keine Chance

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Sicht: Helene

Mit der Zeit spürte ich Müdigkeit. Eigentlich wollte ich es nicht, aber meine Augen fielen einfach zu. Doch sobald ich auch nur eine Sekunde in einer unheimlichen Traumwelt verschwunden war, sah ich seine hässlichen, intensiven Augen vor mir.
Immer wieder zuckte ich hoch. Flo musste mich ständig beruhigen. „Pssht, die Polizei hat ihn mitgenommen." Ständig musste ich mir diesen Satz anhören. Immer wieder. Immer wieder. Und nochmal. Es machte mich ganz verrückt. Noch einmal versuchte ich mit aller Kraft einzuschlafen, doch es missglückte. Diesmal spürte ich seine Hand an meinem Hals. Ich setzte mich auf und versuchte mit die Angst nicht anmerken zu lassen. Wieder legte Flo seinen Arm um mich und wollte nochmals beruhigende Wort in mein Ohr flüstern, doch soweit kam es nicht.
„Lass mich in Ruhe!" Schnell sprang ich auf, griff nach meiner Tasche, schlüpfte in die Schuhe und verließ das Hotelzimmer.

Erst als ich ein Stück vom Hotel entfernt war, zog ich mein Handy aus der Tasche. >Es tut mir leid Schatz. Ich muss kurz durchatmen. Ich komme dann wieder.<
Obwohl es mittlerweile schon sehr spät war, führte mich mein Weg zum Polizeirevier. Nachgedacht über die Ereignisse hatte ich noch gar nicht. Anscheinend musste die Polizei den falschen eingesperrt haben – wegen dem Banküberfall. Immerhin war der wahre Täter noch auf freiem Fuß.
„Guten Tag. Fischer mein Name. Ich würde gerne Frau Brenza sprechen." Ihr vertraute ich – sie war eine Frau, sie konnte mich verstehen und sie war beim Vorfall am Nachmittag dabei. Sofort wurde ich in ein Zimmer gebracht.

Es war ein beklemmendes Gefühl. Graue, dunkle Wände. Nur eine Lampe durchleuchtete den trotzdem sehr dunklen Raum. Vor mir stand ein Glas Wasser. Ich versuchte mir unheimliche Gedanken aus den Kopf zu schlagen, was mir letztendlich nur durch die eintretende Polizistin gelang. Ihr Lächeln war sehr freundlich, was gleich Vertrauen weckte. Plötzlich fühlte ich mich sicherer und wusste – ich kann ihr alles erzählen.
„Guten Tag Frau Fischer..." – „Guten Tag." meine Stimme klang ungewohnt schüchtern. „Sie sind wegen der Anzeige und dem Vorfall vor einigen Stunden hier?" – „Auch..."

Sie begann mich geschickt in ein Gespräch zu verwickeln, wodurch ich nicht bemerkte, dass ich ihr immer mehr Informationen lieferte. Letztendlich rückte ich mit der Sprache raus und äußerte meinen Verdacht, dass sie den falschen Bankräuber gefasst hatten.

Nachdem wir noch darüber gesprochen hatten, wollte ich gerade beginnen zu erzählen, dass der Mann mir und meinem Umfeld gedroht hatte – es war mir der wichtigste Punkt, doch genau in diesem Moment wurde die Tür aufgeschlossen und ein sehr großer, muskulöser Mann – seine Uniform verriet mir, dass er ein Polizist war – trat hinein. Im Schlepptau hatte er ihn – sofort rückte ich ungeduldig auf meinem Stuhl hin und her.
„Es ist Zeit für die Gegenüberstellung. Danach können wir mit Ihrem Anwalt sprechen." Ich nickte ängstlich.

Der Typ setzte sich genau vor mich, seine Augen musterten mein Gesicht. Bei keiner Frage, keine Sekunde lang, richtete er seinen Blick von mir. Nacheinander beantworteten wir einige Fragen, bis wir langsam zum Schluss kamen. „Sehr gut, dann würde ich Sie bitten mitzukommen." Die nette Polizistin wendete sich zu diesem Heuchler. Gerade packte sie nach seinem Arm, als er etwas fragte: „Kann ich noch kurz etwas mit Frau Fischer besprechen?" – „Nein, das ist leider nicht möglich." Dieser Satz hörte sich sehr gut an, doch auf einmal zückte der Typ hinter seinen Rücken – gut versteckt – ein Messer. Immer ein kleines Stückchen weiter rückte er zur Polizistin: „Sicher?" fragte er selbstbewusst. Man konnte förmlich erkennen, wie sich Schweißtropfen auf ihrer Stirn bildeten. Schlagartig verließ sie das Zimmer und nun waren wir alleine.
Ich ging immer weiter nach hinten, bis ich letztendlich von der Wand gestoppt wurde. „Du erzählst es Keinem? Egal wem – ich werde es herausfinden. Ich sitze hier fest, das ist klar, aber ich habe FREUNDE." >Freunde<... immer wieder schallte der stechende Ton seiner Stimme durch meinen Kopf >Freunde<. Er war nicht allein – er hatte Komplizen. Er will mein Leben zerstören.
Tränen stiegen auf – ich kämpfte dagegen an. Die Tür störte unsere Unterhaltung. Zwei starke Männer drückten dieses Arschloch gegen die Wand. Gekonnt wandten sie einen Handgriff an und schon viel das Messer zu Boden. Handschellen verhinderten mögliche Schläge und so schnell es ging, schleppten sie den Typen aus dem Zimmer.

Noch bevor die Tür ganz geschlossen war, rief er mir zu: „Denk an deine FAMILIE..." Wieder betonte er dieses Wort so ausgiebig, dass es eine gefühlte Ewigkeit in meinen Gedanken nachschallte.
Von hinten Griff mir die Polizistin auf die Schulter – der Schreck war größer, als der Grund. Ich zuckte zusammen und ließ mich schnell auf den Stuhl fallen. Wie angewurzelt saß ich da – keinen Ton gab ich von mir, keine Bewegung – alles hätte falsch sein können.
„Das tut uns sehr leid... da mit dem Messer, ich bin nur raus, um so schnell wie möglich Kollegen zu holen..." Ihr tat es wirklich leid, aber das war nicht das Schlimmste für mich. Endlich wollte ich es jemanden anvertrauen und was ist? – es geht nicht! Die Gefahr ist zu groß.
„Kein Problem" wisperte ich. „Was meint er mit ihrer Familie? Hat er Ihnen gedroht?" – „Nein." Ich war eine schlechte Lügnerin. Das Wort blieb mir beinahe im Hals steckten, ich wollte nur noch weg. „Entschuldigen Sie mich bitte..." schnell erhob ich mich, schnappte meine Tasche und fasste nach der Türklinke „Ich... muss an die frische Luft." Wieder lag ein freundliches Lächeln auf den Lippen der Polizistin. „Natürlich. Melden Sie sich bitte, wenn Sie bereit dafür sind." Ein Nicken musste als Antwort ausreichen und schon war ich weg.

Wohin sollte ich gehen? Ich musste irgendwie meine Gedanken ordnen, bevor ich Florian unter die Augen treten konnte.
Zurückhaltend beschloss ich durch einen kleinen Wald zu spazieren. Die frische Luft tat mir tatsächlich sehr gut – die laue Sommernacht hob meine Stimmung. Für einen kurzen Moment beruhigte ich mich, bis ich wieder vorm Hotel stand.
Unruhig stieg ich in den Fahrstuhl zum Zimmer. Flo saß auf einem Sessel. Er erwartete mich schon: „Wo warst du solange?" – „Bei der Polizei. Ich habe das alles geklärt." Flori sah sichtlich erleichtert aus. Er kam freudig auf mich zu und wollte mir einen Kuss geben, doch ich blockte ab: „Nein! Ich bin müde..."

So schnell es ging verschwand ich im Bad, machte mich bettfertig und vergaß sogar das Abendbrot an diesem Abend. Meine letzten Wort an Florian waren nur: „Schlaf gut." Danach versuchte ich zwanghaft einen Weg zu finden, wenigstens für einige Stunden in eine andere Welt zu verschwinden...


Ein Kampf gegen die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt