Sie wird sterben

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Sicht: Maria

Ich zuckte hoch, als Helene unkontrollierte Bewegungen ausführte. Hatte ich geschlafen? „Helene, wach auf!" Sie ließ sich einfach nicht beruhigen. Die ganze Zeit rief sie irgendwelche Namen vor sich her, sie weinte und atmete immer schneller. Völlig besorgt und wie in Trance rief ich eine Krankenschwester, die sofort zu uns kam. Die junge Frau zog schnell einen Arzt hinzu, der meiner Tochter etwas spritzte.
Freundlich lächelte er mich an. Anders, als ich es von ausgelasteten Ärzten gewöhnt war, legte er seine Hand liebevoll auf meine Schulter: „Ich habe ihrer Tochter ein Beruhigungsmittel gespritzt. Sie hat sehr hohes Fieber, was den Körper zusätzlich schwächt, leider aber auch falsche Wahrnehmungen hervorruft. Alles, was sie durchlebt hat, kommt jetzt hoch. Machen Sie sich bitte nicht allzu viele Sorgen. Wir bekommen Frau Fischer wieder auf die Beine." Er wollte gerade das Zimmer verlassen und mich dazu auffordern auch eine Pause einzulegen, al ihm noch etwas bezüglich der Beerdigung von Florian einfiel: „Vielleicht sollten Sie die Beerdigung verschieben. Ich denke nicht, dass ihr Tochter in zwei Tagen fit genug sein wird." Abwesend nickte ich. Für mich war es das kleinste Problem. Ich hatte solche Angst, dass Helene einfach aufgibt. Sie war kein Mensch, der alles hinschmeißt, aber Florian war ihr ein und alles gewesen. Meine Kleine konnte nicht ohne ihn leben. Sie war am Ende und keiner konnte ihr helfen.
Behutsam schnappte ich mir Helenes Hand und strich sanft darüber. „Wir kriegen das hin...gemeinsam!" flüsterte ich und drückte einen sanften Kuss auf ihre warme Stirn. Ein letztes Mal strich ich meinem Schatz eine Haarsträhne nach hinten, dann verließ ich die ITS. Mein ganzer Körper zitterte. Ich spürte stechende Schmerzen in meinem Herz. Es tat mir einfach weh mein eigen Fleisch und Blut so erschöpft und kraftlos in diesem kahlen Krankenbett liegen zu sehen.


„Wie geht es ihr?" fragte eine schüchterne Stimme, als ich traurig das Hotelzimmer betrat. Verwirrt drehte ich mich so, dass ich den Raum überblicken konnte. Die Stimme gehörte weder Erika, noch Peter. Helga war es, die vor mir stand. Ihr Wangen waren eingefallen, ihre Haut wirkte blass. Sie musste viel geweint haben. Schultern zuckend schloss ich unsere Tür ab und streifte meine Schuhe von den Füßen.
„E-es tut mir so leid!" Peinlich berührt und trotzdem etwas teilnahmslos blickte sie unter sich. Wie eine Irre zupfte Helga an ihrem Oberteil herum. „Was tut dir Leid?" fragte ich grob, obwohl ich genau wusste, was sie meinte. „Das ich...das ich Helene die Schuld gegeben habe. Es, ich...ich war so fertig und mein Mann auch, wir...Florian, er..." - „Ist schon okay!" wisperte ich und setzte mich auf das Bett, um Helga gegenüber zu sitzen. Sie sah wirklich nicht gut aus und ich wüsste nicht, wie ich reagiert hätte, wenn das alles anders verlaufen hätte. „Wie geht es Helene?" fragte sie nochmals, diesmal energischer. Ich spürte, dass sie sich große, sehr großer Vorwürfe machte. „Nicht so gut. Sie hat hohes Fieber bekommen und...naja, wie es halt so ist, wenn man den Mann verliert. Sie redet sehr viel wirres Zeug. Sehr viel." Jetzt war ich diejenige, die sich angespannt am T-shirt herum zupfte. Ich wollte es nicht aussprechen, aber jeder von uns ahnte es schon. „Ich glaube Helene hat schon aufgegeben." Ein ungewollter Seufzer entfuhr mir, es war mehr ein Stöhnen und gleich danach kündigten sich tausende Tränen an. Helene war nie so – sie hätte nie aufgegeben, aber nun sah es genau danach aus. „Helene wird das schaffen!" schluchzte Helga, aber auch ihr war die Hoffnungslosigkeit anzuhören. „Nein, ich glaube sie will nicht mehr. Sie wird sich sinnlose Dinge einreden und nach der Beerdigung, wenn sie es langsam realisiert, wird sie aufgeben." - „SPINNST DU?" Erschrocken blickte ich zur Tür. Erika stand weinend vor mir. „Sowas SAGT MAN NICHT! Helene wird das schaffen. Sie kann es aber nur schaffen, wenn wir an sie glauben." Ich schüttelte einfach den Kopf. Mein Körper war seltsam. Ich verstand selbst nicht, warum ich meine eigene Tochter bereits aufgegeben hatte. „Erika, sie wird sterben...wenn nicht schon an dem Fieber, dann eben durch Selbstmord." Mir glitt dieser Satz einfach so über die Lippen. Auch ich war am Ende. Erika konnte mich nicht verstehen, ich war dennoch felsenfest davon überzeugt. „Ich hasse dich!" schrie sie und klatschte mir eine, direkt ins Gesicht.
Für einen Moment blieb alles still. Das war ein Zeichen. Es war etwas passiert...

Ein Kampf gegen die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt