Nimm meine Hand

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Sicht: Christoph

Helene kam urplötzlich von der Bühne gerannt. Ich hatte das Alles die ganze Zeit über einen kleinen Monitor beobachtete. Sie sah so stark und trotzdem so zerbrechlich aus.
Total fertig und verwirrt stand sie direkt neben mir in dem dunklen Gang, schien mich aber nicht zu bemerken. „Helene?" fragte ich leise und ergriff ihren Arm, wodurch sie erschrocken hoch zuckte. „Hey, du...du hast das spitze gemacht!" - „Was?" Als hätte sie wirklich nicht gewusst, was ich meinte, kratzte sie sich verlegen am Hinterkopf. „N-na, das gerade eben!" - „Was war denn?" Ich war mir sehr unsicher, ob ich es ihr erzählen sollte. Sie schien plötzlich so anders, als wäre irgend etwas passiert. „Naja, was du über Florian erzählt hast!" - „Wo ist er eigentlich?" Mir wurde langsam bewusst, was los war. Ihr Kopf konnte das alles nicht mehr verstehen. Das war doch ganz klar. Wir hätten ihr das nicht erlauben dürfen, das war alles sicherlich viel zu viel.
„Helene..." Vorsichtig umgriff ich ihre Schultern, um sie aufrecht zu mir zu drehen „Florian ist tot, das weißt du doch!" Sie blickte durch mich hindurch, als wäre ich eine dünne Glasscheibe gewesen. „Stimmt..." wisperte sie und blieb starr stehen. Nichts bewegte sich. Auch ich hatte Angst davor irgend eine Reaktion zu zeigen. „Stimmt..." murmelte sie erneut. „Hey, wir sind alle...Helene?" Plötzlich schwand sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht. Sie legte ihre Hand flach an die Wand und kippte ein Stück nach vorne. Ich konnte sie gerade noch rechtzeitig packen und auf dem Boden ablegen, wobei ich ihren Kopf mit auf meinem Oberschenkel stützte. „Wir brauchen einen Arzt!" schrie ich ins Leere, in der Hoffnung, dass mich jemand hören würde.
Mir wurde ganz anders. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Hektisch tätschelte ich Helenes Wange. „Du musst aufwachen, hörst du? Helene? Kannst du mich hören?" Erneut schaute ich mich um. „Hallo? Einen Arzt schnell!" Ein Mitarbeiter der Show kam mir entgegen und bemerkte sofort, was los war. Er rannte los, um jemanden zu holen.
„Helene? Hey! Wach auf." Sie blinzelte kurz, bis ihre Augen in meine blickten. „Bringt es noch etwas wieder aufzuwachen?" fragte sie monoton und bewegte ihre Augen dabei keinen Millimeter. Sie starrte mich leer an. „Ja, sehr sogar! Wir lieben dich alle! Wir brauchen dich!" Meine Stimme wurde langsam wütender. Obwohl ich ihre Reaktion nachvollziehen konnte, hatte ich meine Gefühle nicht mehr im Griff. Die Angst beherrschten meinen Körper. Helene war so verändert. Nichts war mehr wie früher, wir vor einigen Tagen.
„Was ist passiert?" Eine laute Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Sie ist einfach zusammengebrochen!" Schnell machte ich Platz und beobachtete jede einzelne Handbewegung des, noch recht jungen, Arztes. Er schüttelte hin und wieder mit dem Kopf und wollte Helene gerade das Blutdruckmessgerät um den Arm binden, als sie ihn weg stieß und versuchte aufzustehen. „Bleiben Sie liegen!" mahnte der Arzt, doch es brachte nichts. Helene rannte schnell an mir vorbei und suchte nach dem Ausgang, war aber total desorientiert. Sie blieb kurz vor mir stehen und schaut in meine Augen. Ich wusste was kommt. Es war so klar. Einige Sekunden standen wir uns einfach gegenüber, bis sie mir erneut in die Arme fiel und bewusstlos zu Boden sank. „Eine Trage!" rief der Assistent des Arztes und schon kamen zwei Sanitäter angelaufen. Es ging alles so schnell. Irgendwelche Kabel wurden an ihr angeschlossen. Sie war so blass, alles war schlaff, dieses Glänzen, diese Ausstrahlung war einfach verflogen. Ich wusste, dass das alles kein gutes Ende nehmen würde.
Die Ärzte wollten Helene gerade auf die Trage legen, als ein Gerät lauter wurde. Der Ton überschlug sich fast selbst. Für einen kurzen Moment schien die Welt still zu stehen, niemand machte etwas. Erst kurz darauf reagierte der Sanitäter und beförderte einen Defibrillator aus dem Krankenwagen. Ob und wer sich inzwischen um uns versammelt hatte, bemerkte ich überhaupt nicht. Ich war auf Helene fixiert. Hektisch rief der Arzt: „Laden auf 200! Weg!" Ein Schuss. Nun war ich derjenige, der sich erschöpft und fassungslos an die Wand anlehnte. Erneut war die Stimme zu hören: „Laden auf 250! Weg!" Helene wollte zu Florian. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass sie nicht kämpft. Sie wollte zu ihm. Florian hielt gerade ihre Hand und sie waren sich so nah, wie nie zuvor...

Ein Kampf gegen die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt