Und selbst wenn... die Lehrer machen doch eh nichts... Nicht bei Tim."
Rafael hatte Recht. Für die Lehrer war Tim der arme Junge, dem alles verziehen wurde, seit der Sache mit seiner Mutter. Irgendwelche Vorteile musste das Ganze ja auch haben.
Schweigend saßen wir eine Weile nebeneinander auf der Mauer. Rafi hatte sein Handy weggelegt und jeder war in seine eigenen Gedanken vertieft, bis ich schließlich fragte: "Findest du auch, dass Tim sich in letzter Zeit ein wenig merkwürdig verhält?" Fragend schaute Rafi mich an. "Merkwürdig? Inwiefern?" "Naja", murmelte ich und kratzte mich am Kopf. "Im Bezug auf Stegi... Also, er... es kommt mir halt vor als wäre er nicht so aggressiv mit ihm wie mit den ganzen anderen neuen Schülern, die wir bisher hatten..."
Rafi sah mich kurz schweigend an. Dann lachte er auf. "Nicht so aggressiv?", grinste er während er von der Mauer sprang und sich vor mich stellte. "Er hat Stegi am Freitag komplett alleine verprügelt, ehe wir da waren. Ich hab eher das Gefühl, dass er ihn noch weniger leiden kann als jemand anderen."
"Echt? Ganz alleine?", fragte ich skeptisch. "Jap. Und der hat den echt übel zugerichtet. Ich denke, den sind wir bald los. Dafür sorgt Tim schon." "Ja, wahrscheinlich", murmelte ich und sprang ebenfalls von der Mauer.
In diesem Moment erblickte ich Tim. Er kam grade auf uns zu. Auch Rafi hatte ihn gesehen.
"Jo, Tim!", rief er. "Erzähl. Hat Stegi uns verpetzt?" Tim schüttelte den Kopf und ich atmete erleichtert aus. Tim würde keinen Ärger von den Lehrern bekommen, aber wie es mit seinen besten Freunden, also Rafi und mir, stand, wusste ich nicht.
"Also", begann Rafi erneut als Tim endlich bei uns war. "Jetzt erzähl doch mal. Was wollte der Lehrer?"
Nachdenklich starrte Tim auf seine Hände. "War wegen der Nachhilfe die ich Stegi geben muss. Der will echt dass ich mich mit dem Spasti hinsetze und ihm was beibringe", murmelte er.
"Oh Mann. Kann der das nicht selber lernen?", fragte Rafi. Tim schüttelte den Kopf. "Der hat da auch keinen Bock drauf. Aber der verdammte Lehrer will das. Und der ist total überzeugt von seiner Idee."
"Und du?" Verwirrt sah Tim mich an. "Was 'und du'?" "Na, ob DU Bock auf die Nachhilfe hast", meinte ich. Jetzt sah er noch verwirrter aus. Doch ich erkannte auch etwas anderes in seinem Blick. Unsicherheit. "Nein...? Wieso sollte ich? Glaubst du echt ich hätte Lust auf Stegi?" Er sprach diesen Namen aus als wäre er eine Beleidigung.
Ich zuckte mit den Schultern. "Hätt' ja sein können." Tim und Rafael schauten mich skeptisch an. Erst jetzt bemerkte ich wie komisch es für die beiden sein musste, dass ich fragte ob Tim Bock auf Stegi hatte. Aber es war eigentlich nur eine Art Test gewesen. Denn jetzt war ich mir noch ein Stück sicherer;
Anhand Tims verunsicherter Reaktion auf meine Frage hatte ich feststellen können: Tim verhielt sich tatsächlich anders, wenn es um Stegi ging.
Was das zu bedeuten hatte wusste ich noch nicht genau. Es konnte alles heißen. Auch, dass er Stegi noch mehr hasste, als jeden anderen neuen Schüler.

Oder eben nicht.

PoV Tim

Als ich nachmittags nach Hause kam, war mein Vater noch nicht da. Schlimm fand ich das nicht, also schmiss ich meine Schultasche in die Ecke und warf mich auf mein Bett. Ich angelte mir die Fernbedienung vom Nachttisch und machte Musik an. Dann erst begann ich mich zu entspannen.
Doch eine Sache ging mir nicht aus dem Kopf. Die Nachhilfe.
Ich hatte keinen Bock drauf, das war klar. Aber ich musste da durch. Was ich allerdings hoffte war, dass es sich nicht rumsprechen würde. Ich hatte einen Ruf, mit dem ich mir nicht erlauben konnte jemandem wie Stegi Nachhilfe zu geben. Das war nicht gut. Deshalb müssten wir es so schnell es ging hinter uns bringen. Und es sollte bloß niemand denken, dass ich das gerne tat. Vor allem nicht Stegi selbst. Er sollte sich da bloß nichts drauf einbilden.

Auf einmal hörte ich wie die Wohnungstür aufging. Mein Vater war da.
Schnell machte ich die Musik leiser und lauschte. Schritte erklangen auf dem Flur. Hoffentlich ließ er mich in Ruhe. Doch die Schritte kamen näher.
Ich setzte mich auf. In diesem Moment klopfte es und die Tür öffnete sich.
"Hey, Tim", sagte mein Vater und lächelte leicht. Misstrauisch sah ich ihn an. Das klang freundlich. Zu freundlich für ihn.
Der Mann mit den braunen Haaren und den dunklen Augen sah mich abwartend an. Doch ich wich seinem Blick aus. Ich traute ihm nicht. Er war schon lange nicht mehr freundlich zu mir gewesen.
Langsam betrat er das Zimmer und lies sich dann gegenüber von mir auf meinem Schreibtischstuhl nieder. Kurz herrschte Stille. Dann fragte er: "Wie war dein Tag?"
Zum ersten Mal heute sah ich ihn richtig an. Er sah so unschuldig aus, wie er da saß. Vom Äußeren her ähnelte ich ihm sehr. Und doch waren wir so unterschiedlich geworden.
Schon lange hatte ich das Vertrauen in ihn verloren, schon lange hatte ich IHN verloren.
So wie er da saß, so kannte ich ihn. So war er auch früher gewesen. Doch er hatte sich verändert. Das hatte ich die letzten Jahre zu spüren bekommen.
Den unschuldigen Mann vor mir, der wie mein Vater aussah, gab es nicht mehr.
Und alles nur wegen ihr.

"Was willst du?", fragte ich ausdruckslos. Für einen kurzen Moment legte sich ein finsterer Schatten über sein Gesicht. Doch dann erschien sein Lächeln wieder, doch diesmal sah es noch unechter aus. Er gab sich Mühe, das konnte ich sehen. Doch es war nicht das erste Mal, dass er das tat. Und ehe ich wieder falsche Hoffnungen bekam, dass er wieder so wie früher werden würde, dass ich ihn wieder 'Dad' nennen könnte, wollte ich direkt wissen wieso er auf nett tat.

"Ich möchte wissen, wie dein Tag war, Tim."
Ich schnaubte verächtlich. "Ja klar", sagte ich leise. "Was willst du wirklich?"
Nun verschwand sein Lächeln doch komplett. "Ich wollte fragen ob du mit zu Patricks Eltern kommst. Sie haben uns zum Essen eingeladen."
Ich zog eine Augenbraue hoch. Auf Patrick hatte ich ja mal überhaupt keine Lust. Seit er mit Stegi abhing, konnte ich ihn nicht mehr so gut leiden wie früher.
Ich schüttelte den Kopf. Das schien meinem Gegenüber jedoch nicht zu gefallen. Dort, wo eben noch ein Lächeln zu sehen war, erschien nun der übliche grimmige Gesichtsausdruck.
"Sei doch nicht so undankbar, dass du diese Einladung ablehnst. Du kommst mit und basta."
Er stand auf und lief zur Tür. Ich sah ihm hinterher. "Wieso fragst du mich dann?", rutschte es mir raus.
Er hielt in der Bewegung inne und drehte sich um. "Ich weiß nicht", knurrte er. "Du gehst ja eh nicht auf meine Versuche freundlich zu sein ein." 'Ja, weil du es eh nicht länger als einen Tag schaffst nett zu sein', sagte ich in Gedanken. Doch ich wollte ihn nicht provozieren. Das würde nicht gut enden. Vor allem nicht für mich.
Als ich nichts mehr sagte, meinte mein Vater: "Zieh dich jetzt an. Wir fahren in 5 Minuten los."
Ich nickte stumm und er verließ das Zimmer. Seufzend stand ich auf.

Wieso war es nur so weit gekommen?


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Sooo. Ich hoffe man hat mit diesem Kapitel mal einen kleinen Einblick in Tims Leben bekommen. Der Junge ist trotzdem noch voller Geheimnisse. :D

Ich hab dank euch so viele Ideen für die nächsten Kapitel bekommen. Ich werde erstmal ein wenig vorschreiben und dann sollte bis Dienstag erstmal jeden Tag ein neuer Teil kommen.

Hoffe euch wird das was kommt gefallen. :3

Tschüüüüüüüüüüüüüüüüss. ♥

Liebe oder Macht? ~ Stexpert FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt