die Begegnung

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Sicht: Helene

Meine Augen verfolgten gelangweilt den Zeiger der Uhr. Minute um Minute verging, es war mittlerweile schon 13:30Uhr. Mein Magen machte sich leise bemerkbar und peinlich berührt legte ich meine flache Hand auf meinen Bauch.
„Frau Fischer?" wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Im Sichtwinkel sah ich Uwe freundlich nicken – ein Zeichen dafür, dass ich den Vertrag unterschreiben konnte. „Ja, entschuldigen Sie bitte. Wo muss ich unterschreiben?" Der nette Bankangestellte zeigte mit seinem Finger auf eine freie Stelle im Vertrag, schnell griff ich nach einem Stift und unterschrieb dort. „Na dann, auf Wiedersehen und viel Glück für Ihr neues Projekt." – „Danke." Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen. Ich legte meine Tasche um meine Schulter, reichte den jungen Mann die Hand und ging dann mit Uwe nach draußen.
„Du bist heute aber auch nicht ganz da, oder?" fragte er mich leicht provozierend, aber mit einem belustigten Unterton. Ich grinste: „Ja, aber du weißt doch. Heute kommt Flo wieder. Wir haben uns seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen." – „Ich weiß doch!" seufzte Uwe und lief langsam Richtung Auto. Gerade als ich hinterher wollte und in meiner Tasche nach dem Handy suchte, fiel mir auf, dass ich es in der Bank vergessen hatte: „Mist, ich muss nochmal rein. Mein Handy!" Uwe nickte und ging schon mal vor.

Schnell lief ich zum Büro, holte mein Handy und ging zurück zum Ausgang. Weil die Zeit langsam drängelte, musste ich mich beeilen und vergaß völlig meine Augen geradeaus zu richten, weil ich noch in meiner Tasche kramte. Plötzlich wurde ich durch einen großen Mann gestoppt. Ich lief mit voller Wucht gegen ihn und fiel dabei fast zu Boden.
„Das tut mir leid... ich habe sie nicht gesehen." sagte ich beschämt. Doch anstatt die Entschuldigung anzunehmen, geriet der Mann völlig in Rage: „Sie ham se wohl nicht mehr alle? Können Sie nicht aufpassen!? Das wird ein Nachspiel haben" Nun waren wirklich alle Augen auf uns gerichtet. Doch bevor ich schnell aus dem Gebäude flüchten konnte, gab er mir zum Abschluss noch einen kräftigen Stoß, durch den ich vollkommen aus dem Gleichgewicht geriet und gegen die Wand fiel. Mein ganzes Zeug verteilte sich auf dem Boden und ich knallte mit dem Kopf an ein kleines Schränkchen. Kurz schaute er mir direkt in die Augen – sein Blick war sehr intensiv und bedrohlich zugleich. Hass war darin zu erkennen und machte mir ziemliche Angst.
Der Schock war größer als alles andere – verwirrt schaute ich mich um und sah, wie eine Angestellte vom Tresen aufstand und auf mich zu kam.
„Ist bei Ihnen alles okay?" Ich nickte, während ich schützend meine Hand an meinen Kopf hielt. Die freundliche, junge Frau streckte mir ihre Hand entgegen und half mir beim Aufstehen. „Was war das denn für ein Typ?" fragte ich leicht desorientiert und begann mein Zeug zusammenzusuchen.

Als die Frau mein Portemonnaie aufhob, zuckte sie kurz zusammen – kein Wunder, denn mein Ausweis ragte ein Stück heraus. „Sie.. Sie... also..." Ich lachte freundlich und flüsterte: „Ja, ich bin Helene Fischer." - „Wow! Sie mal zu treffen. Das ist eine Ehre." Die nette Angestellte war so verwirrt, dass sie sogar vergaß mir meine Geldbörse wiederzugeben. Erst als ich sie darauf ansprach streckte sie es mir peinlich berührt entgegen. Ihre Wangen färbten sich leicht rosa und ich zwinkerte ihr nur zu, um zu zeigen, dass es kein Problem war.
Danach verabschiedete ich mich und schlenderte zum Auto, in dem Uwe schon wie auf heißen Kohlen saß. „Wie lange hat das denn gedauert?" – „Tut mir leid... es gab einen kleinen Zwischenfall. Da war so ein seltsamer Mann, der... ach egal!"

Schnell startete Uwe das Auto und wir fuhren los. Je länger die Fahrt andauerte, desto aufgeregter wurde ich.
Nervös klopfte ich mit den Fingern auf meinem Sitz herum und mein Blick wendete sich ständig zur Uhr. Florians Flugzeug landete schon in zehn Minuten und wir waren noch viel zu weit vom Flughafen entfernt.
„Ich mach mal das Radio an!" schlug mein wunderbarer Manager vor, um mich wenigstens ein bisschen abzulenken. Gleich ertönte beruhigende Musik und ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Leider wollte dieses Gefühl nicht lange andauern, denn die Musik wurde von einer Eilmeldung unterbrochen.
>Soeben hat sich in der Bank am Marktplatz in Hamburg ein Horrorszenarium abgespielt. Durch einen Überfall wurden vier Personen schwer verletzt und ein älterer Mann erschossen. Der Täter, welcher wahrscheinlich nicht nur wegen Geld in die Bank eingedrungen war trug eine Waffe bei sich und ist jetzt flüchtig. Die Polizei ermittelt bereits und hofft weitere Zeugen zu finden."
Mein Atem stockte. Ich starrte aus der Frontscheibe und fühlte mich wie versteinert – seine Augen erschienen vor meinem Sichtfeld – es hätte mich treffen können. „Oh Gott Helene. Meinen sie die Bank, auf der wir gerade waren."
Erst kurze Zeit später konnte ich auf Uwes Frage mit einem ängstlichen Nicken antworten. Ich atmete tief ein und presste hervor: „Der Mann hat mich angerempelt." Um mich zu beruhigen, sagte er: „Aber dir ist nichts passiert! Alles ist gut." Wieder nickte ich – doch ich wusste genau – nichts war gut.

Die ganze Zeit schallte die Stimme in meinen Gedanken >Das wird ein Nachspiel haben<. Er war gefährlich und das schlimmste – er war frei! Eine ungeheure Angst, wie ich sie noch nie gespürt hatte, stieg in mir auf – genau in diesem Moment hielt Uwe auf dem Parkplatz vorm Flughafen.

Wie ferngesteuert stieg ich aus und folgte ihm zum Ausgang der Gates, wo wir dann auf Flo warteten.
„Uwe?" fragte ich zurückhaltend „Ich muss zur Polizei. Ich bin Zeugin und er..." Plötzlich bekam ich Angst es jemanden zu erzählen. Was ist, wenn er das herausfinden würde und sich dadurch alles verschlimmert? „Was: und er?" hakte er besorgt nach. „Ach nichts..." Kurz überlegte ich: Eigentlich war ich keine richtige Zeugin. Ich war ja nicht dabei und der Typ hatte mich bestimmt längst vergessen.

Mit einem unguten Gefühl versuchte ich diese erschreckende Bewegung zu verdrängen und konzentrierte mich auf Florian, der mir gerade entgegen gerannt kam.
Gespielt normal nahm ich ihn in den Arm und fühlte mich sofort beruhigter. „Mein Liebling, ich habe dich so vermisst. Nie wieder drei Wochen ohne dich!" Er hatte Recht – plötzlich war alles vergessen – ich war einfach nur froh, dass mein Schatz wieder bei mir war.
„Ich dich auch Flo, ich dich auch!" Ungewollt liefen mir ein paar Tränen über die Wange.

Ein lautes Räuspern störte unsere Umarmung: „Ich will euch ja jetzt nicht auseinander bringen, aber wir müssen zum Hotel. Denkt dran: Morgen müsst ihr fit sein. Bei der Probe erwarten alle 100%" Gehorsam lösten wir uns und gemeinsam gingen wir wieder zum Auto.
Diesmal setzte ich mich neben Florian auf die Rückbank, um nah bei ihm zu sein. Das Radio war immer noch an und als ich wieder das Wort >Nachrichten< hörte, stieg Angst in mir auf. Meine Hände verkrampften sich. „Alles okay Helene?" Florian schaute mir verwundert in die Augen. Kurz überlegte ich, ob ich ihm doch etwas von der Sache erzähle, doch dann hörte ich die ersten Wort der Sprecherin >Helene Fischer wird in vier Wochen 28. Wir feiern gemeinsam mit ihr durch unsere Sondersendung< Diese Nachricht kam mir ganz recht: „Ja, alles gut... nur... sowas nervt mich halt." Flo lachte und drückte mir einen liebevollen Kuss auf die Lippen: „Ich verstehe... aber wir feiern deinen Geburtstag sowieso ganz ungestört."

Ich wünschte er hätte Recht behalten, denn niemals hätte ich gedacht, dass genau diese eine Begegnung mit genau diesem einen Mann, von dem ich Flori einfach nicht erzählen konnte, alles zerstörte...


Ein Kampf gegen die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt