falsche Entscheidung

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Sicht: Florian

Sofort platzte ich in die kleine Kammer. Fast wäre ich in Helene hinein gelaufen. Sie stand da wie angewurzelt. Kein Stück bewegte sie sich. „Helene?" Vorsichtig tippte ich ihr auf die Schulter. Mein Schatz zuckte zusammen. Ruckartig drehte sie sich zu mir – in ihren Augen waren Tränen zu erkennen, das Gesicht war ganz blass. „Ist dir was passiert?" Noch bevor sie antworten konnte, merkte ich, wie ihre Knie zitterten und sie ein Stück nach unten rutschte.
Geradeso konnte ich meine Arme unter ihre Achseln halten, um sie sanft aufzufangen. Ich lehnte sie sofort an die Wand an und tätschelte ihre Wangen, weil sie leicht abwesend wirkte. „Schatz, alles gut, ich bin da."
Ihre grünen Augen starrten wieder in meine. Trotzdem wirkte Helene noch abwesend und wenn ich sie etwas fragte, erhielt ich keine Antwort. Langsam begann ich mir ernsthafte Sorgen zu machen. Ich setzte ich mitfühlend neben sie und fasste nach ihrer Hand. Ihre Augen waren starr an die Wand gerichtet. Ob sie überhaupt mitbekam, dass ich sie anfasste, wusste ich nicht.
„Mensch Mäuschen." Vorsichtig strich ich ihr über die Wange und setzte mich so, dass sie meinen Blick nicht entweichen konnte. „Du musst mit mir reden! Helene!" Ungewollt wurde meine Stimme aggressiver, was meinen Schatz hochzucken ließ.

Wir saßen noch lange einfach da, bis Helene auf einmal ihre Hand hob. Sie zeigte zum Schrank und machte eine seltsame Bewegung, um mir zu signalisieren, dass ich ihn öffnen sollte. Zurückhaltend machte ich die Tür auf und schluckte laut. Vor mir lag ein toter Rabe, an ihm hing ein Zettel: >So sieht die kleine, süße Meeeerrriii bald aus, wenn du nicht aufpasst.<
Ein ekelhafter Schauer durchzog meinen Körper. Kurz sammelte ich meine Gedanken und legte mir Worte zurecht, um Helene irgendwie zu beruhigen – doch das war unnötig. Ich drehte mich herum und sah nur einen Besen vor mir. Sofort rannte ich auf den Flur, doch es war zu spät – die Haustür stand weit auf, Helenes Tasche und ihre Schuhe waren bereits verschwunden.

Ich stellte mich in den Türrahmen und schaute mich um, doch es war Niemand mehr zu sehen. Mein erster Weg führte ins Wohnzimmer, wo mein Handy auf einem Tisch lag...

Sicht: Helene

Sie hatten mich soweit – der Typ hatte alles erreicht was er wollte. Er hat mich innerhalb von wenigen Tagen verrückt gemacht und für mich gab es keinen anderen Ausweg, als abzuhauen. Nichts hätte ich mehr gewollt, als es Florian zu erzählen, aber ich durfte nicht – nicht auf Kosten von Maria.
Mein Weg führte mich ins Unbekannte. Ich lief einfach so schnell ich konnte irgendwo hin – Hauptsache weit weg. Erkennen konnte ich sowieso nichts, denn meine Sichtfeld wurde durch, immer wieder aufsteigende, Tränen gestört.
Vor mir lag eine lange Straße, die nur von sehr wenigen Häusern umgeben war. Vielleicht befand ich mich gerade am Hafengelände, mein Orientierungssinn war vollkommen verloren...

Mittlerweile irrte ich schon gefühlte Stunden in der Gegend herum. Ich spürte, wie meine Kraft langsam aber sicher nachließ. Glücklicherweise lag direkt vor mir ein großer Findling. Vollkommen fertig setzte ich mich darauf, um wenigstens einige Minuten durchzuatmen, was nicht viel brachte – keine Sekunde später überströmten Tränen mein Gesicht. Hin und wieder versuchte ich angestrengt nach Luft zu schnappen, was mir mit jedem weiteren Atemzug schwerer fiel.
„Kann ich Ihnen helfen?" drang es plötzlich durch mein Ohr. Verzweifelt schaute ich auf, versuchte aber trotzdem mein Gesicht irgendwie zu schützen. Ein schon sehr alter Mann stand vor mir und legte behutsam seine Hand auf meine Schulter. „Mädchen, sie sind ja ganz erschöpft." Ich wusste, dass er es nur gut meinte, aber ich hatte Angst, dass ihm durch mich auch etwas passieren könnte.
„Nein, nein, es ist alles gut..." versuchte ich mich mit letzter Kraft herauszureden, was sicherlich nicht ganz überzeugend herüber kam. „Sie sind doch die Helene Fischer?" Genau das hatte noch gefehlt. „Sie müssen mich verwechseln." Entgegnete ich ihm ungewollt grob und versuchte wegzurennen, was kläglich scheiterte.

Stattdessen ließen mich meine Beine im Stich und ich landete auf dem harten, gepflasterten Weg. „Ich sehe doch, dass es Ihnen nicht gut geht." Wieder spüre ich seine Hand an meinem Oberarm. Er versuchte mir aufzuhelfen, aber ich wehrte mich dagegen. „Lassen Sie mich in Ruhe und hauen sie ab!" schrie ich so laut, wie nie zuvor in meinen Leben. Am Rande bekam ich nur noch mit, wie sich der Mann traurig von mir entfernte. Es tat mir so unendlich leid, ich wollte das alles gar nicht.

Nun lag ich da – ganz alleine. Kraft zum aufstehen hatte ich einfach nicht mehr. Am liebsten hätte ich einfach aufgegeben. Ich war an einem Punkt angekommen, an dem ich nie hätte sein wollen. Nie hatte ich auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass es mir irgendwann so ergehen würde.

Ich weiß nicht wie lange ich wirklich auf dem Boden lag und mich einfach selbst bemitleidete – vielleicht waren es Minuten, vielleicht aber auch Stunden. Es war schon längst stockdunkel. Als ich mich endlich wieder aufrichten konnte, blinzelte ich herum und versuchte irgendeinen Orientierungspunkt zu entdecken. In der Ferne konnte ich einen großen Turm erkennen, der mit hellem Licht angestrahlt wurde. Vorsichtig rappelte ich mich auf, stützte mich an einer Laterne und ging wenige Schritte vorwärts. Ich atmete die angenehme, nicht zu kalte und nicht zu warme, Luft ein und versuchte somit neue Kraft zu schöpfen.
Im Kopf hatte ich mich längst dafür entschieden nicht in unsere Wohnung zurück zu gehen, aber mein Herz hatte sich anders entschlossen. Automatisch ging ich genau denselben Weg zurück, wie ich an diese, mir unbekannte Stelle, gekommen war.

Eine Weile war ich unterwegs, als plötzlich ein Auto neben mir hielt. Wie im Krimi ging das Fenster herunter und ein schauderhaftes Gesicht schaute mich an: „Hallo, kann ich Sie irgendwo hin mitnehmen?" Natürlich war ich zuerst skeptisch, doch die Stimme war mir sofort vertraut. Der Mann klang sehr freundlich und auch seine Gesichtszüge veränderten sich schnell in eine positive Art.
Ich nickte schüchtern, er hielt mir ohne zu Zögern die andere Autotür auf und angespannt ließ ich mich auf den Sitz fallen.
Es tat gut – unheimlich gut. „Wo soll ich sie denn hinfahren?" fragte er freundlich nach. Kurz überlegte ich, dann nannte ich ihm unsere Adresse. Es war wichtig doch mit Florian zu reden, er könnte mir bestimmt helfen.
Die Fahrt war sehr angenehm. Ab und zu musste ich sogar Lächeln, denn ich hatte eine sehr charmante Begleitung. Oft verfielen wir in einen kleinen Plausch über verschiedenste Themen. Wir fuhren nicht allzu lange, ich konnte schon von Weitem unsere Wohnung erkennen, als das Auto plötzlich abbog.
Ich kicherte: „Sie sind zu früh abgebogen." Mit meinem Finger zeigte ich auf die andere Straße. „Nein bin ich nicht." Plötzlich klang seine Stimme viel gefährlicher. „Doch, doch, Sie hätten dort lang fahren müssen." Ich konnte förmlich spüren, wie die Angst in mein Herz stieg.

„Ich bin hier richtig Kleine!" Es klang bedrohlich. Hektisch versuchte ich die Tür zu öffnen, doch sie war verschlossen. „Lassen Sie mich raus!" schrie ich laut, doch von der Seite war nur ein höhnisches Lachen zu hören...


Ein Kampf gegen die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt