Ich brauche dich

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Sicht: Florian

Als Helene einfach weggerannt war begann ich mir große Sorgen um sie zu machen - so war mein Liebling nie, man konnte immer mit ihr reden. So schnell es ging lief ich ihr nach. Überall versuchte ich sie zu finden, bis ich eine kleine, zierliche blonde Frau an einer Bushaltestelle sitzen sah. Erst als ich näher heran trat konnte ich Helene tatsächlich erkennen.
Sie hatte zwar aufgehört zu weinen, saß aber wie versteinert da und starrte nur so vor sich hin. Das war nicht Helene - nie war sie so - so nachdenklich und ausdruckslos.

Langsam ging ich näher zu ihr und erst als ich meine Hand auf ihre Schulter legte, schien sie mich überhaupt wahrzunehmen. Ihr ganzer Körper zuckte hoch und ihre Augen öffneten sich weit, als sie in mein Gesicht schaute.

Ruckartig stand Helene auf und war wieder kurz davor abzuhauen, doch ich packte so schnell es ging ihre Hand und zog sie sanft näher zu mir. Wir waren nun nur noch einige Zentimeter voneinander entfernt und Helene schien sich augenblicklich in meinen Augen zu verlieren, denn urplötzlich legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Sachte ließ sie sich in meine Arme fallen und umarmte mich fester, als je zuvor. Meine Hände ruhten auf ihrem Rücken und erst jetzt bemerkte ich, dass sie schon wieder anfing zu weinen.
Leicht drückte ich meinen Schatz von mir, um in ihre Augen schauen zu können: „Liebling? Was ist los? Du musst mit mir reden!" Helene drehte ihren Kopf weg von mir und stammelte: „Ich würde gerne, aber es geht nicht. Es... es tut mir leid, aber... ich... ich kann nicht..." Ihre Bewegungen wendeten sich ebenfalls von mir ab und nun hatte ich keine Chance mehr sie davon abzuhalten wegzulaufen.
Verlassen stand ich an dem kleinen Bushäuschen und beobachtete die Autos, die alle im gleichen Tempo an mir vorbeizogen. Helene wurde mit der Entfernung immer kleiner, bis sie irgendwann um eine Ecke bog und nicht mehr zu sehen war.
Helenes Verhalten machte mir Sorgen und ich war mir sicher, dass es einen Grund geben musste. Kurz ließ ich die letzten Tage Revue passieren - vielleicht hatte ich etwas falsch gemacht, aber mir fiel nichts auf.

Vielleicht war es falsch, aber ich fühlte mich in der Pflicht ihr zu folgen. Schnell setzte ich mich in Bewegung, um ihren Vorsprung aufzuholen. Ich ging genau denselben Weg, den Helene gegangen war, bog auch an derselben Ecke ab, aber niemand war zu sehen. „Helene?" rief ich, erhielt aber keine Antwort.

Vor mir lag eine gerade Strecke und dann zwei Straßen - eine führte nach rechts, die andere nach links. Unsicher drehte ich meinen Kopf von der einen Seite zur anderen. Weit hinten auf der rechten Seite waren zwei Personen zu erkennen, jedoch konnte ich keinen der Beiden zu ordnen, weil sie einfach zu weit entfernt standen.
Langsam ging ich immer näher heran - tatsächlich, es war Helene, aber ein seltsamer Mann stand vor ihr. Ihr Blick zeigte Unsicherheit, Angst und Verzweiflung. Fast hätte ich losgeschrien, aber ich entschied mich für die sichere Variante. Schnell zückte ich mein Handy und wählte die Nummer der Polizei. Nachdem ich den Sachverhalt erklärt hatte, schlich ich mich - noch unerkannt - näher und bekam einige Wortfetzen mit, die ich aber nicht richtig einordnen konnte.
Helenes zarte Stimme ertönte und keine Sekunde später, hielt der Typ sie am ihren Handgelenken fest - das war zu viel.
„Lassen Sie meine Freundin los! SOFORT!" schrie ich, während ich schnell zu ihr hin eilte. Mein Liebling hatte Tränen in den Augen, war aber unendlich erleichtert mich zu sehen. „Flo... ich... ich habe Angst." flüsterte sie in meine Richtung, bis sich ein schmerzverzogener Blick auf ihr Gesicht setzte.
„Lassen Sie Helene sofort los!" Meine Stimme wurde lauter und drohender. Der Mann hielt ihre Handgelenke immer fester, sicherlich würde es Spuren hinterlassen. Wütend begann ich den Typen von Helene zu drücken und sie irgendwie aus seinen Griff zu befreien - daraus entwickelte sich eine Prügelei, in der ich immer wieder rief: „Helene, renn weg." Aber sie stand nur wie angewurzelt da und rührte sich keinen Schritt.
Meine Kraft ließ langsam nach, aber ich durfte nicht aufgeben. Auf einmal spürte ich eine harte Faust in meinem Gesicht - den Schmerz an meiner Nase spürte ich kaum und nun schlug auch ich auf dieses Arschloch ein.

Sirenen waren zuhören und endlich waren wir so gut wie in Sicherheit. Sofort stürzten zwei Polizisten zu uns und hielten den Typen mit einem geschickten Griff fest. Der fauchte mich noch immer an und schnaufte sauer: „Das wird ein Nachspiel geben!" drohte er mit weit aufgerissenen Augen.
Gerade als ihm die Handschellen angelegt wurde, riss er eine Hand frei, holte auf und schlug Helene - sie war inzwischen auf mich zugekommen - genau auf ihre Wange.
Mein Liebling viel von der Wucht des Schlages nach hinten und geriet völlig aus dem Gleichgewicht. Eine nette, noch sehr junge Polizistin kam auf mich zu, doch ich musste erst zu Helene.
Ihre Hände hielt sie vor ihrem Gesicht, die Beine dicht am Körper - elend zusammengekauert.
„Hey Mäuschen..." vorsichtig setzte ich mich neben sie und legte einen Arm um ihre Schulter. Dabei drückte ich sie sanft an mich und gleich vergrub Helene ihr Gesicht in meinem Oberkörper. Dabei ließ sie ihren Tränen einfach freien Lauf - beruhigend strich ich ihr über den Rücken, bis sie ein bisschen runtergekommen war.

Nach einer Weile räusperte sich die Polizistin: „Ich weiß... das war ziemlich viel gerade, aber ich muss Ihnen trotzdem noch ein paar Fragen stellen. Fühlen Sie sich dazu in der Lage?" Interessiert und auch etwas mitfühlend sah sie uns an, bis ich mit einem Nicken ihre Frage bejahte. „Komm Liebling, wir gehen mal zum Polizeiauto.

Sicht: Helene

Der Schock war größer als die Schmerzen an meiner Wange - ich hatte so unglaublich große Angst um meinen Flo. Das einzige, was mich etwas beruhigte war die Polizei.

Als Florian mir vorsichtig aufhalf und wir kurz zum Auto rübergingen, konnte ich diese hasserfüllten Augen sogar durch die Scheibe erkennen. Ich konnte förmlich spüren wie er hauchte: „Das wird ein Nachspiel haben."

Schnell wandte ich mich von ihm ab und konzentrierte mich auf das eigentliche. Ein Polizist schaute sich meine Wange an und ich musste einige Fragen beantworten - genau wie Florian. Nachdem das alles hinter sich gebracht war, wurden wir zurück zur Halle gefahren und erst im Auto schaute ich mir meinen Flori genauer an. Seine Nase blutete und besorgt streckte ich ihm ein Taschentuch entgegen. Liebevoll strich ich über seine Wange und den Tränen nahe wisperte ich: „Es tut mir so leid."

Sein aufbauendes Lächeln erleichterte mir die Sache ungemein.

Als wir uns verabschiedet hatten und nun -zum Glück unbeobachtet - wieder vor der Halle standen, legte Flo seinen Arm um meine Hüfte: „Wir gehen jetzt zu Uwe und Michael und melden uns für den Rest des Tages ab - keine Widerrede." Ich nickte leicht bedrückt und folgte ihm dann.

Wir erklärten alles und baten niemanden davon etwas zu erzählen. Danach ging es für uns gleich zum Hotel - das war alles ganz schön viel und gerade jetzt brauchte ich die Zweisamkeit mit meinem Liebling am meisten.

Wir lagen gefühlte Stunden einfach nur auf dem Bett und sagten kein Wort, bis Florian die Stille brach: „Was wollte der Typ denn von dir? Kanntest du den?" Es hätte gut getan die Wahrheit zu sagen, aber ich konnte nicht - die Angst war zu groß. „Ich... nein... er kam einfach auf mich zu." Ein seltsames Gefühl lag in meinem Körper und ich wusste genau, dass es durch die Festnahme nicht besser werden würde. Leider sollte ich Recht behalten...


Ein Kampf gegen die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt